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Der Cateringservice Axil
Kulinarische Exotik für Brandenburg

Mit dem Projekt Axil schlägt der diakonische Verein ESTAruppin gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Flüchtlinge kochen ihre Heimatgerichte für einen Cateringservice, in Brandenburg wird die gutbürgerliche Küche durch ihren Beitrag ergänzt. Und die Flüchtlinge können sich auf eine Ausbildung in der Gastronomie vorbereiten. Denn hier fehlt es nicht nur in Brandenburg an Fachkräften.

Von Azadê Peşmen | 29.01.2016
    Falafel ist ein traditonelles arabisches Gericht.
    Falafel für Brandenburg? Das könnte künftig der Cateringservice Axil liefern (imago/ZUMA Press)
    Ein Supermarkt, ein Fliesenhändler, ein paar leere Fahrradständer und kaum Menschen auf der von Schnee bedeckten Straße. Auf den ersten Blick wirkt Neuruppin wie eine ruhige, unscheinbare Kleinstadt. Zumindest nicht wie eine Umgebung, die neue, innovative Unternehmer anzieht. Aber genau das soll hier passieren. Arbeit im Exil, kurz Axil, soll das neue Start-Up heißen. Jugendliche sollen Gerichte zubereiten, die sie aus ihrer Heimat kennen und damit als Catering-Service die Region beliefern.
    Die Idee stammt von dem diakonischen Verein ESTAruppin. Im Landkreis Ostprignitz-Ruppin* arbeitet der Verein seit einigen Jahren unter anderem zu den Themen Migration und Flucht. Die bereits vorhandenen Kontakte möchte man sich zunutze machen, erklärt Helene Weiß. Sie hat gemeinsam mit der Geschäftsführung des Vereins das Konzept für den Cateringservice mit internationaler Küche entwickelt.
    Die Gastronomie im ländlichen Raum sei bisher eher bürgerlich geprägt, erklärt sie:
    "Wir haben hier natürlich auch eine Reihe von Gasthöfen, die auch Catering anbieten. Was wir nicht allerdings haben, das ist tatsächlich internationale Küche auf der Ebene und das ermutigt, dieses Catering anzugehen. Unser Plan ist ja, internationale Küche anzubieten. Wir suchen auch eine migrantische Fachkraft für das Küchenmanagement, für die Anleitung der Jugendlichen, um auch sicherzustellen, dass es eine kreative Küche wird, mit anderen Einschlägen, als wir das hier kennen."
    Die Jugendlichen sollen dabei die gastronomischen Grundlagen erlernen, die sie auf eine Ausbildung in der Branche vorbereitet. Dort fehlt es an Auszubildenden, gerade in der ländlichen Region Brandenburgs, aus der viele junge Menschen wegziehen.
    Für potenzielle Interessenten an der Arbeit in der Gastronomie ist jetzt schon das Café Hinterhof eine Anlaufstelle und eine Möglichkeit, sich auszuprobieren. Alle zwei Wochen kommen hier Geflüchtete zusammen. Eine Gruppe kocht für alle ein Abendessen. Heute sind es Menschen aus Syrien und dem Iran.
    In einer kleinen Küche drängen sich drei junge Männer und treffen hektisch die letzten Vorbereitungen. Ein junger Mann wäscht schnell die Töpfe ab, ein anderer richtet das Essen an und achtet dabei penibel darauf, dass die Paprika an der richtigen Stelle liegt. Faris Hassan, ein Kurde aus Syrien, macht einen zurückhaltenden Eindruck und lässt sich nur schwer von der Arbeit loseisen. Auf kurdisch erklärt er, was er zubereitet: "Reis mit Fleisch. Es gibt ein arabisches Abendessen, das nennt man Kabab Bathinjan. Das ist dann Kebab, Fleisch mit Auberginen zusammen."
    Kochen zum Beruf machen
    Faris Hassan setzt sich an den großen, ellipsenförmigen Tisch, während auch die letzten Köche aus der Küche kommen und die Gäste mit Besteck versorgen. Am Tisch sitzt auch eine Frauengruppe aus Tschetschenien und unterhält sich angeregt, während ein paar Kinder mit dem Kicker spielen. Die Atmosphäre wirkt gemütlich und ungezwungen. Helene Weiß macht sich keine Sorgen, dass es nicht genug Interessierte gibt, die nicht nur in ihrer Freizeit kochen, sondern das auch zu ihrem Beruf machen möchten:
    "Wenn wir so weit sind, dass wir die Räume haben, dass wir die Anleitung haben, nutzen wir diese Kontakte, um die Jugendlichen zu finden, die sich für eine Ausbildung interessieren."
    Die Geflüchteten sollen aber nicht nur ihre eigenen Gerichte vermarkten und an die Menschen bringen, neben der beruflichen Ausbildung soll es auch Sprachkurse geben. Der Verein ESTAruppin hat vor, ein Sozialunternehmen zu gründen, erklärt Helene Weiß:
    "Wir gehen davon aus, dass Unterstützung bei der Sprache notwendig ist. Wie heißt ein Kochlöffel und was ist ein Schneebesen? Wir müssen Grundkenntnisse vermitteln und auch, was Arbeitsleben bei uns bedeutet, welche Rechte und Pflichten gibt es? Wir fokussieren uns ganz stark darauf, dass die Menschen gut vorbereitet darauf werden, um später im Betrieb eine Ausbildung machen zu können."
    Für diese Pläne bekommt Axil Unterstützung. Als eines von 14 Gründern haben sie das Ankommer-Stipendium erhalten. Damit fördert die Stiftung der Kreditanstalt für Wiederaufbau Projekte zur Integration geflüchteter Menschen. Den sozialen Aspekt kennt der Verein ESTAruppin bereits aus der Praxis und seinen eigenen Projekten. Zukünftig soll mit dem Catering-Service vor allem eines erreicht werden: Ein konkretes soziales Problem, also die Eingliederung der Geflüchteten, unternehmerisch angehen.
    Möglichst schnell eine Beschäftigung finden, das gilt als Schlüssel für die Integration von Flüchtlingen. Oft scheitert das aber: Sprachliche Hürden sind zu überwinden, bürokratische Hemmnisse abzubauen, es muss an Ausbildung und Qualifikation gearbeitet werden. Manchmal muss man aber vor allem wollen. Im Firmenporträt in diesem Januar werden Start-ups vorgestellt, deren Gründer den Willen zur Hilfe haben – und die dafür auch gefördert werden. Durch eine der KfW angeschlossene Stiftung, die ein Stipendienprogramm unter dem Titel "Ankommer" aufgelegt hat. Zu den Ideen, die die KfW-Stiftung für förderungswürdig gehalten hat, gehört ein Projekt, das exotisches Essen in die Provinz bringen will. Genauer – in die Provinz in Brandenburg. Wie das funktionieren soll, hat Azadê Peşmen in Erfahrung gebracht...
    ( * Anm. der Redaktion: Name wurde geändert. )