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Der Heldentenor

Ludwig Suthaus galt als Naturtalent. Und Wilhelm Furtwängler hielt den Tenor für einen der besten seines Fachs. Die ganz große internationale Karriere blieb Suthaus zwar versagt, der Zweite Weltkrieg kam dazwischen, doch seine Leistungen als Wagner-Sänger bleiben unbestritten.

Von Renate Hellwig-Unruh | 12.12.2006
    "Und ich muss Ihnen sagen, ich habe gerade den 'Tristan' nicht weniger als über 230 Mal gesungen, unter 28 Dirigenten, weltberühmt, Mailänder Scala, wo sie wollen. Und es waren immer neue Inszenierungen, da wissen sie, was man an Substanz hergeben muss in dieser Partie."

    Ludwig Suthaus' Einspielung des "Tristan" 1952 unter Wilhelm Furtwängler ist ein Meilenstein der Schallplattengeschichte. Diese Aufnahme, in der neben Suthaus auch Kirsten Flagstadt und der junge Dietrich Fischer-Dieskau singen, gilt bis heute für Kenner als unübertroffen.

    "Zuerst muss ich ihnen sagen, ich habe mit dem großen Meister Furtwängler nie eine Probe gemacht. Es ging direkt an die Aufnahme, natürlich Probeaufnahmen, aber eine direkte musikalische Probe haben wir nie gemacht, sondern das ging so. Es waren am Tag 6 Stunden, ich glaube 16 oder 18 Tage lang, und es war sehr, sehr anstrengend."

    Der Ruhm des Wagner-Tenors Suthaus gründet auf einem relativ schmalen diskographischen Erbe. Neben Studio-Produktionen der "Walküre" und dem erwähnten "Tristan" sind nur einige wenige Live-Mitschnitte überliefert, die allerdings einen Eindruck von seiner Gesangkunst vermitteln. Viele Wagner-Partien verlangen allein schon durch ihre Länge eine fast übermenschliche Kraft. Dank seiner meisterhaften Atem- und Legatotechnik besaß Ludwig Suthaus diese Kraft. Und ganz nebenbei machte er auch deutlich, dass teutonisches Pathos durchaus mit italienischem Belcanto zusammengehen kann.

    Ludwig Suthaus, geboren am 12. Dezember 1906 in Köln, sollte eigentlich Steinmetz werden. Doch im Haus seines Lehrmeisters wurde viel gesungen - Suthaus' außergewöhnliche Stimme fiel sofort auf. Neben seiner Ausbildung nahm der 17-Jährige daraufhin Unterricht bei Julius Lenz, Gesangslehrer an der Kölner Musikhochschule. Von ihm wurde er zuerst als Bariton eingestuft und ausgebildet. Doch bald kamen Suthaus Bedenken:

    "Und habe meinem Lehrer, der mir den Tenor nicht abnehmen wollte, auf Anhieb die Bohème-Arie mit dem hohen C vorgesungen und anschließend die Postillion-Arie mit dem hohen D. Ja nun, sehr großes Erstaunen, ja, sie sind ja doch ein Tenor."

    Sein erstes Engagement führte ihn 1928 nach Aachen, wo er sich ein breit gefächertes Repertoire erarbeitete. Suthaus' nächste Station war die Stuttgarter Oper. 1942 wurde der parteilose Sänger entlassen. Begründung: Er sei aus künstlerischen und politischen Gründen nicht mehr tragbar. An der Berliner Staatsoper schätzte man seine Qualitäten durchaus. Und in Bayreuth debütierte er noch 1943 als Stolzing in den "Meistersingern von Nürnberg".

    "Ein nette Sache muss ich ihnen erzählen, dass ich dem großen Meister Furtwängler mal gesagt habe, hören Sie mal, das eben ist aber furchtbar breit, wo soll ich den Atem hernehmen. Und da sagt er zu mir: Singen Sie den mal unter Knappertsbusch, da werden Sie sehen, der nimmt das noch breiter. Ich zu Knappertsbusch, wie ich nach München kam, es waren Festspiele, da sagte er: Mensch, was schleppen Sie, schneller, schneller, schneller. Also sehen Sie, auch große Leute können sich irren."

    Bayreuth bildete den Höhepunkt seiner Laufbahn. Nach dem Krieg führten Gastspiele Ludwig Suthaus nach London, Wien, Mailand, Moskau und San Francisco. 1949 wechselte er von der Berliner Lindenoper zur Städtischen Oper im Westteil der Stadt.
    Nach einem Autounfall musste Ludwig Suthaus seine Sänger-Laufbahn jäh beenden. Er starb, erst 64-jährig, am 7. September 1971 in Berlin. Mit seiner "Tristan"-Einspielung unter Furtwängler hat er sich einen Platz im Sänger-Olymp gesichert.