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Der Boom der Massentierhaltung und die Folgen für die Umwelt

Die konventionelle Landwirtschaft noch immer von der Massentierhaltung geprägt. Die 26 Millionen Schweine plus die 100 Millionen Lege- und Masthühner in Deutschland produzieren - laut BUND - zusammen jährlich rund 110 Milliarden Liter Gülle, die auf die Felder gelangt und teilweise auch ins Grundwasser. Der BUND hat diese jüngste Entwicklung der Massentierhaltung in einer Studie genauer untersucht.

Von Andreas Baum | 28.03.2006
    Es sind vor allem drei Punkte, die der BUND in dieser Studie anspricht. Erstens gibt es eine Tendenz zu immer größeren Fleischfabriken: Neuerdings werden Ställe gebaut, in denen bis zu 100.000 Tiere stehen. Zweitens gibt es der Studie zufolge eine Tendenz zu einer Politik, die diese Größenordnung der Massentierhaltung auch noch fördert indem sie - drittens - Umweltstandards absenkt. Und die Umweltschützer befürchten, dass dies in Zukunft so weiter geht und die Schweinebestände in Deutschland einen historischen Höchststand erreichen werden, wie Hubert Weiger erklärt, der agrarpolitische Sprecher des BUND:

    " Das Zentralproblem ist, dass durch die industrielle Tierhaltung in diesen völlig neuen, gewaltigen Dimensionen von fast 100.000 Schweinemastplätzen es zu gewaltigen Emissionen kommt in die Luft, aber auch ins Grundwasser, allein durch die Ausbringung von Gülle. Das kann auch durch die Biovergasung nicht gelöst werden, denn der Stickstoff bleibt drin. Und wir haben gleichzeitig gewaltige Ammoniakemissionen in die Atmosphäre und Staubbelastung und über die entsprechende Gülleausbringung auch Antibiotika-Einträge in die Böden und damit auch letztendlich eine Gefährdung des Grundwassers. "

    Also geht es damit auch um die Gesundheit der Menschen, besonders übrigens in den bundesdeutschen Brennpunkten der Massentierhaltung. Dies ist einerseits das nordwestliche Niedersachsen, also die Weser – Ems – Region, aber auch Gegenden in Sachsen-Anhalt und Brandenburg, dort sei man besonders genehmigungsfreundlich, immer mit dem Argument, dass eben auf strenge Umweltstandards und Tierschutzrichtlinien verzichtet werden muss, wenn es um Arbeitsplätze geht. Ein Trugschluss, sagt Hubert Weiger, denn wenn es so weitergeht, könnte die Gesamtbilanz für den Menschen am Ende doch wenig vorteilhaft sein:

    " Es geht also nicht nur darum, die Not der Tiere anzuprangern in diesen industriellen Anlagen, auch die Qualität der Arbeitsplätze zu verdeutlichen, sondern auch klar zu machen, dass damit gewaltige Belastungen, die weit über den Raum hinaus gehen, verbunden sind. Deswegen halten wir es für eine ganz schlimme Entwicklung, dass die industrielle Tierhaltung in Deutschland nicht nur nicht gestoppt worden ist, sondern dass sie gerade in den letzten vier, fünf Jahren weiter massiv Marktanteile erobert hat. "

    Genau dies nämlich geschieht: Die Politik ist mit Schuld, sie habe es nicht geschafft, die Rahmenbedingungen zu ändern: Immer noch haben diese Riesen-Agrar-Fabriken steuerliche Vorteile und werden auch von bestimmten Umweltauflagen befreit. Sie werden also bevorzugt im Vergleich zu Betrieben, die artgerecht Tiere halten und dann mit den niedrigen Fleischpreisen nicht mehr konkurrieren können. Deshalb fordert der BUND von Agrarminister Seehofer konkret, dass dieser Prozess nicht weiter begünstigt wird. Es darf in der Zukunft nicht möglich sein, gigantische Schweinemastanlagen auch noch finanziell, mit Steuergeldern, zu fördern. Weiger befürchtet, dass Öko-Betriebe in Zukunft kaum noch Geld bekommen, dafür werden industrielle Anlagen gefördert. Unakzeptabel sei dies angesichts der Tatsache, dass es eben Alternativen zur industriellen Massentierhaltung gebe, man muss ihnen nur helfen, konkurrenzfähig zu bleiben:

    " Artgerechte Tierhaltung erfordert eben keine Spaltenböden, erfordert entsprechende Einstreu, erfordert eine Mindestbewegungsfläche, und das bedeutet, es gibt ja Alternativen, die sind in Praxis erprobt, aber die brauchen eine andere Unterstützung durch die Politik, sie brauchen vor allem Rahmensetzungen, wo sie nicht durch die Preise, die hier möglich werden, zu Tode konkurriert werden. Wenn wir dann weiter nach Polen gehen, dort wird inzwischen dann das Fleischschlachtgewicht für unter einen Euro pro Kilogramm erzeugt und kommt natürlich auch auf den deutschen Markt. Das heißt, das ist ein ruinöser Wettbewerb zu Lasten der Tiere, zu Lasten der Menschen, zu Lasten der Umwelt, und hier ist die Politik gefordert. "

    Die Studie enthält also eine Reihe von konkreten Forderungen, dazu gehören bekannte wie die Beendigung der Exportsubventionen, der verbindliche Einsatz von Tierschutzstandards, die Begrenzung von Transportzeiten und einiges mehr, um den negativen Folgen der Massentierhaltung Herr zu werden.