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Der Fluss als Kommunikationsstrom
Silvesterbotschaften in Rhein und Sieg

Zu Silvester haben Flüsse wie der Rhein oder die Sieg eine Art Hochkonjunktur als Kommunikationsstrom. Dann werfen Menschen Flaschenpost mit Botschaften ins Wasser. Aber nicht immer dienen Flaschen als Datenträger, manchmal werden auch Mandarinen und Kürbisse eingesetzt.

Von Gerd Michalek | 01.01.2017
    Eine Flasche mit einem Zettel drin am Rheinufer.
    Flaschenpost am Rhein (Joachim Römer)
    "Ich wünsche mir fürs neue Jahrtausend, dass ich endlich lerne, nein zu sagen. Dass ich auch an schlechten Tagen glücklich bin. Und dass ich ganz erfolgreich bin."
    Das ist ein typisches Milleniums-Exemplar: abgeschickt am 21. Dezember 1999. Auch in ganz normalen Jahren hat der Rhein zu Silvester eine Art Hochkonjunktur als Kommunikationsstrom. Was heißt schon Rhein. Auch an seinem Nebenfluss, der Sieg, leben Schreibwillige.
    "Das ist meine Jahresabschluss-Flaschenpost, wie jedes Jahr stehen wir in Fürthen auf der Siegbrücke und werfen unsere Wünsche in die Sieg. Mein Wunsch für 2014 wäre einen netten Mann an meiner Seite zu finden. Falls du Single bist oder jemand kennst, dann melde dich bitte bei mir."
    An Silvester 2013 - auf einer Siegbrücke - beginnt die Geschichte von Petras Flaschenpost. Es dauert Monate, bis die Flasche rund 80 Kilometer flussabwärts in Köln-Porz strandet. Joachim Römer findet sie. Für den 59-Jährigen eins von über 1.800 Stück.
    Simone suchte "Traummann um 35"
    "Dieses Jahr am ersten Januar und am zweiten bin ich losgegangen und habe jeweils 30 Flaschen gefunden. Silvester machen das viele Leute mit Rückblick, mit Wünschen, einfach aus einer Sektlaune heraus, das Piccolöchen leerend den Zettel rein. Dann ist relativ klar, dass ich da viele finde."
    Der Künstler Joachim Römer zieht in Köln einen Brief aus einer Flasche.
    Der Künstler und Flaschenpostsammler Joachim Römer. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Der Kölner Künstler sammelt schon seit 1998 Flaschenposten. Kontaktanzeigen kommen ihm öfter unter. Auch Simone hat es von Oberwesel aus mit einer schwimmenden Anzeige zum "Traummann um 35" versucht.
    "Ich war zu dem Zeitpunkt Single und dachte, ich hab doch nichts zu verlieren und das ist doch vielleicht mal ne andere Art, vielleicht jemand kennenzulernen."
    Und: Hatte sie Erfolg?
    "Die erste Nachricht kam ein paar Tage später per Telefon. Da hat sich eine junge Frau aus Koblenz gemeldet, die die Flaschenpost gefunden hat. Sie sagte, dass sie leider nicht ins Beuteschema passe, aber sie findet das eine schöne Idee und schickt die Flaschenpost einfach weiter. Zwei Wochen später kam wieder ein Anruf, dass die Flaschenpost gefunden wurde, mit dem gleichem Satz, dass er nicht ins Schema passen würde, dass er aber die Nachricht schön fand. Das war der Herr Römer."
    Manche Flaschenpostabsender sind schon – sagen wir - ein zwei Stadien weiter als Kontaktsucherin Simone. In Köln-Rodenkirchen feierten zwei befreundete Ehepaare ihre Silberhochzeit. Wo schon? Natürlich stilvoll in einem Bootsrestaurant. Dort sollten 80 Gäste ihre Wünsche und Verwünschungen betreffs der Jubilare dem Rhein überantworten.
    Bislang hat der Zitrus-Brauch noch nicht gefruchtet
    "Das, was uns auch immer nahe liegt, ist das Meer. Alle lieben das Meer und wir sind alle regelmäßig am Meer und hoffen am meisten, dass diese Flasche Holland einmal sehen wird und das uns jemand schreibt, dass er sie gefunden hat. Das wäre das Tollste für uns! Dann gab es auch gleich witzige Anekdoten, weil einige gleich darauf in den Urlaub fuhren und fragten: 'Ist es denn verwunderlich, wenn das Ding aus den Bergen kommt?' Okay, da meinte ich: Die Geschichte muss man uns plausibel machen, wie die Flasche auf den Berg gekommen ist! (Lachen). Aber solche Geschichten schreibt das Leben."
    Von 80 Flaschen sollen inzwischen rund 15 gefunden worden sein. Übrigens: Nicht immer dienen Flaschen als Datenträger auf dem Fluss. Petra hat an der Siegbrücke in Fürthen mit ihrer Freundin auch Mandarinen und sogar Kürbisse eingesetzt.
    "Unter anderem ist in China, wo die unverheirateten Frauen auf die Zitrusfrüchte ihre Namen schreiben und dann denken, wenn sie das ins Meer werfen, ein Fischer findet das und wird sie dann heirateten. Wir haben unsere Namen drauf geschrieben und Fischer sind keine angekommen (Lachen)."
    Doch bislang hat der Brauch – zumindest an der Sieg - noch nicht gefruchtet.
    "Bei den Zitrusfrüchten bei dem kalten Wetter hier an der Sieg wird der Name abgewaschen, vielleicht findet uns deshalb keiner! Haben wir gesagt, machen wir doch die Flaschenpost- und deshalb ist der Brauch auch geblieben, dass wir am Spätnachmittag Silvesterabend eine Flaschenpost und Zitrusfrüchte mit unseren Wünschen in die Sieg werfen. Mal sehen, was da kommt!"