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Der erweiterte Begriff der energetischen Modernisierung

Neue Fenster und Heizungen, Wärmedämmung und Lüftungsanlage – in Zukunft sollen Gebäude in Deutschland kaum noch Energie verbrauchen. Die Pläne von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger werden dabei vor allem die Mieter stärker belasten, kritisiert der Deutsche Mieterbund.

Von Philip Banse | 19.10.2010
    Der Mieterbund sieht die Eckpunkte für eine Änderung des Mietrechts sehr kritisch. Klar ist: Auch der Mieterbund ist für energetische Sanierungen, er sieht auch ein, dass Mieter diese zum Teil finanzieren müssen. Die Bundesregierung will ja die Sanierungsrate, also die Zahl der jährlich sanierten Häuser verdoppeln. Der Streit bei der energetischen Sanierung geht also nicht um das Ob, sondern um das Wie. Wie die Bundesregierung energetische Sanierung voranbringen will, hat das Justizministerium in Eckpunkten skizziert. Dort ist abzulesen, wie das Mietrecht bis Ende des Jahres geändert werden soll. Franz-Georg Rips, Präsident des Mieterbunds kritisiert die ganze Tendenz:

    "Der größte Kritikpunkt ist, dass es grundsätzlich mehr auf Vermieterinteressen ausgerichtet ist, dass Mieterinteressen zurückgestellt werden. Die Kanzlerin hatte das ja auch bereits angekündigt. Und insoweit sehen wir das, was diskutiert wird als ungerecht an. Und das führt dazu, dass das Mietrecht einseitig zulasten der Mieter verschlechtert wird."

    Vor allem kritisiert der Mieterbund die geplante Ausweitung des Modernisierungsbegriffs, die Definition also, was alles eine energetische Sanierung ist und wann dafür die Miete erhöht werden darf. Hier will das Justizministerium offenbar die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in ein Gesetz gießen, wonach die Sanierungskosten auch dann schon auf die Mieter umgelegt werden dürfen, wenn das Haus als Ganzes weniger Energie verbraucht – ob auch jeder einzelne Mieter Heizkosten spart, ist danach nicht entscheidend. Franz-Georg Rips:

    "Jetzt will man offenbar einen Modernisierungsbegriff finden, bei dem alle Klimaschutz- und Umweltziele unter den Begriff der Modernisierung zu fassen sind – auch dann, wenn keine Heizenergie dadurch gespart wird. Das würden wir, jedenfalls was die Auswirkungen auf die Mietkosten angeht, für sehr problematisch erachten. Denn der Vorteil der Mieter besteht ja darin, dass Heizenergie gespart wird. Und in diesem Umfang soll der Mieter sicher auch die Modernisierung mitfinanzieren. Aber nicht Maßnahmen, die ohne Energieeinsparung durchgeführt werden."

    Das Justizministerium will Mietminderung verbieten, während ein Haus energetisch saniert wird. Auch das lehnt der Mieterbund ab. Die Mietausfälle seien für die Vermieter, verglichen mit den Sanierungskosten, keine relevante Größe, sagt Mieterbunds-Präsident Franz-Georg Rips – für die Mieter dagegen könnte das bei einer mehrmonatigen Sanierung schon einiges ausmachen:

    "Wenn wirklich Beeinträchtigungen damit verbunden sind – es ist kein Wasser da, keine Heizung – dann muss dem Mieter natürlich ein Äquivalent entstehen, also eine geringere Mietzahlung. Das ist, denke ich, gerecht."

    Um Sanierungen voranzubringen, fordert der Mieterbund, das Gebäudesanierungsprogramm aufzustocken und zu verlängern. Bisher stehen für energetische Sanierungen in 2011 gut 430 Millionen Euro bereit. Die sollen auf insgesamt 950 Millionen aufgestockt werden mit dem Geld aus der Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Das seien bisher aber nur Versprechen, sagt der Mieterbund.

    "Wir haben noch keine Rechtssicherheit, keine Planungssicherheit. Wir haben sie auch nicht für die Zukunft, wir haben sie nicht mal für das Jahr 2011. Hier besteht dringender politischer Entscheidungsbedarf. Denn das Ziel der Bundesregierung ist ja richtig: Zwei Prozent der Bestände sollen jährlich energetisch saniert werden. Das ist nur machbar mit einer hohen Ausstattung des Gebäudesanierungsprogramms. Wir denken, dass dieses Programm zwei Milliarden pro Jahr umfassen sollte – eine Verdopplung dessen, was jetzt vorgesehen ist."

    Die Bundesregierung will das Mietrecht auch ändern, um Mietnomaden zu bekämpfen, Mieter also, die nie vorhaben Miete zu zahlen und die Wohnung ruinieren. Das Ziel sei richtig, sagt der Mieterbund. Für leichtere Kündigungen und Räumungen müsse jedoch die Prozessordnung geändert werden, nicht das Mietrecht. Ansonsten sei zu befürchten, dass auch normalen Mietern leichter zu kündigen sei.