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Der Kampf um den Posten als FDP-Vize

Gut ein Jahr nach seinem Abgang als FDP-Generalsekretär will Christian Lindner auf dem Sonderparteitag der Liberalen zum Stellvertreter des Parteivorsitzenden gewählt werden. Doch es gibt ein Problem: Für die drei Posten gibt es vier Bewerber.

Von Jeanette Seiffert | 07.03.2013
    Ein fast vollbesetzter Saal im Düsseldorfer Landtag, und alle warten nur auf einen: Christian Lindner. Das Thema der Veranstaltung: die Zukunft der Berufskollegs - ist eigentlich nicht gerade ein Straßenfeger. Doch der 34-Jährige zieht: Es haben sich so viele Gäste angemeldet, dass die FDP-Fraktion kurzfristig in den größeren Sitzungssaal der CDU umziehen musste. Als Lindner dann auftaucht, lässt er sich erst einmal Zeit für ein Schwätzchen:

    "Ich hatte ja gedacht, Sie reden so eineinhalb Stündchen"

    Lindner: "Und führe uns nicht in Versuchung!"

    Seine Begrüßungsrede dauert dann gerade einmal acht Minuten – laut Programm hätte er sich doppelt so lange Zeit lassen können. Kurz darauf ist er wieder weg, der Mann, dessen Anzug ebenso perfekt sitzt wie das gewinnende Lächeln. Christian Lindner hat viel zu tun in diesen Tagen vor dem Bundesparteitag der FDP: Wenn er nicht als Redner gefragt ist, hängt er fast ununterbrochen am Telefon: Denn seine Ankündigung, gut ein Jahr nach seinem Abgang als Philipp Röslers Generalsekretär, nun als dessen Vize kandidieren zu wollen, hat Unruhe ausgelöst. Lindner ist sich dessen sehr wohl bewusst. Und war – trotz vollem Terminkalender – sofort zu einem Gespräch bereit.

    "Die Landesvorsitzenden der nordrhein-westfälischen FDP haben immer in der Führung der Partei mitgearbeitet. Und so wie die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen Landesvorsitzende und stellvertretende Parteivorsitzende ist, so bewerbe ich mich darum, dass der Vorsitzende des größten Landesverbandes der FDP ebenfalls stellvertretender Vorsitzender seiner Partei ist."

    Ein ganz normaler Vorgang, Lindner wird nicht müde das zu betonen. Selbst der Bundesparteichef habe ihn aufgefordert, zu kandidieren. Und doch gibt es da ein Problem – genauer gesagt gleich drei davon. Und die heißen: Birgit Homburger aus Baden-Württemberg, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger aus Bayern – und Holger Zastrow aus Sachsen. Vier Bewerber, aber nur drei Posten: Das böse Wort von der Kampfkandidatur schwebt in der Luft.

    "Kein Streit – wir haben hier offenbar eine Wettbewerbssituation. Und warum kann nicht auch in einer Partei Wettbewerb herrschen."

    Doch wie man es auch nennen mag: Wenn Lindner sich – wie zu erwarten ist - durchsetzt, wird einer der drei Mitbewerber leer ausgehen. Denn die FDP-Satzung schreibt eben drei Vize vor: Und weil es am Wochenende ein Sonderparteitag und kein regulärer ist, kann die Zahl der Stellvertreter nicht kurzfristig einfach auf vier erhöht werden. Es schwingt Bedauern mit, als Lindner das betont: Diese geräuschlose Lösung wäre ihm am liebsten gewesen. Sein Image als "everybody’s darling" setzt er nur ungern aufs Spiel. Und weil Lindner seit einiger Zeit auch den Frauenversteher gibt, verwundert auch folgende Aussage nicht:

    "Mir ist sehr wichtig, dass die FDP auch von Frauen als attraktiv empfunden wird. Das hat damit zu tun, dass Frauen auch in führenden Funktionen vertreten sind. Es hat aber auch etwas damit zu tun, wie und mit welchen Themen sich die FDP vermittelt. Mein Gefühl ist, dass Frauen sehr viel stärker konkrete Antworten auf Sachfragen des Alltags hören wollen und sehr viel weniger Haudrauf und Krawall als Männer."

    Der smarte Hoffnungsträger beschönigt es nicht: Die FDP hat ein Frauenproblem. Nicht erst seit dem Sexismusvorwurf gegen Fraktionschef Rainer Brüderle. Gerade einmal jedes vierte Parteimitglied ist weiblich, in den Parteigremien sind die Frauen unterrepräsentiert.

    Lindner selbst hat zwei weibliche Stellvertreter an der Spitze der Landespartei – in seiner Fraktion allerdings sieht es nicht so gut aus: Gerade einmal vier von 22 Abgeordneten sind weiblich, geringer ist der Frauenanteil nur in der Düsseldorfer Piraten-Fraktion.

    Yvonne Gebauer ist schulpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion. Sie wird am Wochenende nicht als Delegierte auf dem Bundesparteitag sein. Darüber ist sie nicht ganz unglücklich – so kommt sie immerhin nicht in die Verlegenheit, sich bei der Vorstandswahl zwischen Lindner und einer der beiden Frauen entscheiden zu müssen:

    "Da schlagen an dieser Stelle natürlich zwei Herzen in meiner Brust: Ich hätte sicherlich gerne die Zahl der Frauen im Präsidium erhöht, keine Frage. Als Mitglied des Landesverbands Nordrhein-Westfalen würde ich natürlich gerne Christian Lindner da sehen. Ich finde diese Diskussion ganz schrecklich, wenn man in dieser Situation Mann gegen Frau ausspielt."

    Diesen Eindruck versucht auch Christian Lindner nach Kräften zu zerstreuen:

    "Ich jedenfalls kann nur sagen, dass wir in sehr guten Gesprächen sind mit Bayern und Baden-Württemberg, weil ich die Kolleginnen sehr schätze, und ich bin sicher, dass wir zu einer guten, sehr stabilen Lösung finden werden. Da bin ich sicher, dass der Bundesparteitag die Weisheit hat, hier zu einer abgewogenen Lösung zu kommen."

    Im Klartext: Um nicht womöglich als Frauenmörder dazustehen, will Lindner Homburger und Leutheusser–Schnarrenberger unterstützen. Am Ende könnte es also darauf hinauslaufen, dass der bislang einzige Ostdeutsche an der Parteispitze leer ausgeht: Holger Zastrow, FDP-Landeschef in Sachsen. Aus Lindners Sicht offenbar verschmerzbar: Man – also wohl er - werde dafür sorgen, dass die Ostdeutschen im – dem Vorstand nachgeordneten - Präsidium vertreten sein werden.

    "Holger Zastrow ist ein unabhängiger Kopf, die FDP braucht solche Leute. Er führt seinen Landesverband in Sachsen sehr erfolgreich. Man kann sagen, das ist einer der Landesverbände der FDP in Regierungsverantwortung, um die man sich wahrlich keine Sorgen machen muss."

    Weniger Sorgen jedenfalls als um den Ruf des Christian Lindner als Frauenversteher.
    Die Kandidaten für den stellvertretenden FDP-Parteivorsitz: Birgit Homburger (o.l.), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Christian Lindner und Holger Zastrow
    Die Kandidaten für den Vize-Parteivorsitz: Homburger (o.l.), Leutheusser-Schnarrenberger (o.r.), Lindner (u.l.) und Zastrow. (picture alliance / dpa / Jan-Philipp Strobel / Armin Weigel / Peter Endig)