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Der Besuch der strengen Dame

Finanzministerin Christine Lagarde wird heute als erstes französisches Regierungsmitglied am Berliner Kabinettstisch Platz nehmen. Lagarde hatte mit ihrer Kritik an deutschen Exporten für eine spürbare Anspannung im deutsch-französischen Verhältnis gesorgt.

Von Evi Seibert | 31.03.2010
    Die "Financial Times" hat sie zur Finanzministerin des Jahres gewählt. Und auch in der französischen Regierung gilt sie als Geheimwaffe. Viele sehen in ihr die nächste Premierministerin. Grade, klar und schnörkellos - so sieht sie sich selbst. Deswegen erstaunt es umso mehr, wie sie ihr Büro hoch oben im sechsten Stock mit Blick auf die Seine eingerichtet hat: 50 Quadratmeter Zebrateppichboden.

    "Ich wollte Energie in mein Büro bringen - und ein bisschen Freude. Ich glaube daran , dass man im Leben etwas bewegen kann, wenn man sich an drei Dinge hält: Vertrauen, Energie und Teamgeist. Außerdem war der Teppich das einzige, was ich in diesem Büro verändern konnte."

    Alles andere stand unter Denkmalschutz. Der Zebrateppich hat aber noch einen ganz hintersinnigen Grund. Man kann nicht lange draufschauen, ohne dass einem alles vor den Augen verschwimmt.

    "Als ich Finanzministerin wurde, hat man mir gesagt, du wirst hier mit vielen kleinen grauen Männern zu tun haben, die immerzu ihre Schuhe anstarren. Das geht mit diesem Teppichmuster definitiv nicht. Wenn man nämlich zu lange runterschaut, wird einem schwindlig- und so schauen sie jetzt mich an, statt den Fußboden."

    Solche ungewöhnlichen Ideen sind typisch für Christine Lagarde. Sie ist ihr ganzes Berufsleben durch die Welt gejettet und hat als Anwältin große Kanzleien in Chicago, Hongkong und London geleitet. Damit frische Ideen in ihre Arbeit und ihre Teams kommen, hat sie ein einfaches Rezept.

    "Als Managerin und als Ministerin habe ich immer eine Person, eine die komplett anders ist als der Rest. Einen Troubleshooter, der manchmal auch Ärger macht, eine andere Ausbildung hat, einen anderen Blick auf den Job. Wenn sich dauernd alle einig sind, kommt man nicht vorwärts."

    In ihrem etwas drögen Finanzministerium hat sie deshalb eine leicht schrille Pariser Gesellschaftsdame engagiert, die jeden Monat zu einem Abendessen im Ministerbüro einlädt. Künstler, Wissenschaftler, Autoren, alle treffen bei Christine Lagarde zu einem Think tank, um ungewöhnliche Lösungswege für aktuelle Probleme zu besprechen. Die Ministerin nennt das ihr "Out of the box-dinner". Wie so vieles in ihrem Wortschatz ein englischer Management Begriff. Sie ist das einzige Regierungsmitglied, das akzentfrei Englisch spricht, und das auch gut. Zum Schrecken des Protokolls:

    "Ich erinnere mich, als wir mal eine Ministerkonferenz in Brüssel hatten. Alle vor mir haben englisch gesprochen, ich dann natürlich auch. Meine internationalen Kollegen waren völlig überrascht und hocherfreut, das kannten sie von andren französischen Ministern nicht. Aber der französische Botschafter war völlig entsetzt und flüsterte immer wieder: 'Französisch, sprechen sie Französisch.'"

    Mich hat niemand für die Arbeit eines Ministers gecoacht und ausgebildet, sagt sie. Sie hat einfach ihren Managerjob an den Nagel gehängt, als Nicolas Sarkozy ihr das Amt anbot und ist ins kalte Wasser gesprungen. Bildlich gesehen hat das in ihrem Leben Tradition. In ihrer Jugend war Christine Lagarde nämlich französische Meisterin im Synchronschwimmen. Jeden Tag hat sie im Schwimmbecken trainiert. Auch heute noch kann sie sich ein Leben ohne Sport nicht vorstellen. Wohl aber ein Leben ohne
    Politik:

    "Ich kann mir schlecht vorstellen, in zehn Jahren immer noch in der Politik zu sein."

    Dann schon eher in ihrem Haus in der Normandie. Dorthin verzieht sie sich, so oft es geht, um sich vom Seewind den Kopf frei blasen zu lassen.