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Der Fengshui-Detektiv

Irgendwas steht falsch. Entweder ist es der Schreibtisch, unter dem sich eine Wasserader entlangschlängelt oder ein Regal mit Akten, das den energetischen Fluss im Hirn der Büroangestellten blockiert. Solcherart gehandicapt können sie sich nicht mehr richtig konzentrieren, die Geschäfte gehen schlecht, und ein Fenghshui-Berater muss her. Natürlich nicht in Dortmund, Münster oder Oberhausen, sondern in Singapur, Hongkong oder Vietnam. Was hierzulande als Mode durch esoterische Zirkel geistert, beeinflusst im abergläubischen Fernen Osten durchaus manche innenarchitektonische Entscheidung. Statt sich mit der starken Konkurrenz auseinanderzusetzen, die schlechten eigenen Produkte zu verbessern oder gar der chinesischen Mafia die Stirn zu bieten, korrigiert man lieber sein miserables Fenghsui. Das ist billiger und wirbelt weniger Staub auf. Ein Fengshui-Berater, der genau hinsieht, erkennt allerdings die Ursachen für drohende Konkurse oder mysteriöse Todesfälle nicht in verrückten Schreibtischen, sondern liest die Indizien kriminalistisch – er wird zum Fengshui-Detektiv.

Florian Felix Weyh | 18.07.2003
    C.F. Wong heißt der Held der höchst erquicklichen Kriminalsatire mit dem nämlichen Titel "Der Fengshui-Detektiv". Ein kleiner, ergrauter und eher mürrischer Einzelgänger, dem Schlimmes widerfährt: Aus geschäftlichen Rücksichten muss er die vorlaute, ständig telefonierende und grässlich aufdringliche siebzehnjährige Tochter eines Geschäftsfreundes als Praktikantin anstellen. Zu allem Unheil ist sie auch noch Australierin und steht asiatischen Traditionen so verständnislos gegenüber wie C.F. Wong ihrer mit Szenejargon gespickten Jugendsprache. Weil er aber ein weiser Mann ist – dies zumindest nach außen hin vorspiegelt –, gewinnt er der unausweichlichen Situation etwas Positives ab; wenigstens verbessert sich sein Englisch. Denn im weitgespannten Einsatzgebiet des gefragten Fengshui-Beraters von Singapur bis Vietnam herrschen so viele asiatische Sprachen und Dialekte vor, dass man mit Englisch besser vorankommt. So zieht das ungleiche Paar von Tatort zu Tatort und löst nach der Methode Sherlock Holmes und Dr. Watson lauter Kriminalfälle, die angeblich nur Möblierungsprobleme sind. Einer florierenden Szene-Illustrierten, in deren Kasse eine entsetzliche Flaute herrscht, macht weniger die angemietete Büroetage mit ihrer schwachen energetischen Bilanz zu schaffen als ein betrügerischer Zeitungsvertrieb, der den Großteil der Auflage nicht abrechnet. Und das verschwundene Geld von Bankkunden, die Einzahlungen am Geldautomaten statt am Tresen vornahmen, hat sich auch nicht in Luft aufgelöst, sondern sehr irdische Wege genommen. C.F. Wong und seine Assistentin lesen die Zeichen und kombinieren sie zu profan kriminellen Ergebnissen – manchmal mit einem Überschuss an Spitzfindigkeit. An Theorie und Praxis des Fengshui, das ist der Witz der Geschichten, gibt es dagegen nichts zu rütteln. Jedes entlarvte Verbrechen bestätigt aufs Neue, dass C.F. Wong gute Arbeit leistet, denn gegen äußere Gewaltanwendung ist auch ein Geomant machtlos. Er muss, schon um sein eigenes Geschäft zu schützen, die weltlichen Störfaktoren ausschalten, damit sich die Naturkräfte entfalten können. Ein Detektiv wider Willen.

    Krimis mit doppeltem Boden sind auch für Leser interessant, die der Gattung sonst skeptisch gegenüberstehen. Im "Fengshui-Detektiv" stößt fernöstliche Ernsthaftigkeit mit westlicher Spottlust zusammen. Eine Mischung, die auf den ersten Blick befremdlich wirkt, bei näherem Hinsehen aber gut zu den zerklüfteten Gesellschaften Asiens passt. Wo High-Tech und Esoterik friedlich koexistieren, kann ein Romanheld wie C.F. Wong ganz unironisch seinen komplizierten Berechnungen nachgehen und dennoch mit beiden Beinen im modernen Leben stehen. Wer solch eine Figur zu erfinden vermag, muss wohl selbst ein Kind verschiedener Kulturen sein, und so wundert es nicht, dass indische, asiatische und britische Einflüsse beim Schöpfer des Romans zusammenfließen. Der Autor heißt allerdings eher, als sei er der Erfinder jener finnischen Handys, die im Buch an mancher Stelle klingeln: Nury Vittachi – V-i-t-t-a-ch-i. Ein Name, den man sich nicht merken kann, aber unbedingt merken sollte.