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Der Job vor dem Job

Bewerbungsmappe, Vorstellungsgespräch, Assessment-Center – das reicht manchen Personalchefs offenbar nicht. Immer häufiger wird ein Arbeiten auf Probe verlangt – und das auch für komplett ausgebildete Bewerber. Im Gastgewerbe, in der Medien- und Werbebranche ist das gegenseitige Beschnuppern nichts wirklich neues. Doch inzwischen gibt es diesen Wunsch auch bei Banken und Versicherungen oder Architekten. Geht es nur um ein, zwei Tage, die man ohne Bezahlung kommen soll, scheint der Aufwand nicht zu groß für einen neuen Job, wo aber ist die Schamgrenze für das Probearbeiten?

Von Andrea Lueg | 31.08.2005
    "Ich war einfach sehr interessiert an der Stelle und hatte vom Arbeitsamt aus ein Praktikum gemacht, wo aber klar war, dass ich danach nicht übernommen werden könnte und dann hab ich einfach gedacht, ich könnte das ja hier anbieten. "

    Angeboten hat Elke Reiter, bei ihrer zukünftigen Arbeitgeberin, der Landschaftsarchitektin Brigitte Röde, vier Wochen unentgeltlich zur Probe zu arbeiten. Elke Reiter hatte grade ihren Abschluss als Bürokauffrau bei der Agentur für Arbeit nachgeholt und Brigitte Röde suchte händeringend Entlastung bei der Büroarbeit, deshalb hatte sie eine Anzeige geschaltet,

    " …und innerhalb von drei Tagen hatten wir ungefähr zweihundert Bewerbungen und die Situation wenn man selber überlastet ist, wenn man eigentlich jemanden zur Entlastung sucht, war dann einfach so, dass ich gar keine Zeit hatte, diese zweihundert Bewerbungen zu sichten. "

    Elke Reiters Angebot gleich in die Arbeit einzusteigen, kam also wie gerufen.

    " Dann hatte ich einfach nur spontan gesagt, prima dann probieren wir das aus, weil Zeit die anderen zu sichten hatte ich eh nicht und dann sind wir ganz schnell zueinander gekommen. "

    Das Ganze lief unter dem Titel unbezahltes Praktikum und das Arbeitsamt zahlte Elke Reiter immerhin die Fahrkosten. Durch ihr Angebot stach sie unter den anderen zweihundert Bewerbern hervor und bekam den Job dann auch. Inzwischen arbeiten Landschaftsarchitektin und Bürokauffrau gut zusammen, beide sind zufrieden. Dass Bewerber in der Praxis getestet werden, bevor sie einen Job bekommen, wird hierzulande immer häufiger. Besonders in der Werbe- und Medienbranche oder in der Gastronomie ist das üblich, aber auch Banken oder Versicherungen bieten das Bewerbern inzwischen an.

    Volker Wasmuth, Nachrichtenchef beim Fensehsender n-tv bekommt täglich im Schnitt zwei Bewerbungen auf den Tisch, aussichtsreiche Kandidaten bittet er um eine Woche unentgeltliche Mitarbeit.

    " Das hat den Vorteil, ich sehe ihn in Aktion in einer wirklichen working-Atmosphäre, ich sehe zweitens, ob die Chemie stimmt, ob er klarkommt hier im Newsroom, ob der mit den anderen Kollegen klarkommt. "

    Am Ende der Woche klärt man dann gemeinsam, ob ein Arbeitsverhältnis Sinn macht - als freier Mitarbeiter.

    " Also ich würd sagen so 80 Prozent schaffen's dann auch. "

    Feste Stellen bietet n-tv derzeit überhaupt nicht an, nur über die freie Mitarbeit kann man da bei Bedarf des Senders hineinrutschen.

    Auch wenn die Zeiten so sind, dass sich kaum jemand einem Probearbeiten verweigern kann, um einen Job zu bekommen, gibt es einiges dabei zu beachten, sagt Arbeitsrechtlerin Bettina Gerber, denn Arbeit ohne Bezahlung ist rechtlich eigentlich nicht vorgesehen, zumal wenn man eine Ausbildung hat.

    " Grundsätzlich würde ich dazu tendieren, wenn es innerhalb einer Woche bleibt, und es sich dementsprechend dann um ein Einfühlungsverhältnis handelt, das nicht unter ein Arbeitsverhältnis zu fassen ist, dann ist das möglich. "

    Einfühlungsverhältnis, diesen schönen Begriff hat die deutsche Rechtsprechung für ein unentgeltliches Probearbeiten geprägt.

    " Indizien dafür, dass es ein Einfühlungsverhältnis ist, ist zum Beispiel wenn die Arbeitszeit unter einer Woche blieb, wenn man nicht in die Strukturen eingefasst wird. Wenn der Arbeitgeber nicht morgens zu einem kommt und sagt so und so und so das sind deine Aufgaben, die du abzuarbeiten hast, keine Überstunden, sondern es soll wirklich eine Kennenlernphase sein, es ist rechtlich gesehen eine Vertragsform eigener Art. "

    Genau genommen darf der Probearbeiter nicht den eigentlichen Job machen, sondern soll die Arbeitsstelle lediglich kennen lernen.

    Beim Einfühlungsverhältnis zahlt der Arbeitgeber nicht in die Sozialversicherung ein. Und unfallversichert ist der Bewerber so wie etwa ein Besucher des Unternehmens. Häufig wird das Probearbeiten aber auch unbezahltes Praktikum genannt. Dabei ist ein Praktikum sozialversicherungspflichtig und hat eigentlich einen ganz anderen Zweck.

    "Der Inhalt und Zweck des Praktikums ist ein anderer, weil der Praktikant der unterzieht sich bestimmten betrieblichen Tätigkeiten oder einer Ausbildung, um Einblick in einen Beruf zu bekommen oder er benötigt dies um ein Studium oder ein Ausbildung vollständig abzuschließen "

    Arbeitsrechtlerin Bettina Gerber rät beiden Seiten, vorher festzulegen, was für ein Arbeitsverhältnis man denn nun miteinander hat. Und als zusätzlicher Tipp: man kann als Bewerber versuchen, auszuhandeln, dass die Probearbeitszeit im Nachhinein bezahlt wird, wenn es zum Vertragsabschluss kommt.