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Der Einzelgänger
Zum Tod von Basketballer Christian Welp

Er war als NBA-Profi und Mitglied der Europameister-Mannschaft von 1993 einer der herausragenden Figuren des deutschen Basketballs. Doch privat schirmte sich Christian Welp ab und zog sich nach seiner Karriere in die Gegend von Seattle zurück.

Von Jürgen Kalwa | 02.03.2015
    Der Berliner Basketballer Chris Welp bei einem Spiel im Jahr 1998
    Der Berliner Basketballer Chris Welp bei einem Spiel im Jahr 1998 (picture alliance / dpa / Marco Kohlmeyer)
    Europameisterschaft 1993 in München. Ein Team, mit dem niemand gerechnet hat, gewinnt das Finale, das bis zum Schluss auf der Kippe steht.
    "70:68 für Russland. Zehn Sekunden trennen die Mannschaft vom Europameister-Titel. Oder? Kommt? Welp! Welp macht den Ausgleich. Was habe ich Ihnen gesagt? Was habe ich Ihnen gesagt?"
    Ausgerechnet Christian Welp, den Bundestrainer Pesic eigentlich gar nicht im Team haben wollte. Nun steht er, weil man ihn auf dem Weg zum Korb gefoult hat, auch noch an der Freiwurflinie und macht den entscheidenden Punkt.
    Später erinnerte er sich vor allem daran:
    "...wie kaputt ich nach dem Endspiel war, physisch, emotional, einfach so geschlaucht, ich konnte nicht mehr. Ich konnte wirklich nicht mehr."
    Während sich seine Mannschaftskameraden auf dem Spielfeld in den Armen lagen, wollte er alleine sein und stürmte Richtung Umkleidekabine.
    "Ich bin MVP des Turniers geworden. Ich war nicht der beste Spieler des Turniers. Ziemlich weit entfernt."
    Was und wer er war, darüber sprach er allerdings nicht besonders gerne.
    "Mir bedeutet es nichts, meinen Namen im Druck oder im Internet oder auf dem Bildschirm zu sehen."
    Weshalb Interviews wie dieses im Sommer 2013, genau zwanzig Jahre nach dem Erfolg, eine Rarität waren. Im damals produzierten Dokumentarfilm des Bayerischen Rundfunks über "Das Traum-Team" suchte man ihn, den notorischen Einzelgänger, vergeblich.
    Man musste ihn wenn schon, denn schon in Seattle aufspüren. In jener Gegend, wo der 2,12 Meter Mann aus Osnabrück als Austauschsschüler und Collegespieler zu einem Ausnahme-Basketballer herangereift war. Und der nach zwölf Profi-Jahren in den USA, Griechenland, Italien und Deutschland wusste, wo er hingehört. In die grüne Region im Nordwesten der USA.
    Dabei hatte er durchaus einiges zu erzählen. Geschichten aus der Zeit bei den Philadelphia 76ers zum Beispiel. Wo ausgerechnet der extrem extrovertierte NBA-Star Charles Barkley sein Zimmerkollege war. Der verzockte abends im Casino sein Geld.
    "Wir waren in Las Vegas im Cesar's Palace. Ich habe dann so ein Tray gehabt mit fast 10.000 Dollar drin. Und ich immer so: 'That's enough, Charles. Lass uns hoch gehen.'"
    Barkley revanchierte sich später in seiner Autobiographie mit einem Seitenhieb: Welp sei vom Typ her gar kein Basketball-Profi gewesen, sondern einfach nur gefangen in diesem riesengroßen Körper. Ein Mensch, der lieber Angeln gegangen wäre. Und Welp fand auf diese Weise einmal mehr bestätigt, weshalb er lieber nicht in der Öffentlichkeit auftauchte.
    "Solche Sachen laufen mir dann hinterher, nur weil Charles seinen Mund nicht halten kann. Das konnte er noch nie."
    Welp hingegen konnte und so spricht vor allem seine sportliche Bilanz für ihn. Zu der gehört, dass er als Assistenztrainer mit der deutschen 2005 bei der Europmeisterschaft den zweiten Platz belegte.