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Der ewige Präsident

Am 15. April begeht das Land den hundertsten Geburtstag des Staatsgründers, den Tag der Sonne wie es in der Ideologiesprache heißt. Kim Il Sung wurde zur prägenden Figur des kommunistischen Nordkoreas. Mit seiner Juche-Ideologie von Autarkie und Autonomie stellte er ein Lehrgebäude auf, das bis heute offizielle Staatsdoktrin ist.

Von Peter Kujath | 14.04.2012
    Der Raketenstart ist eine Provokation und eine Verletzung der UN-Resolutionen, heißt es seitens der Nachbarn Nordkoreas, auch wenn er fehlgeschlagen ist. Doch er kam nicht überraschend. Nach Aussagen verschiedener Mitarbeiter im japanischen wie US-amerikanischen Außenministerium hatte Nordkorea bereits Ende letzten Jahres, den Raketenstart angekündigt. Außerdem lebt das Regime in Pjöngjang von Provokationen, meint der Nordkorea-Spezialist Osamu Eya.

    "Nordkorea ist ein kleines Land mit 24 Millionen Einwohnern. Südkorea hat im Verhältnis doppelt so viele Bewohner. So ein kleines Land kann direkt mit den USA nur dann verhandeln, wenn es ein Atomprogramm besitzt. Nur mit Hilfe der Atombombe kann es die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sollte Nordkorea sein Programm aufgeben, wird es unbedeutend."

    Deshalb erwarten viele Experten wie der Waseda-Professor Toshimitsu Shigemura nach dem fehlgeschlagenen Raketenstart in den nächsten Wochen oder Monaten den dritten, nordkoreanischen Atomtest.

    "Ich denke, die Wahrscheinlichkeit für einen Nukleartest ist sehr hoch. Es kann sein, dass die Sanktionen gegen Nordkorea seitens der USA und Südkoreas verschärft werden. Nordkorea wird nach seiner Logik dagegen halten müssen und einen Atomtest unternehmen."

    Denn die Ideologie rund um die Herrscher-Familie besagt, dass nur die Kims – jetzt in der dritten Generation – das Land vor dem "bösen Ausland" bewahren können. Deshalb schließen sich die Menschen so eng um ihre Führer.

    "Der große Anführer Kim Jong Un ist genauso wie Präsident Kim Il Sung und auch wie der große General Kim Jong Il in Bezug auf ihre Führungsqualitäten und die Liebe zu ihrem Volk."

    Seit Jahrzehnten wird die Bevölkerung mit diesen und ähnlichen Parolen überschüttet, sodass viele tatsächlich daran glauben. Ausländische wie nordkoreanische Touristen hören das zum Beispiel, wenn sie das Geburtshaus von Kim Il Sung etwas außerhalb der nordkoreanischen Hauptstadt besuchen.

    Am Sonntag begeht das Land den hundertsten Geburtstag des Staatsgründers, den Tag der Sonne wie es in der Ideologiesprache heißt. In der damaligen Sowjetunion ausgebildet wurde Kim Il Sung zur prägenden Figur des kommunistischen Nordkoreas. Mit seiner Juche-Ideologie von Autarkie und Autonomie stellte er ein eigenes Lehrgebäude auf, das bis heute offizielle Staatsdoktrin ist.

    "Anlässlich des bedeutungsvollen Tags der Sonne hat der respektierte Genosse Kim Jong Un entschieden, gemeinsam diese Statuen des Großen Präsidenten Kim Il Sung und des Führers Kim Jong Il zu errichten."

    So der schon über 80 Jahre alte Parlamentspräsident Kim Yong Nam. In den 60er-Jahren war Nordkorea wirtschaftlich weiter entwickelt als der Nachbar Südkorea, mit dem man offiziell noch immer im Kriegszustand ist. Als die Sowjetunion zusammenbrach, verlor Nordkorea die finanzielle Unterstützung.

    Nach dem Tod von Kim Il Sung 1994 sah sich sein Sohn, Kim Jong Il, mit einer Hungerkatastrophe konfrontiert, die nach allgemeiner Schätzung Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Anstatt die Wirtschaft umzustellen, setzte Kim Jong Il auf die Son-gun-Politik: das Militär zuerst. Ideologisch untermauert hat er diese Devise durch die äußere Bedrohung. Die Bevölkerung wurde und wird in einem permanenten Alarmzustand gehalten. Auf diese Weise kann das Regime ihr Unmenschliches abverlangen. Kim Jong Il trieb das Atom- und Raketenprogramm voran; er versuchte, die Kontakte zur Volksrepublik China zu verbessern, um von dort wirtschaftliche Unterstützung zu erhalten. China ist an Nordkorea insofern interessiert, als dass es die Teilung auf der koreanischen Halbinsel aufrechterhalten will. Nordkorea dient als Puffer zum demokratischen Südkorea, wo US-amerikanische Soldaten stationiert sind. Die Volksrepublik China hat deshalb unmittelbar nach dem Raketenstart zur Ruhe aufgerufen.

    Sprecher chinesisches Außenministerium: "Wir haben engen Kontakt zur Demokratischen Volksrepublik Korea, Russland, den Vereinigten Staaten, der Republik Korea und Japan. China unterstreicht, dass es unsere gemeinsame Verantwortung ist, Ruhe und Frieden auf der koreanischen Halbinsel aufrecht zu erhalten. Das ist im Interesse aller."
    China wird wie in früheren Fällen verhindern, dass Nordkorea allzu hart bestraft wird. Es wird seine Wirtschaftshilfe wie Nahrungsmittellieferungen nicht einstellen. Der nordkoreanisch-chinesische Handel hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Chinesische Touristen bringen wichtige Devisen ins verarmte Land. Aber das Regime in Pjöngjang will sich nicht allzu abhängig machen. Deshalb hat man zuletzt versucht, die Beziehungen zu Russland zu verbessern. Mit viel Pomp wurde eine Eisenbahnlinie über die gemeinsame Grenze eröffnet, und Kim Jong Il besuchte ein halbes Jahr vor seinem Tod die russische Pazifikregion.) Ob Kim Jong Un die Politik seines Vaters und Großvaters fortsetzen wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen. Auch wenn der Raketenstart gescheitert ist, gehen die Feierlichkeiten für den 100sten Geburtstag des Staatsgründers weiter, wurde Kim Jong Un nicht nur 1. Sekretär der Partei der Arbeiter, sondern auch Vorsitzender des Nationalen Verteidigungskomitees, dem wichtigsten Entscheidungsgremium.

    Kim Il Sung Nordkoreanerin zu Kim Jong Un: "Der Stolz unserer Nation ist schwer zu beschreiben. Mit größter Freude haben wir den respektierten Genossen Kim Jong Un in die höchsten Positionen der Partei und des Staates gebracht. Wir sind entschlossen, treu der Führung von Kim Jong Un zu folgen."

    Dabei ist der noch keine 30 Jahre alt und hat kaum Erfahrung in der Arena der Macht. Einige Beobachter sehen in ihm nur eine Marionette, die wegen seiner Blutsverwandtschaft nötig ist. Andere hoffen, dass sich Kim Jong Un im Laufe der Zeit frei schwimmen und in Nordkorea andere Akzente setzen wird.