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Der Einfluss des Emirs in Frankreich

Katar, der kleine und extrem reiche Golfstaat, investiert seit geraumer Zeit auch in Frankreich viel Geld. Für Empörung sorgt dort aber, dass sich Katar mit mindestens 50 Millionen Euro an Unternehmensprojekten in Frankreichs Vorstadtghettos beteiligen will.

Von Hans Woller | 04.10.2012
    Im November vergangenen Jahres hatten sich ein Dutzend Kommunalpolitiker, überwiegend nordafrikanischer Abstammung, aus mehreren Problemvororten von Paris und Marseille auf den Weg nach Katar gemacht und konnten den Emir des Scheichtums überzeugen, einen Investitionsfonds zu gründen für innovative Unternehmensprojekte junger Menschen aus den vernachlässigten Vorstadtghettos. Für die Regierung in Paris war dieses Vorhaben ein Affront und wurde deswegen während des Präsidentschaftswahlkampfs erst mal auf Eis gelegt. Nun aber liegt es, in etwas veränderter Form, wieder auf dem Tisch und sorgt erneut für Polemik. Marine Le Pen, Vorsitzende des Front National:

    "Die machen das in diesen Vierteln der Vorstädte einzig und allein, weil die Bevölkerung dort überwiegend muslimisch ist, das ist eine religiöse Investition."

    Und der konservative Abgeordnete Dupont-Aignan klagte:

    "So weit ist es also gekommen. Was für eine Dekadenz unseres Landes. Man holt 50 Millionen Euro in Katar, um direkt in unseren Vorstädten zu intervenieren. Das ist eine Einmischung eines fremden Landes auf unserem Territorium. Das nennt man Prostitution und ich mag nicht, dass sich mein Land prostituiert."

    Um dem Vorwurf zu begegnen, Frankreich überlasse seine Problemvorstädte einem fremden Staat, will der Industrieminister jetzt die mindestens 50 Millionen Euro aus Katar in einen Fonds einfließen lassen. Daran sollen sich auch der französische Staat und eine Reihe französischer Großunternehmen beteiligen. Das Geld soll zudem nicht nur Vorstadtghettos, sondern auch krisengeschüttelten, ländlichen Regionen zugutekommen.

    Die Kommunalpolitiker, die Ende 2011 das Projekt in Gang gebracht hatten, verstehen die ganze Aufregung nicht. Harouia Hadj-Chick, beigeordnete Bezirksbürgermeisterin aus Marseille:

    "Wenn die öffentliche Hand auf Anfragen von Bewohnern, die Projekte vorschlagen, nicht antwortet, heißt das: Die Republik ist nicht mehr präsent. Nicht, weil die Bewohner die Republik verjagt hätten, sondern weil die Republik einfach nicht mehr reagiert. Was macht man also? Man findet Lösungen."

    Und Stephane Lozes, Vorsitzender einer Dachorganisation schwarzafrikanischer Franzosen assistiert:

    "Mir ist Geld aus Katar lieber, als überhaupt kein Geld. Mir ist Geld aus Katar lieber, als Arbeitslosigkeit und Verzweiflung. Was passiert denn in den Problemvororten heute? Es gibt haufenweise potenzielle Jungunternehmer mit Projekten, die aber die paar Tausend oder Zehntausend Euro nicht auftreiben können, die sie bräuchten. Die Banken spielen nicht mit. Deswegen suchen sie das Geld anderswo. Wenn der Staat sich um die Vorstädte und die Unternehmer dort gekümmert hätte, wären wir nicht in dieser Lage."

    Andere betrachten das Engagement Katars in Frankreich etwas skeptischer, vor allem angesichts der Außenpolitik des Golfstaates in anderen Regionen der Welt. Eric Dénécé, Nahostspezialist und Buchautor:

    "Wir haben es mit einem Staat zu tun, der salafistische Gruppen finanziert, die jetzt auch in Syrien töten und foltern, wie sie es in Libyen getan haben. Ein Staat, der auch im Norden Malis interveniert und einen radikalen Islam unterstützt, der dort die afrikanischen Traditionen zerstört."

    Nicht nur die 50 Millionen Euro aus Katar für Frankreichs Vorstädte sorgen inzwischen für Stirnrunzeln. Nach und nach werden die Beteiligungen des Scheichtums an wichtigen französischen Konzernen immer bedeutender - bei Lagardère - und damit indirekt bei EADS - sind es bereits über zwölf Prozent. Und auch der Aufkauf des Fußballclubs Paris Saint Germain, die 150 Millionen Euro Investitionen für neue Spieler und das Jahresgehalt von 14 Millionen für Ibrahimovic stoßen mehr und mehr auf Kritik.

    Nicht zu vergessen die Steuervorteile, die Präsident Hollandes Vorgänger Sarkozy Bürgern des Golfstaates eingeräumt hatte, die sich in Frankreich niederlassen. Die ersten fünf Jahre müssen sie keine Vermögenssteuer zahlen - vor allem aber bleiben ihre Gewinne bei Immobilieninvestitionen steuerfrei. So kaufte Katar etwa das altgediente Internationale Konferenzzentrum in der Pariser Avenue Kleber für 400 Millionen Euro, um es nur sechs Monate später für 460 wieder zu veräußern, ohne einen Euro Steuern zu bezahlen.

    Und doch scheint es unwahrscheinlich, dass die neue sozialistische Regierung in Paris daran grundsätzlich etwas ändern wird. Nabile Enas, Vorsitzender eines liberalen Moslemkollektivs:

    "Französische Politiker, ob links oder rechts, die gerne Lektionen erteilen in Sachen Humanismus und Menschenrechte, sind doch Woche für Woche in Katar zu Gast. Das war unter Sarkozy so und ist heute noch genau so."

    Andersherum ist Katar - und auch das dürfte kein Zufall sein - das Land, dessen Machthaber seit Francois Hollandes Amtsantritt vor knapp fünf Monaten am häufigsten im Elyseepalast empfangen wurden: einmal der Emir selbst, zwei Mal schon sein Premierminister.