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Der "Führer der Provinz"
Neonazi als slowakischer Gouverneur

Vor knapp drei Jahren wurde der Neofaschist Marian Kotleba zum Gouverneur einer mittelslowakischen Region gewählt. Der politische Rechtsruck bleibt nicht ohne Folgen. Vor allem die Kulturszene klagt über Behinderungen und Einschüchterungsversuche. Aus der Provinz schaffte Kotlebas fremdenfeindliche Volkspartei inzwischen auch den Sprung ins Parlament in Bratislava.

Von Stefan Heinlein | 20.05.2016
    Marian Kotleba von der rechtsextrmen slowakischen Volkspartei
    Marian Kotleba von der rechtsextremen slowakischen Volkspartei (dpa/picture-alliance/ Vaclav Salek)
    Schlussapplaus im Theater am Kreuzweg. Das Stück "Brief an einen schwarzen Sohn" ist ein Riesenerfolg in Banska Bystrica. Es geht um Vorurteile und Rassismus im Alltag. Seit der Premiere tourt das Ensemble auch durch Schulen und Universitäten. Doch nur mit Spendengeldern hält sich das Projekt über Wasser. Die schon zugesagten Subventionen aus Bratislava wurden von der regionalen Verwaltung kurzerhand gestoppt, klagt Theaterdirektorin Iveta Skripkova: "Die Stimmung ist sehr angespannt. Es herrscht eine totalitäre Arbeitsatmosphäre. Marian Kotleba entscheidet alles im Alleingang. Er fördert nur die nationale Kultur. Alles was in Richtung Nationalismus und Faschismus geht."
    Zum Abschluss einer Kundgebung wünscht Marian Kotleba seinen Anhängern einen "schönen weißen Tag". Mit ausländerfeindlichen Parolen gegen die Roma-Minderheit gewinnt der Vorsitzende der rechtsradikalen Volkspartei 2013 die Regionalwahlen in seiner Heimat. Im flächenmäßig größten Kreis der Slowakei mit rund 660 000 Einwohnern ist er als Regionspräsident zuständig für Soziales, Bildung und Kultur. Bereiche in denen Marian Kotleba seither seine eigenen Akzente setzt: "Im Kreis Banska Bystrica haben wir über 220 Folkloregruppen. Warum sollen denn irgendwelche merkwürdigen Theater Subventionen erhalten? Warum ist für unsere Folkloregruppen als Träger der nationalen Kultur einfach kein Geld da?"
    Soziale Netzwerke statt Fackelzüge
    Bereits kurz nach seinem Wahlsieg entfernt Marian Kotleba das Sternenbanner der Europäischen Union von seinem Amtssitz. Er verweigert alle Anträge auf EU-Subventionen und lässt stattdessen Sozialhilfeempfänger mit Hacke und Spaten marode Straßen sanieren. Eine Bürgerwehr aus den Reihen seiner Volkspartei patroulliert in Regionalzügen. Die Streichung der Fördergelder für alternative Theaterprojekte sind nur Vorboten einer geplanten kulturellen Gleichschaltung, so der Historiker Stanislav Micev aus Banksa Bystrica: "Er spricht von dekadenter Kunst. Das ist ein Ausdruck von Goebels. Es ist deshalb nur noch eine Frage der Zeit bis hier bei uns Bücher unbequemer Autoren verbrannt werden. Das wird kommen wenn er die Macht im Land übernimmt."
    Um diesem Ziel näher zu kommen, verzichtet Marian Kotleba vor den Parlamentswahlen auf seine Phantasie-Uniform. Anstelle von Fackelzügen setzt seine Volkspartei auf einen modernen Wahlkampf in den sozialen Netzwerken. Dort findet er viele Anhänger bei jungen Arbeitslosen und frustrierten Nicht-Wählern. Der wachsende Erfolg von Marian Kotleba sei eine ernste Gefahr für die politische Stabilität der Slowakei, warnt der sozialdemokratische Europaabgeordnete Vladimir Manka: "Wie soll man einen Menschen bezeichnen, wenn er und seine Parteigenossen ein Hackenkreuz auf der Brust tätowiert haben? Er ist ein Faschist und will die absolute Macht. Er predigt Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit. Die wachsende Unterstützung für ihn ist sehr gefährlich."
    Junge Slowaken lehnen rechte Szene ab
    Der slowakische Liedermacher Andrej Seban singt auf einer Protestveranstaltung gegen Faschismus und Fremdenfeindlichkeit in Banska Bystrica. Nach dem Wahlsieg der Volkspartei hat Rado Sloboda die Initiative "Nicht in unserer Stadt" gegründet.
    Vor allem viele junge Slowaken sind aktiv gegen die rechte Szene. Viel zu lange hätten die etablierten Parteien weggesehen und die Probleme des Landes verdrängt. "Der Hauptgrund, warum wir Slowaken so anfällig sind für einen starken Führer, ist die fehlende Infrastruktur im Bereich der politischen Bildung und der schulischen Aufklärung über die Gefahren des Faschismus. Der Staat hat in diesen Bereichen bislang weitgehend versagt."
    Ein Versäumnis, das auch der parteilose Präsident Andrej Kiska in seinen Reden immer wieder anprangert. In den Medien hat inzwischen eine breitere Diskussion über die Ursachen des Rechtsrucks in der Slowakei begonnen. Ein öffentlicher Appell "Stoppt den Faschismus" wird mittlerweile von vielen Seiten unterstützt. Doch noch zeigen diese Initiativen nur wenig Wirkung. In den jüngsten Umfragen hat die rechtsradikale Volkspartei weiter zugelegt.