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Der Geist in der Doktorarbeit

Viele Universitäten haben sich seit den Plagiatsaffären mit spezieller Software eingedeckt, um möglichst viele Plagiate ausfindig zu machen. Doch gegen eines sind sie hilflos: Ghostwriter.

Von Lisa Schnell | 09.08.2012
    Was ist so ein Doktortitel eigentlich wert? Das Internet gibt Auskunft: Für 25.000 Euro wird hier eine Doktorarbeit angeboten von sogenannten Promotionsberatern. Die beraten oft nicht nur, sie schreiben die Doktorarbeit von vorne bis hinten für ihre Kunden. Experten schätzen, dass in den Fächern Wirtschaft und Jura bis zu 30 Prozent so zu ihrem Doktortitel kommen. Und die Universitäten sind nahezu hilflos, so Bernhard Kempen, Präsident des deutschen Hochschulverbands.

    "Wir können allenfalls, wenn uns später zu Ohren kommt, dass die Arbeit gar nicht von dem Autor stammt, sondern von einem anonym gebliebenen gewerbsmäßigen Ghostwriter, dann können wir natürlich den Doktorgrad entziehen. Aber das ist ehrlich gesagt alles viel zu schwach, das schreckt nicht wirklich ab."

    Abschrecken würde die Einführung eines Straftatbestands Wissenschaftsbetrug, so der deutsche Hochschulverband. Er fordert sowohl für Ghostwriter als auch ihre Kunden Gefängnisstrafen bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Zwar können auch jetzt schon Promovenden strafrechtlich belangt werden, wenn sie eidesstattlich versichert haben, die Arbeit alleine verfasst zu haben. Gegen Ghostwriter kann bis jetzt aber kaum etwas unternommen werden. BWL-Professor Manuel Theisen von der LMU-München hat sich jahrelang mit deren Tricks beschäftigt:

    "Die Schwierigkeit heute ist, dass der Vertrag zwischen Händler und Interessenten so schlau formuliert ist, dass er eben ausschließt, dass es um Titelkauf geht und dann wird es sehr schwierig. Dann geht es nur um Vorwürfe der Beihilfe und Beamtenbestechung. Das ist alles im Einzelfall sehr mühsam und hat auch längst von der Strafandrohung her nicht die Dimension wie eine Gefängnisstrafe."

    So eine Androhung würde vor allem die Kunden abschrecken, meint Manuel Theisen. Viele Studenten haben da allerdings ihre Zweifel.

    "Die Strafe wird sicher auch nicht abschrecken, denk ich. – So jemand hat keine Skrupel. Ich glaube jemand, der sagt, ich schreib meine Doktorarbeit nicht selber, dem ist das wurst. Ja, ich glaub auch, dass man denkt, dass man da nicht erwischt wird, weil im Prinzip sind’s ja nur zwei Personen, die das wissen und wenn der eine nicht plaudert, dann ist der andere ja sicher."#,

    Den Schweigepakt nennt das der Ghostwriter-Experte Manuel Theisen. Er ist ein Grund, warum Promotionsberater derzeit kaum etwas zu befürchten haben. Trotzdem meint er, dass der Deal mit den Doktortiteln an den Universitäten eigentlich auffallen müsste.

    "Wenn wir über Promotionsbetrüger [sprechen] dann haben wir ja mindestens noch einen Kontaktmann in den deutschen Universitäten, in der Regel einen mehr oder weniger bestochenen Professor oder Professorin, die eigentlich dort auffallen müsste, z. B. im Vergleich an einer hohen Zahl von externen Promotionen oder aber eben an einer sehr breiten thematischen Fülle."

    Wachsamere Kollegen, das wäre ein Anfang, doch es müsste sich noch viel mehr tun an den Universitäten, meint Manuel Theisen. So könnten Promotionsordnungen etwa explizit verlangen, dass keine Promotionsberater zu Hilfe genommen werden dürfen. Dass sich das an allen Universitäten durchsetzt, dürfte allerdings schwierig sein.

    "Es ist sehr, sehr schwierig, weil jede Fakultät hat ihre eigene Promotionsordnung und jede Fakultät hat ihre eigenen Wege. Ich hab mit Erstaunen festgestellt, dass es offensichtlich heute noch Fakultäten gibt, wo nicht einmal eine sogenannte eidesstattliche Erklärung verlangt wird, also das Minimum."

    Genau deshalb wäre es umso wichtiger, von strafrechtlicher Seite gegen die dubiosen Angebote von Promotionsberatern und Ghostwritern vorgehen zu können. Dann wäre es eindeutig, dass deren Geschäfte nicht nur unredlich, sondern strafbar sind.