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Der Kaiser im Bild

Im Neuen Palais zu Potsdam eröffnet jetzt eine Ausstellung, die exquisit in die hohen und prächtigen, aber dunklen Räume passt: "Der Kaiser im Bild. Wilhelm II. und die Fotografie als PR-Instrument". Ursprünglich war die niederländische Produktion im Jahr 2002 in Amsterdam zu sehen, für Potsdam wurde sie durch Sammelstücke der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ergänzt.

Von Michael Rutschky | 12.08.2005
    Wilhelm II. war eitel - man kann auch sagen: PR-bewusst. Ihm lag daran, die öffentliche Aufmerksamkeit so oft wie möglich auf das frisch gebackene Kaiserhaus zu ziehen, und sorgfältig inszenierte Fotografien waren Teil dieser Strategie.

    Sie schauen alle inzwischen ein bisschen lächerlich aus. Kaiser Wilhelm II. in der Uniform eines Generalkapitäns der Kgl. spanischen Armee; Kaiser Wilhelm II. in der Uniform des Garde du Corps - er könnte sich auch als Sänger für eine Wagner-Oper verkleidet haben. Wilhelm II. und Hermine im Gobelin-Zimmer in Haus Doorn - da war er schon kein Kaiser mehr, doch trägt er unbeirrt und mit stolzem Blick die Uniform des Leib Garde Husarenregiments, und man identifiziert ohne Mühe die lahme linke Hand, so sonst so kunstvoll weginszeniert wird. Auf einem berühmten Foto aus dem Krieg beispielsweise, auf dem der Kaiser zwischen den Generälen Hindenburg und Ludendorff steht und sich von ihnen auf der Karte die Lage erklären lässt, hat man ihm den linken Arm vermutlich auf dem Rücken festgeheftet.

    Gewiss war Wilhelm eine peinliche und traurige Person - der Eindruck des Lächerlichen entsteht aber vor allem, weil sich seitdem die Regeln, nach denen Herrscherbilder inszeniert werden, so gründlich gewandelt haben. Die britische Königin verfügt heute in jeder beliebigen Situation über Kamerafestigkeit; der amerikanische Präsident zeigt sich schon seit Jahrzehnten gern informell in Freizeitkleidung. Der Herrscher soll nicht mehr so aussehen, als würde er in Pose gemalt - der Herrscher soll überhaupt nicht wie der Herrscher aussehen.

    Das machte Wilhelm II. schon sein persönliches Gottesgnadentum unmöglich; undenkbar, dass ein Schnappschuss ihn in einer privaten Situation hätte überliefern dürfen. Er gab, wie oft beschrieben worden ist, den Kaiser mit geradezu parvenühafter Prachtentfaltung, wie sich an vielen Exponaten der Potsdamer Ausstellung studieren lässt.

    Den Schnappschuss schloss in den frühen Jahren die Kameratechnik aus; man brauchte lange Belichtungszeiten. So musste der Porträtierte einfach aus praktischen Gründen starr posieren. Auch die Massenszenen - Paraden, Manöver, Empfänge - wirken wie fürs Gemalt werden inszeniert. Einzig Ferienfotos folgen dann den Sitten der Normalbürger und halten kunstlos informelle Szenen auf Korfu oder ostpreußischen Gütern fest; "Saisonkonformismus" hat der Soziologe Pierre Bourdieu dies Knipsen im Urlaub genannt. Hier legte gern die Kaiserin Auguste-Victoria Hand an den Apparat.

    In der Potsdamer Ausstellung bekommt man die aufwendig gebundenen und in Schönschrift kommentierten Monumentalalben zu sehen, in denen die Kaiserfamilie die Fotos aufbewahrte. Der Hof kontrollierte streng den Postkartenvertrieb mit den monarchistischen Motiven. Wem ein Kaiserporträt geschenkt werden sollte, womöglich gerahmt und signiert, das unterlag genauen Macht- und Prestigekalkulationen. Der Kaiser hielt die Fotodokumente seines Erdenwallens hoch in Ehren und gab genaue Anweisungen für den Nachlas. Viele Kisten damit befinden sich im Haus Doorn, seinem Exilsitz, und werden erst jetzt systematisch ausgewertet.