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"Der Bundestag ist kein Abnickparlament"

Der Bundestag soll nach dem Willen der Regierung über die deutsche Beteiligung am Hilfspaket für Griechenland schon am Donnerstag abstimmen. Dieser "Schweinsgalopp" sei nicht angemessen, schimpft Joachim Poß (SPD) - und vermutet hinter dem Drängen reines Wahlkampftaktieren der Kanzlerin.

Das Gespräch führte Jasper Barenberg | 28.11.2012
    Sandra Schulz: Schon die Finanzminister haben zwei Anläufe gebraucht, aber in der Nacht auf gestern haben sie sich, gemeinsam mit der Chefin des Internationalen Währungsfonds, Lagarde, auf eine gemeinsame Linie bei der Griechenland-Rettung geeinigt. Danach ist klar: Es fließen weitere Milliarden nach Athen. Um den Schuldenberg Griechenlands zumindest auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, sind ein Schulden-Rückkaufprogramm, Zinserleichterungen und längere Darlehenslaufzeiten verabredet. Da gibt es jetzt aber noch eine Unbekannte: Weil damit auch der deutsche Haushalt 2013 auf Mehrbelastungen in dreistelliger Millionenhöhe zusteuert, muss der Bundestag zustimmen. Höchst ehrgeizig war der Zeitplan, den die schwarz-gelbe Koalition gestern öffentlich gemacht hat. Angestrebt war danach eine Entscheidung schon morgen. Aber die Opposition will sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Darüber hat hier im Deutschlandfunk mein Kollege Jasper Barenberg mit dem SPD-Finanzpolitiker Joachim Poß gesprochen. Zuerst hat er ihn dabei gefragt, ob die SPD dabei bleibe, eine Abstimmung werde es in dieser Woche nicht geben.

    Joachim Poß: Wir sind der Auffassung, dass dem Parlament eine umfassende Beschäftigung mit den doch jetzt komplizierten Zusammenhängen auch dieses Rettungsmanövers möglich sein muss, und da ist eine Befassung von 48 Stunden sozusagen im Schweinsgalopp natürlich nicht angemessen, auch dem Parlamentsbetrieb, der parlamentarischen Würde sozusagen nicht angemessen. Der Bundestag ist kein Abnickparlament.

    Jasper Barenberg: Ihr Haushaltsexperte, Carsten Schneider, hat eben gesagt: Eine Entscheidung zu Griechenland in dieser Woche ist nicht vorstellbar. So weit gehen Sie aber nicht?

    Poß: Wir haben Herrn Schäuble eine Reihe von Fragen übersandt, zum Beispiel, ob die Bundesregierung einen Schuldenschnitt bei den öffentlichen Gläubigern von Griechenland-Krediten für den Zeitraum bis zum Jahr 2020 ausschließt, ob die Eurogruppen-Ergebnisse, die veröffentlicht wurden, auch vom Internationalen Währungsfonds mitgetragen werden, ob der Internationale Währungsfonds Bedingungen für seine Zustimmung gestellt hat. Das ist ja das Problem, dass Frau Lagarde gesagt hat, im Grunde genommen ist alles unter Vorbehalt, es hängt vom Erfolg des Rückkaufprogramms der griechischen Staatsanleihen ab. Daraus schließen wir, dass wir es sowieso mit einem zweigeteilten Verfahren zu tun haben.

    Barenberg: Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, vermutet bei Ihnen ja schon so etwas wie Trickserei. Er sagte, es müsse zwar sorgfältig, aber eben auch zügig beraten werden. Nicht zuletzt wartet ja auch die Regierung in Griechenland händeringend auf grünes Licht aus Berlin, oder?

    Poß: Ja. Ich habe ja nichts Anderes gesagt. Nur es darf keine sozusagen überfallartigen Zumutungen geben. Dagegen haben sich dann einige Sozialdemokraten heute dann auch, glaube ich, zu recht gewandt. Gegen eine zügige Beratung ist überhaupt nichts zu sagen. Dafür stehen wir doch. Wann haben wir denn nicht die anstehenden Probleme hier im Deutschen Bundestag intensiv und zügig beraten? Das ist doch unsere Praxis seit drei Jahren.

    Barenberg: Dann können wir also festhalten: Diese Woche wird es wohl doch eine Abstimmung geben und ein Ja der SPD zu dem Paket?

    Poß: Es ist jedenfalls nicht auszuschließen. Allerdings ist eine Vorhersage nicht mit Sicherheit möglich. Natürlich haben wir eine pro-europäische Grundeinstellung und haben auch zu Recht kritisiert, wie abenteuerlich Vertreter der Koalition, Söder, Dobrindt und Andere, versucht haben, Griechenland aus dem Euroraum herauszureden. Das ist alles wahr. Aber wir können natürlich auch und müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Bundeskanzlerin hier versucht, wieder mal in ihrer trickreichen Art einer zügigen Lösung – und die hätte natürlich auch darin bestehen können, dass man sich anschaut, wäre es dann nicht erfolgversprechender im Interesse einer Stabilisierung von Griechenland, auch unpopuläre Maßnahmen ins Auge zu fassen -, dem weicht ja die Bundeskanzlerin aus. Wenn es also zu einem Schuldenschnitt kommen sollte, den ich nicht fordere, aber den man natürlich in die Betrachtung hätte mit einbeziehen müssen in der Lösungsoption, dann wird das ja sehr wahrscheinlich erst nach der Bundestagswahl 2013 sein, und diese Taktik, die können wir nicht akzeptieren. Und im Übrigen, wie gesagt, hängt es davon ab, was wir von der Regierung denn mündlich und schriftlich auf den Tisch bekommen zu unseren Fragen, um dann endlich uns entscheiden zu können, und das wird sich herausstellen.

    Barenberg: Zum Thema Schuldenschnitt noch mal eine Nachfrage. Sie haben gerade gesagt, Sie halten den für richtig, aber würden ihn jetzt nicht wollen. Das ist ja ein Widerspruch.

    Poß: Nein! Ich hielte es für richtig, dass man, was den Lösungsansatz angeht für Griechenland, eine solche Option – es geht ja um eine Option – nicht von vornherein zur Seite tut. Aus allen Ecken versucht man doch, Geld zusammenzukratzen, kann nicht mal alle Quellen angeben, wo das Geld denn herkommen soll für die 44 Milliarden, die da in Rede stehen, was mögliche Haushaltsauswirkungen angeht, nur 730 Millionen, die Herr Schäuble genannt hat.

    Barenberg: Genau. Das sind die 730 Millionen Euro, die Herr Schäuble genannt hat. – Auf der anderen Seite hat ja die Linkspartei darauf hingewiesen, dass auch mit diesem Hilfspaket die falsche Politik fortgesetzt wird, die ja auch die SPD selbst oft beklagt hat in der Vergangenheit: eine Politik nämlich, die Griechenland erst in eine schlimme Wirtschaftskrise gestürzt hat. Warum werden Sie dann jetzt zustimmen?

    Poß: Es geht ja jetzt um Elemente einer Programmänderung, die den Griechen Erleichterungen bringen sollen, und das ist ja eine Verbesserung des bestehenden Programms gegenüber dem Status quo. Dass mit der Mixtur, die verabreicht wurde, vor allen Dingen mit diesen übertriebenen Sparmaßnahmen, natürlich auch das Wachstum beschädigt wurde, das ist ja jetzt vielfach nachgewiesen worden. Hier geht es natürlich eigentlich eher in die andere Richtung.

    Schulz: Der SPD-Finanzpolitiker Joachim Poß im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Fragen stellte Jasper Barenberg.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.