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Der Fall Gui Minhai
China und der schwedische Buchhändler

In China sitzt der kritische Verleger und Buchhändler Gui Minhai in Haft. Das Land lässt ihn trotz internationalen Drucks nicht frei und verweigert ihm konsularische Betreuung. Der Schwede Gui und vier weitere Buchhändler in Hongkong waren bereits 2015 einmal unter dubiosen Umständen verschwunden.

Von Axel Dorloff | 13.02.2018
    Proteste in Hongkong gegen das Verschwinden des chinakritischen Verlegers Gui Minhai, Januar 2016
    Gui Minhai verschwand bereits 2015 einmal, möglicherweise im Zusammenhang mit einer geplanten brisanten Publikation zu Chinas Staatschef Xi Jinping (AFP / Philippe Lopez)
    Lange Vorhänge in beige-gelb, alle zugezogen. An der Decke hängt ein Lautsprecher. Der schwedische Verleger und Buchhändler Gui Minhai sitzt in einem Zimmer und antwortet auf Fragen. Ein mutmaßlich orchestriertes und erzwungenes Interview der chinesischen Behörden. Darin greift Gui Minhai Schweden verbal scharf an:
    "Wenn ich zurückblicke, war ich für Schweden nur eine Schachfigur. Ich habe das Gesetz auf Drängen Schwedens erneut gebrochen. Mein wundervolles Leben ist ruiniert. Ich werde Schweden nie wieder trauen."
    Der eigentlich China-kritische Verleger und Buchhändler Gui Minhai war Ende Januar in einem Zug nach Peking von chinesischen Sicherheitsbehörden festgenommen worden. Obwohl er sich in Begleitung schwedischer Diplomaten befand. Der 53-Jährige stand in China zuletzt unter Hausarrest und war dem Vernehmen nach auf einer nicht genehmigten Reise zu einem Arzt in Peking.
    Konsularische Betreuung verweigert
    Nach seinem Verschwinden haben Schweden, die EU und die USA von China die Freilassung Guis gefordert. Auch die Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin, Maria Adebahr, hat sich zu dem Fall geäußert:
    "Wir teilen die Besorgnis über seine Behandlung und seine Verhaftung durch chinesische Behörden und wir erwarten von den chinesischen Autoritäten, dass sie ihn unverzüglich freilassen und es möglich sein muss, ihn konsularisch zu betreuen. Und auch, dass er auch die medizinische Hilfe erhält, die er benötigt."
    Denn China verletzt derzeit internationale Regeln, indem es jede konsularische Betreuung verweigert. Einige Diplomaten in Peking sprechen deshalb auch von einem Präzedenzfall. Bis hin zur Befürchtung, dass es künftig auch andere EU-Bürger treffen könnte.
    Ging es um eine brisante Publikation?
    Und China keilt zurück. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Geng Shuang, macht klar: dieser Fall sei allein Sache Chinas:
    "Ich betone noch einmal: China lehnt jegliche Einmischung von außen ab, die unsere rechtliche Souveränität in Frage stellt. Auch wenn Gui Minhai ein schwedischer Staatsbürger ist, muss dieser Fall nach chinesischem Recht behandelt werden."
    China wirft Gui Minhai nun Staatsverrat vor. Gui hat in den vergangenen Jahren als Buchhändler in Hongkong gearbeitet. Ende 2015 waren fünf Hongkonger Buchhändler unter dubiosen Umständen verschwunden, darunter auch er.
    Einige vermuten, dass eine brisante Publikation zu Chinas Präsident Xi Jinping geplant war und die chinesischen Behörden deshalb so hart und rücksichtlos agieren.
    "Freie Verleger-Industrie in Hongkong seit 2015 tot"
    In Hongkong hat sich die Situation der Buchhändler mit China-kritischer Literatur jedenfalls dramatisch verschlechtert, sagt Bao Pu. Er ist Verleger in Hongkong, Menschenrechtsaktivist und Kollege von Gui Minhai:
    "Seit dem Vorfall 2015 ist die freie Verleger-Industrie in Hongkong tot. Im Prinzip haben alle unabhängigen und kritischen Buchläden geschlossen. Chinas Führung erkennt die Rechte Gui Minhais als ausländischer Staatsbürger nicht an. Sie wollen nicht, dass er die schwedische Staatsbürgerschaft hat."
    Erzwungene Auftritte vor Kameras sind nicht selten
    Dazu passt, dass Gui Minhai in dem mutmaßlich erzwungenen Interview damit gedroht hat, seinen schwedischen Pass zurück zu geben. Worte, die ihm die Chinesen vermutlich aufgeschrieben haben. Erzwungene Auftritte vor Kameras, öffentliche Geständnisse und Entschuldigungen sind in China keine Seltenheit, sondern Strategie. Den Fall Gui Minhai macht das nun noch bizarrer.
    Das schwedische Außenministerium hat auf das provokante Interview sachlich reagiert – und den Ruf nach Freilassung wiederholt.