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Der Gummimann

Eine Welt ohne Gummi ist heute nur schwer vorstellbar. Das Material ist elastisch, wasserabweisend und es isoliert gegen elektrischen Strom. Allerdings muss der Naturkautschuk, aus dem Gummi hergestellt wird, erst noch bearbeitet werden. Dieser Prozess des Vulkanisierens gelang einst erstmals Charles Nelson Goodyear.

Von Irene Meichsner | 01.07.2010
    "Sieht man einen Mann, der einen Kautschukmantel, Gummischuhe sowie einen Hut aus Kautschuk trägt und in dessen Tasche sich ein Geldbeutel aus Gummi befindet, der kein Geld enthält - dann kann man sicher sein, dass es sich um Goodyear handelt."
    Eine Welt ohne Gummi ist heute nur schwer vorstellbar. Das Material ist elastisch, wasserabweisend und es isoliert gegen elektrischen Strom. Allerdings muss der Naturkautschuk, aus dem Gummi hergestellt wird, erst noch bearbeitet werden. Dieser Prozess des Vulkanisierens gelang einst erstmals Charles Nelson Goodyear.

    "Sieht man einen Mann, der einen Kautschukmantel, Gummischuhe sowie einen Hut aus Kautschuk trägt und in dessen Tasche sich ein Geldbeutel aus Gummi befindet, der kein Geld enthält - dann kann man sicher sein, dass es sich um Goodyear handelt."

    Charles Nelson Goodyear war, wie diesen Worten eines Zeitgenossen unschwer zu entnehmen ist, vom Gummi geradezu besessen. Das Material wurde aus Rohkautschuk hergestellt; es war elastisch, wasserdicht, man konnte es strecken, pressen – und es sprang immer wieder in seine ursprüngliche Form zurück. 1834, als Goodyear gerade mit einem Eisenwarenhandel Bankrott gegangen war, hatte er in einem New Yorker Ladenlokal der "Roxbury India Rubber Company", der ältesten Kautschukfirma Amerikas, zum ersten Mal Ventile und Schwimmreifen aus Gummi gesehen.

    Allerdings riet ihm der Inhaber dringend davon ab, sich damit weiter zu beschäftigen. Die junge Gummi-Industrie hatte eben erst ein Riesendebakel erlebt. Denn bei Hitze wurde Rohgummi erst klebrig, dann zähflüssig – bis es anfing zu schmelzen. Bei Kälte wurde Kautschuk hart und zerbrach.

    "Und so kam es, wie es kommen musste",
    erzählt Goodyears Biograph Charles Slack:

    "Neu England ist für seine enormen Temperaturschwankungen bekannt. Als der erste richtig heiße Sommer kam, brachten die Kunden die Schwimmreifen und Regenmäntel und all die anderen Dinge, die Firmen wie die Roxbury India Rubber Company hergestellt hatten, wieder zurück – sie waren nur noch eine klebrige, übel riechende Masse."

    Doch Goodyear, der am 29. Dezember 1800 in New Haven im Bundesstaat Connecticut als Sohn eines Landgeräteherstellers geboren wurde, ließ sich davon nicht beirren. Er wollte das Gummi alltagstauglich machen.

    "Es gibt wohl kein anderes träges Material, das die Fantasie dermaßen anregt wie Gummi",

    sagte Goodyear später. Jahrelang testete er neue Lösungsmittel und Zusatzstoffe – erst in der heimischen Küche und später, nachdem sich Nachbarn wegen des Gestanks beschwert hatten, in einer winzigen Dachkammer in New York, die er zum Laboratorium umfunktionierte.

    Das nötige Geld lieh er sich bei Freunden, Verwandten und Bekannten. Er ruinierte seine Gesundheit und landete wegen nicht bezahlter Schulden mehrfach im Gefängnis. Ein Schwager flehte ihn an, sich um seiner hungernden Kinder willen um einen Broterwerb zu bemühen; der Kautschuk sei doch längst gestorben. Goodyear sagte darauf nur:

    "Dann bin ich eben der Mann, der ihn zu neuem Leben erweckt."

    Aus der Zusammenarbeit mit Nathaniel Hayward, einem Unternehmer aus Massachusetts, der dem Kautschuk Schwefel beimengte, ging 1837 ein erstes Patent hervor. Der Durchbruch folgte zwei Jahre später durch einen glücklichen Zufall: Goodyear bestrich Gewebestücke mit einer in Terpentin gelösten Mischung aus Kautschuk, Schwefel und Bleioxid.

    Beim Trocknen gelangte die Masse in die Nähe eines heißen Ofens. Ein Teil davon wurde schwarz. Goodyear wollte ihn schon abreißen und wegwerfen, als er sah, dass sich das Material völlig verändert hatte. Es war nicht mehr klebrig, fühlte sich fast an wie Leder: Unter der Einwirkung von Hitze hatte sich der Kautschuk in strapazierfähiges Gummi verwandelt.

    1844 bekam Goodyear ein Patent auf das Verfahren der sogenannten "Vulkanisation". 1851 ging bei der ersten Weltausstellung in London, der "Great Exhibition", sein größter Traum in Erfüllung: Wer Goodyears Pavillon besuchte, tauchte in eine Welt aus Gummi ein.

    "Alle Wände waren mit einer dünnen Schicht aus Gummi überzogen. Durch die Räume schwebten bunte, mit Gas gefüllte Gummiballons",

    schreibt sein Biograph Richard Korman:

    "Die Möbel waren aus Gummi gegossen oder mit Gummi überzogen. In Vitrinen lagen Teller, Tabletts, Spazierstöcke, Regenschirme, Armbänder, Federmappen, Knöpfe, Becher, Kämme und Bürsten aus Gummi."

    Aus einem Patentstreit ging Goodyear als Sieger hervor. Er verkaufte Gummischuhe, wasserdichte Zelte und Bekleidung. 1855 stellte er das erste Kondom aus Gummi her. Doch er blieb ein schlechter Geschäftsmann. Als Goodyear am 1. Juli 1860 in New York starb, hinterließ er seiner Familie 200.000 Dollar Schulden.

    Dass sein Name unsterblich werden sollte, hat er Frank und Charles Seiberling, zwei deutschen Einwanderern, zu verdanken. Sie tauften 1898 ihre neu gegründete Firma für Autoreifen "Goodyear Tire & Rubber Company" – zum Andenken an den Entdecker der Vulkanisation und Begründer der modernen Gummiindustrie.

    Charles Nelson Goodyear war, wie diesen Worten eines Zeitgenossen unschwer zu entnehmen ist, vom Gummi geradezu besessen. Das Material wurde aus Rohkautschuk hergestellt; es war elastisch, wasserdicht, man konnte es strecken, pressen – und es sprang immer wieder in seine ursprüngliche Form zurück. 1834, als Goodyear gerade mit einem Eisenwarenhandel Bankrott gegangen war, hatte er in einem New Yorker Ladenlokal der "Roxbury India Rubber Company", der ältesten Kautschukfirma Amerikas, zum ersten Mal Ventile und Schwimmreifen aus Gummi gesehen.

    Allerdings riet ihm der Inhaber dringend davon ab, sich damit weiter zu beschäftigen. Die junge Gummi-Industrie hatte eben erst ein Riesendebakel erlebt. Denn bei Hitze wurde Rohgummi erst klebrig, dann zähflüssig – bis es anfing zu schmelzen. Bei Kälte wurde Kautschuk hart und zerbrach.

    "Und so kam es, wie es kommen musste",
    erzählt Goodyears Biograph Charles Slack:

    "Neu England ist für seine enormen Temperaturschwankungen bekannt. Als der erste richtig heiße Sommer kam, brachten die Kunden die Schwimmreifen und Regenmäntel und all die anderen Dinge, die Firmen wie die Roxbury India Rubber Company hergestellt hatten, wieder zurück – sie waren nur noch eine klebrige, übel riechende Masse."

    Doch Goodyear, der am 29. Dezember 1800 in New Haven im Bundesstaat Connecticut als Sohn eines Landgeräteherstellers geboren wurde, ließ sich davon nicht beirren. Er wollte das Gummi alltagstauglich machen.

    "Es gibt wohl kein anderes träges Material, das die Fantasie dermaßen anregt wie Gummi",

    sagte Goodyear später. Jahrelang testete er neue Lösungsmittel und Zusatzstoffe – erst in der heimischen Küche und später, nachdem sich Nachbarn wegen des Gestanks beschwert hatten, in einer winzigen Dachkammer in New York, die er zum Laboratorium umfunktionierte.

    Das nötige Geld lieh er sich bei Freunden, Verwandten und Bekannten. Er ruinierte seine Gesundheit und landete wegen nicht bezahlter Schulden mehrfach im Gefängnis. Ein Schwager flehte ihn an, sich um seiner hungernden Kinder willen um einen Broterwerb zu bemühen; der Kautschuk sei doch längst gestorben. Goodyear sagte darauf nur:

    "Dann bin ich eben der Mann, der ihn zu neuem Leben erweckt."

    Aus der Zusammenarbeit mit Nathaniel Hayward, einem Unternehmer aus Massachusetts, der dem Kautschuk Schwefel beimengte, ging 1837 ein erstes Patent hervor. Der Durchbruch folgte zwei Jahre später durch einen glücklichen Zufall: Goodyear bestrich Gewebestücke mit einer in Terpentin gelösten Mischung aus Kautschuk, Schwefel und Bleioxid.

    Beim Trocknen gelangte die Masse in die Nähe eines heißen Ofens. Ein Teil davon wurde schwarz. Goodyear wollte ihn schon abreißen und wegwerfen, als er sah, dass sich das Material völlig verändert hatte. Es war nicht mehr klebrig, fühlte sich fast an wie Leder: Unter der Einwirkung von Hitze hatte sich der Kautschuk in strapazierfähiges Gummi verwandelt.

    1844 bekam Goodyear ein Patent auf das Verfahren der sogenannten "Vulkanisation". 1851 ging bei der ersten Weltausstellung in London, der "Great Exhibition", sein größter Traum in Erfüllung: Wer Goodyears Pavillon besuchte, tauchte in eine Welt aus Gummi ein.

    "Alle Wände waren mit einer dünnen Schicht aus Gummi überzogen. Durch die Räume schwebten bunte, mit Gas gefüllte Gummiballons",

    schreibt sein Biograph Richard Korman:

    "Die Möbel waren aus Gummi gegossen oder mit Gummi überzogen. In Vitrinen lagen Teller, Tabletts, Spazierstöcke, Regenschirme, Armbänder, Federmappen, Knöpfe, Becher, Kämme und Bürsten aus Gummi."

    Aus einem Patentstreit ging Goodyear als Sieger hervor. Er verkaufte Gummischuhe, wasserdichte Zelte und Bekleidung. 1855 stellte er das erste Kondom aus Gummi her. Doch er blieb ein schlechter Geschäftsmann. Als Goodyear am 1. Juli 1860 in New York starb, hinterließ er seiner Familie 200.000 Dollar Schulden.

    Dass sein Name unsterblich werden sollte, hat er Frank und Charles Seiberling, zwei deutschen Einwanderern, zu verdanken. Sie tauften 1898 ihre neu gegründete Firma für Autoreifen "Goodyear Tire & Rubber Company" – zum Andenken an den Entdecker der Vulkanisation und Begründer der modernen Gummiindustrie.