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Der heimliche Rückzug der Frauen

Bascha Mika, die ehemalige Chefredakteurin der taz, beklagt die weibliche Feigheit. Denn: so ihr Vorwurf: Die Frauen träumen von einem Reihenhaus statt die Chefetage für sich zu beanspruchen. Sie wollen kuscheln, nicht kämpfen.

Von Astrid Prange | 07.02.2011
    Keine Frau sagt: Ich will einen Beruf, mit dem ich mich, meine Kinder, meinen Mann, ein Haus, zwei Autos und den Urlaub für die Familie finanzieren kann. Sie sehen sich also unbewusst an der Seite von jemandem, der genug Geld verdient. Wissen Frauen noch immer nichts Besseres mit ihrem Leben anzufangen, als sich hinter dem Rücken ihrer Männer zu verkriechen? Und was hat diese Verkrümel-Mentalität mit ihrem Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben zu tun?

    Für die "Flucht in die Komfortzone", wie die Autorin den heimlichen Rückzug der Frauen in traditionelle Rollenbilder nennt, gibt es viele Gründe. Drei erscheinen Bascha Mika besonders wichtig: Die mangelnde Bereitschaft von Vätern, für die Familie auf die berufliche Karriere zu verzichten; die unzureichende Versorgung mit Kindertagesstätten, und die freiwillige Unterwerfung der Frauen, die ihre Liebesbeziehung als Lebensversicherung missverstehen und folglich ihren Beruf vernachlässigen. Doch wer der ehemaligen taz-Chefredakteurin vorwirft, ihre Geschlechtsgenossinnen zu beschimpfen oder gar einen neuen Frauenkrieg anzuzetteln, liegt falsch. Bascha Mika geht es vielmehr darum, die anscheinend so selbstsichere Generation junger Frauen wachzurütteln und sie vor den typischen "Fallen" zu warnen. Sie will, dass Frauen auch beim Thema Kinder einen kühlen Kopf bewahren:

    Ich würde mich freuen, wenn Frauen an biografischen Schnittstellen vielleicht einen Moment innehalten und darüber nachdenken, was für Konsequenzen ihre Entscheidungen haben. Jutta Allmendinger, die Soziologin, hat dafür einen sehr schönen Begriff. Sie sagt, Frauen müssen lernen, ihr Leben von hinten her zu denken. Dass ich mir dann einen Moment überlege, wie ist es denn, wenn ich jetzt Mitte 50 bin? Wo möchte ich dann als Frau stehen? Wenn ich dieses Ziel vor Augen habe, kann ich vielleicht heute besser Entscheidungen treffen, damit ich dort auch wirklich ankomme, wo ich in 25 oder 30 Jahren sein will.

    Liegt die wahre Emanzipation also in einer strategischen Lebensplanung? Ist der vermeintliche Kampf der Geschlechter schon lange vorbei? Bascha Mika reißt Frauen aus ihrer Opferrolle und macht sie zu Täterinnen. Sie konfrontiert sie mit ihren eigenen Idealen und stachelt sie an. Kampfgeist und Mut statt Selbsttäuschung und faule Ausreden lautet ihr Motto.

    Junge Frauen wollen Beruf und Familie unbedingt miteinander vereinbaren. Doch schon vor zehn Jahren gab es sehr viele gut ausgebildete Frauen. Auch sie wollten alles. Und was haben diese heute 30 - bis 40-Jährigen erreicht? Sind sie nicht scharenweise aus ihren Berufen geflüchtet, haben ihre Kinder zum Lebensziel erklärt und lassen sich von ihren Männern versorgen? Ich kann heutzutage als junge Frau mit einem typisch weiblichen Verhalten ein Spitzen-Abi machen. Ich kann auch ein sensationell gutes Studium hinlegen. Doch keiner sagt mir, dass mich dieses typisch weibliche Verhalten anschließend massiv benachteiligt.

    Die Bilanz ist also bitter. Noch immer arbeiten Mütter in Westdeutschland auch zehn Jahre nach der Geburt ihres letzten Kindes nur rund 25 Stunden pro Woche. Noch immer werden Frauen schlechter bezahlt als Männer. Noch immer ist ihr Anteil an Führungspositionen in Großunternehmen minimal, so minimal, dass selbst die siebenfache Mutter und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen nun gegen den Willen der Kanzlerin eine Quote forderte. Doch Bascha Mika will nicht alle Mütter zu Managerinnen machen. Sie will, dass Frauen sich endlich von überzogenen Erwartungen freimachen.

    Sie müssen sich hundertprozentig um die Kinder kümmern, sie müssen einen ganz tollen Haushalt führen, sie wollen ihren Beruf irgendwie auch sehr gut machen, und dann wollen sie natürlich auch noch die beste aller Ehefrauen sein. Und alles zusammen geht einfach nicht. Ich glaube, Frauen überfordern sich sehr schnell, wenn sie das Gefühl haben, sie müssten einer traditionellen Rolle gerecht werden und gleichzeitig versuchen, in einer modernen Frauenrolle auch noch alles hinzukriegen.

    Als besondere Belastung empfindet die Autorin den deutschen Muttermythos. Danach können weder der Vater noch eine Tagesmutter und auch keine Kita das Kind im gleichen Maße umsorgen und fördern wie die leibliche Mutter. Dieses Verständnis von Mutterliebe, so argumentiert die Autorin, mache Frauen zu Sklavinnen. Bascha Mikas Vorbild ist ihre Mutter, die fünf Kinder großgezogen hat und sich dennoch in einem stressigen Job behauptete.

    Wir brauchen den Beruf für uns. Wenn wir uns in das alte Muttermuster pressen lassen, verabschieden wir uns von der Vielfalt, die wir als Frau leben können. Dann frist uns die
    Mutter auf. Wir müssen der Angst, nicht geliebt zu werden, nicht nachgeben. Warum bleiben wir nicht stolz und vertrauen darauf, dass wir liebenswürdig und liebesfähig sind?


    Bascha Mika provoziert. Sie legt den Finger auf die wunde weibliche Seele. Sie ruft Schuldgefühle und Empörung hervor. Sie warnt vor unnötigem Warten auf bessere Zeiten. Doch ihre Streitschrift ist kein Pamphlet, ihre Argumente beruhen auf Fakten. Mikas Buch beweist, dass in jeder Beziehung der Keim für gesellschaftliche Veränderung steckt.