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Der DLF hat nachgehakt
Abschluss ohne Wert?

Es war eine besorgte Mail, die vor kurzem beim Deutschlandfunk eintraf. Studierende in Leipzig bangen um den Wert ihres Masterstudiengangs Lehramt. Es geht um ein Akkreditierungs-Problem, das auch anderswo besteht. "Campus & Karriere" bat DLF-Sachsen-Korrespondentin Nadine Lindner um folgende Recherche.

Von Nadine Lindner | 11.07.2014
    Studenten sitzen am Campus Koblenz der Universität Koblenz-Landau im großen Hörsaal.
    Studierende machen sich Sorgen um den Wert ihrer "Master-Abschlüsse" (dpa / picture alliance / Thomas Frey)
    Etwas umständlich nimmt Lehramts-Student Martin Riebel die Brille ab und legt sie auf den Tisch. So als wollte er symbolisieren, dass ihm gerade etwas der klare Blick dafür fehlt, wie es mit ihm weitergehen soll. Martin beendet gerade seinen Bachelor und wollte ab dem Herbst mit dem Master für Förderpädagogik weitermachen. Eigentlich ...
    "Jetzt aktuell sehe ich mich vor der Schwierigkeit, dass ich nicht weiß, was ich damit anfangen kann. Ich weiß nicht, ob ich mit dem Master ein Referendariat in anderen Bundesländern beginnen kann."
    Ist mein Abschluss bald nichts mehr wert? Diese bange Frage stellen sich viele, die gerade ein Lehramtsstudium mit Masterabschluss absolvieren.
    Reihe von Unwägbarkeiten
    Der Grund: Die Akkreditierung der Masterstudiengänge Lehramt, eine Art Gütesiegel, läuft Ende September 2015 aus. Die Akkreditierung bescheinigt dem Studiengang, dass seine Lehrinhalte eine bestimmte Qualität haben - fehlt die Akkreditierung, ist das nicht mehr gesichert. Und damit beginnt eine ganze Reihe von Unwägbarkeiten.
    Die Folgen erklärt Student Martin Riebel.
    "Weil die rechtsverbindliche Grundlage in Deutschland die ist, dass man als angehender Lehrer zum Referendariat zugelassen werden kann, wenn man einen akkreditierten Abschluss hat. Aber das ist gerade an der uni Leipzig nicht gewährleistet."
    Ohne Akkreditierung kein Referendariat? Für den angehenden Förderschullehrer Martin könnte das die Zukunftspläne über den Haufen werfen, denn er hat fest geplant, nach dem Studienende das Bundesland zu verlassen. Denn, in Sachsen geht das Referendariat nur zwölf Monate, statt wie in anderen Bundesländern 18 oder 24.
    "Das hat natürlich mit Qualität und nicht Qualität zu tun. Was jetzt natürlich für mich völlig offen ist, eigentlich war mir klar, dass ich mein Referendariat nicht in Sachsen ableisten will."
    Die Universität Leipzig hat das Problem schlicht verschlafen und trägt das Problem auf dem Rücken der Studenten aus, findet Christoph Genzel. Er ist beim Stura Referent für Lehramt und geht davon aus, dass 400 bis 600 Studierende betroffen sind. Genzel hat viele offene Fragen:
    "Wie verhält es sich, wenn ich in einem Studiengang bin, der nur zur Hälfte akkreditiert ist?"
    Es scheitert an der Vernetzung
    Die Strategie, die die Uni Leipzig jetzt verfolgt, um das Problem in den Griff zu bekommen, hat er auch unter die Lupe genommen. Das Stichwort lautet Systemakkreditierung, das heißt, dass die Uni ein eigenes Qualitätsmanagementsystem aufbaut und dann nach einer Prüfung alle Studiengänge selbst akkreditieren darf. Doch mit der neuen Strategie geht es nicht voran:
    "Es scheiterte an der Vernetzung und an der Tatsache, dass man sich über die Gestaltung der Hochschule nicht sicher war. Ob man ein Qualitätssicherungssystem haben will."
    Durch solche Kurswechsel leiden die Studenten und haben große Existenzängste.
    Verschärfend kommt seiner Ansicht nach ein zweiter Umstand hinzu, der das Chaos für die Studierenden noch größer macht: Das Land Sachsen kehrt wieder zum Staatsexamen zurück. In wenigen Jahren wird der Master ganz wegfallen. Stress pur für diejenigen, die in diese Lücke fallen könnten.
    Umstellung auf das Staatsexamen ist Ländersache
    Die Universität Leipzig verteidigt das Vorgehen. Die Umstellung auf das Staatsexamen sei Ländersache. Und ansonsten habe man alles im Griff, sagt der zuständige Prorektor Thomas Hofsäss. Und warnt vor Panikmache seitens des Stura.
    "Wir werden einen Antrag auf Systemakkreditierung stellen. Und schon mit der Antragstellung ist die Akkreditierung vorläufig gesichert."
    Kein Student müsse Bedenken haben. Auch die Zahl der Betroffenen schätzt er mit rund 90 als viel geringer ein.
    Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Professor Reinhold Grimm vom Akkreditierungsrat in Bonn, einer Stiftung, die im Auftrag der Länder die Akkreditierungsverfahren regelt.
    "Ja, es ist eine realistische Variante, wenn sie das interne Qualitätsmanagement einrichtet. Aber sobald der Antrag gestellt ist, sind die Studiengänge weiter akkreditiert."
    Grimm kennt die Situation in Leipzig, er sitzt dort selbst auch im Hochschulrat und hat in den vergangenen Jahren immer wieder auf das Problem hingewiesen.
    Martin Riebel wünscht sich jetzt schnell Klarheit, sonst könnte er seinen Koffer packen und sich für eine andere Uni ohne Akkreditierungsprobleme entscheiden.