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Der Bibelzertrümmerer

Er gilt bis heute als einer der größten Mathematiker und Physiker: Galileo Galilei. Seine Erkenntnis, die Erde kreise um die Sonne, und nicht umgekehrt, ließ das kirchliche Weltbild wanken und brachte die Inquisition gegen ihn auf: Vor 375 Jahren begann der Prozess gegen den Wissenschaftler.

Von Irene Meichsner | 12.04.2008
    Der Angriff der Inquisition traf Galileo Galilei aus heiterem Himmel. 1610 hatte ihn der Großherzog der Toskana zum Hofmathematiker ernannt, und für sein jüngstes, 1632 fertig gestelltes Buch hatte sich der 68-Jährige etwas Besonderes einfallen lassen: In einem fiktiven "Dialog über die zwei wichtigsten Weltsysteme, das Ptolemäische und das Koper¬nikanische" spekulierten die Gesprächspartner über die Struktur des Universums. Welche Position Galilei selber vertrat, war allgemein bekannt.

    Auf stund der Doktor Galilei
    Schmiss die Bibel weg, zückte sein Fernrohr,
    warf einen Blick auf das Universum
    Und sprach zur Sonn: Bleib stehn!
    Es soll jetzt die creatio die
    Mal andersrum sich drehn
    Denn eins ist wahr: Spaß ist doch rar.
    Und Hand aufs Herz:
    Wer wär nicht auch mal gern sein eigner Herr und Meister?


    Als erster Astronom, der ein Fernrohr benutzte, hatte Galilei sich davon überzeugt, dass die Erde sich um die Sonne dreht - und nicht umgekehrt die die Sonne um die Erde.

    "Galileo Galilei, der Bibelzertrümmerer!"

    "Überall in Italien entfachte das Buch einen Sturm der Begeisterung","

    schreibt Galileis Biograf Albrecht Fölsing:

    ""Und Galilei, der wegen einer schweren Augenkrankheit zeitweilig am Lesen gehindert war, konnte sich die größten Lobpreisungen rezitieren lassen."

    Der Triumph währte nicht lange. Im Konflikt um die Deutungshoheit zwischen Kirche und neuer Wissenschaft wollte die Inquisition ein Zeichen setzen. Der Verkauf des "Dialogs" wurde verboten, Galilei nach Rom vorgeladen und unter Hausarrest gestellt. Dabei hatte er sich bisher mit dem wissenschaftlich interessierten Papst immer gut verstanden. In Bertolt Brechts Schauspiel "Leben des Galilei" versucht Urban VIII., seinen Schützling - im Gespräch mit dem Inquisitor - zunächst sogar noch zu verteidigen.

    Papst: "Nein! Nein! Nein! Schließlich ist der Mann der größte Physiker dieser Zeit, das Licht Italiens, und nicht irgendein Wirrkopf. Er hat Freunde. Da ist Versailles. Da ist der Wiener Hof. Sie werden die Heilige Kirche eine Senk¬grube verfaulter Vorurteile nennen. Hand weg von ihm!"

    Inquisitor: "Man wird praktisch bei ihm nicht weit gehen müssen. Er würde sofort nachgeben."

    Papst: "Ich will keine Verurteilung physikalischer Fakten, keine Schlachtrufe wie 'Hie Kirche!’, 'Hie Vernunft!’."

    Doch die Inquisition setzte sich durch. Mit dem ersten Verhör am 12. April 1633 begann der Prozess. Kardinal Vincenzo Maculano, der Generalkommissar, konfrontierte Galilei mit einer - wahrscheinlich gefälschten - Notiz, der zufolge die Kirche ihm schon 1616, als die Schriften des Kopernikus auf den Index gesetzt wurden, verboten habe, die kopernikani¬sche Lehre auch nur zu erörtern. Es gibt Hinweise, wonach der Inquisitor Galilei in einem Gespräch unter vier Augen mit dem - falschen - Versprechen köderte, sein Buch könne nach einigen Korrekturen durchaus wieder erscheinen, sofern er sich reuig zeige.

    Die Androhung von Folter tat ein Übriges, die moderne Wissenschaft erlebte ihren ersten großen Sündenfall.

    "22. Juni 1633"

    Mit der Hand auf dem Evangelium ging Galilei vor der Inquisition buchstäblich in die Knie.

    "Ich, Galileo Galilei, Lehrer der Mathematik und der Physik in Florenz, schwöre ab, was ich gelehrt habe, dass die Sonne das Zentrum der Welt ist und an ihrem Ort unbeweglich, und die Erde ist nicht Zentrum und nicht unbeweglich. Ich schwöre ab, verwünsche und verfluche mit redlichem Herzen und nicht erheucheltem Glauben alle diese Irrtümer und Ketzereien sowie überhaupt jeden anderen Irrtum und jede andere Meinung, welche der Heiligen Kirche entgegen ist."

    An unverfänglichen Themen durfte Galilei weiter forschen, vollendete auch noch sein physikalisches Hauptwerk, die "Discorsi". Bis zu seinem Tod 1642 blieb er ein Gefangener der Inquisition. Erst 350 Jahre später, 1992, konnte sich der Vatikan dazu durchringen, ihn offiziell zu rehabilitieren - ein spätes Eingeständnis von Papst Johannes Paul II., dass man Galilei seinerzeit in einen Meineid getrieben hatte.