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Der Brotkasten lebt

Er war ein Phänomen. Nachdem der Commodore 64 Ende 1983 auf den Markt kam, verkaufte er sich mehr als 17 Millionen Mal. Die liebevoll Brotkasten genannte graue Kiste ist damit bis heute der meist verkaufte Computer aller Zeiten. Anfang der 90er Jahre liefen ihm jedoch die neuen PCs den Rang ab - Produktion eingestellt.

Von Christian Fischer | 15.10.2005
    Der C64 also tot, ein Relikt, das heute höchstens noch ein Flohmarktdasein neben echten Brotkästen führt? Weit gefehlt.

    Der Demogruppe "Smash Designs" gelang 1997, was viele für unmöglich gehalten hatten: Sie programmierte eine C64-Version des legendären PC-Demos "Second Reality" und bewies damit, dass der C64 noch lange kein Technikschrott ist. Ein Demo ist eine Animationssequenz mit passender Musik, die den Rechner an seine Leistungsgrenzen führen soll.

    Andre Bürger ist Mitprogrammierer von "Second Reality" und vieler anderer C64 Demos:
    " Das Ding schaltet man ein und er ist so, wie er vor 20 Jahren gewesen ist. Und das macht glaube ich die Faszination aus: Das möglichste rauszuholen aus dem bisschen Hardware, was halt da ist. "

    Sein größtes Projekt war jedoch alles andere als ein Demo:

    " Turrican ist eins von den Spielen gewesen, was mich in meiner Jugendzeit einfach am meisten fasziniert hat und es fehlte einfach ein dritter Teil. Irgendwie wollte den keiner mehr machen. Es waren sehr viele Leute enttäuscht, dass da nichts mehr kam. Ich war einer davon. "

    Deshalb war es sieben Jahre und mehrere hundert vollprogrammierte Diskettenseiten später so weit: Turrican 3, von Andre Bürger unter Mithilfe einiger Musiker entwickelt, wurde 2004 im Internet veröffentlicht und innerhalb der ersten 24 Stunden über 1000 Mal heruntergeladen.

    Etliche Retro-Gamer spielen die neuen und alten Spiele heute auf einem Emulator, einem kleinen Programm, das den C64 am PC simuliert. Nostalgiker setzen aber weiterhin auf den Brotkasten.

    " Ein PC ist ein Konzept, eine Architektur. Aber der C64 ist wirklich was Greifbares und natürlich auch ein Stück Zeitgeist der 80er mit einem unangefochtenen Status in der Szene. "

    So Informatiker Klaus Stock, der zur Zeit an einem Wiki, einer Internetsammelstelle für Informationen rund um den C64, arbeitet.

    " Es geht darum, eine Fachenzyklopädie für den C64 aufzubauen, mit Hilfe von Besuchern und anderen Interessierten. "

    Eine weitere Informationsquelle ist GO64, ein Printmagazin, das sich an alle C64 Benutzer wendet. Darunter sind nicht nur Spieler, sondern auch viele Musiker. Die schwedische Gruppe Visa Röster etwa singt a capella die Titelmelodien alter Spielklassiker, wie International Karate.

    Sogar neue Hardware wird für den C64 entwickelt: Mit Modem, Festplatte und Compact-Flash-Kartenleser wird der alte Brotkasten zum echten Multimedia-PC. Auf die Spitze treiben es die Mitglieder des Dienstagstreffs, einer Gruppe C64-Begeisterter aus Bochum. Sie haben einen C64 schon unter Wasser betrieben, als Eingabegerät eine Tanzmatte, wie man sie von Spielkonsolen kennt, entwickelt und sogar schon einen alten Ergometer umgebaut, wie Stefan Zelazny vom Dienstagstreff erklärt:

    " Feste Lenkstange, die wir einfach durchgesägt haben. Dann haben wir da noch ein zusätzliches Rohr rein montiert, so dass das Ganze beweglich wurde und dann mit ein paar alten Mikroschaltern aus Joysticks so geschickt zusammengeschraubt, dass man damit links und rechts lenken konnte und der C64 das auswerten konnte. "

    Woran liegt dieser ungebrochene Reiz des fast ein Vierteljahrhundert alten Rechners?

    " Das ist vielleicht wie jemand, der schon seit 20 Jahren sein altes Auto fährt. Also viele Leute würden lieber ihr altes Auto noch ein paar Kilometer schieben, als sich ein neues anzuschaffen. Ähnlich ist das mit dem C64 auch. "

    Programmierer, Musiker, Technik-Freaks und vor allem Retro-Gamer sagen deshalb auch heute noch: "I adore my 64, my Commodore 64."