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Der Kater danach

Fast eine halbe Milliarde Euro hat das Greenpoint Stadion in Kapstadt gekostet. Acht Spiele fanden in der teuersten Arena statt. Nun sucht die Kommune einen Nutzen, sonst müsste der Steuerzahler den Unterhalt tragen. Kapstadt verdeutlicht die Sorgen der WM-Standorte. Viel Geld wurde investiert, das in Bildung oder Gesundheit hätte investiert werden können.

Von Ronny Blaschke | 10.07.2010
    Am Ende der WM ist die Zeit der großen Gesten gekommen. Fotografen drängen in einen prunkvollen Saal des Rathauses von Kapstadt. Hinter einem massiven Eichentisch nimmt Frederik de Klerk auf einem Ledersessel Platz. Der frühere Präsident Südafrikas taucht seine Handflächen in schwarze Farbe, daraus soll ein Kunstwerk entstehen. De Klerk hat 1993 mit Nelson Mandela den Friedensnobelpreis erhalten, nun leiht er den WM-Organisatoren vor der Weltpresse seine Autorität.
    "Ich bin sehr stolz als Südafrikaner über das, was wir erreicht haben. Wir haben unsere Kritiker eines Besseren belehrt und das Vertrauen der Fifa gerechtfertigt, die WM hierher zu bringen. Ich glaube, dass wir davon dauerhaft profitieren werden mit einem besseren Verständnis in unserer kulturell vielfältigen Gesellschaft."

    Am Ende der WM ist die Zeit der großen Worte gekommen. Doch kann die Aussage von Frederik de Klerk der Wirklichkeit standhalten?
    Zwanzig Autominuten Richtung Nordwesten. Es ist ruhig geworden. Die weißen Zelte am Greenpoint Stadion werden abgebaut. Die Straßensperren sind aufgehoben. Nur noch selten weht das Gedröhn einer Vuvuzela herüber. Acht WM-Spiele fanden in Kapstadt statt. In einem eleganten Oval zwischen Ozean und Tafelberg. Erbaut von Arbeitern, deren Stundenlohn unter zwei Euro lag. Und von denen viele wieder einen Job suchen. Auf einem Schild an der Straße ist zu lesen: "Bauen für WM 2010 – und für die Zeit danach". Tatsächlich für die Zeit danach? Kapstadts Bürgermeister Dan Plato:
    "Es gibt ein Team, dass sich um die Zukunft des Stadions kümmert. Es wird für mehrere Zwecke genutzt werden. Wir haben lokale Betreiber, die verschiedene Konzepte prüfen werden, um das Stadion existenzfähig zu machen."
    Mehr als 450 Millionen Euro hat die Arena in Kapstadt gekostet. Wer den teuersten der zehn WM-Schauplätze nutzen wird, kann Bürgermeister Pato nicht sagen. Die lokalen Vereine Ajax, Santos und Vasco da Gama locken wenige Tausend Zuschauer. Die Betriebskosten von 600000 Euro könnten sie nicht tragen - sie werden den Steuerzahlern überlassen. Offiziell haben die Kommunen 1,36 Milliarden in die sechs neuen und vier modernisierten Stadien investiert. Doch was wird in Nelspruit oder Polokwane geschehen? In beiden Städten gibt es keine großen Fußball- oder Rugbyvereine. Werden ihre Stadien "Weiße Elefanten", also nutzlose Geldschlucker?
    Fünfzehn Autominuten vom Greenpoint Stadion entfernt liegt Langa, der älteste Township Kapstadts, erbaut 1923. Scara Matiwane leitet ein Fußballprojekt für Benachteiligte im Alter von sieben bis zehn Jahren. Der 26-Jährige hat die Kommune, den lokalen Fußballverband und den Weltfußballverband um Unterstützung gebeten. Er dachte, die WM sei der passende Anlass. Hilfe erhielt er nicht und so hilft er sich selbst.
    "Ich habe zehn Spieler ohne Fußballschuhe. Also gehe ich in einen der Sportläden und schlage einen guten Preis heraus. Wir kommen aus einem schwierigen Umfeld. Wir haben nicht genug Geld für die besten Schuhe. Also bitten wir um einen günstigen Preis."
    Am Abend sitzt Jugendtrainer Matiwane mit seinen Freunden in der Taverne und fragt sich, was da an ihnen vorbei gerauscht ist. Mehr als 450 Millionen Euro hat das Stadion in Kapstadt gekostet. Mit diesem Geld hätten in Townships 60.000 Häuser für 300.000 Menschen errichten werden können. Die Milliarden, die in Stadien, Straßen und Flughäfen flossen, fehlen in Bildung, Versorgung und Gesundheit. 50.000 Dollar-Millionäre leben in Südafrika, aber Millionen Haushalte sind ohne Wasser und Strom. Lässt die WM die Gesellschaft weiter auseinander driften? Der ehemalige Staatschef Frederik de Klerk.
    "Ich sehe keinen plötzlichen Ausbruch von Problemen. Wir sind durch einen Monat gegangen, in dem wir gesagt haben: Lasst uns die Probleme bei Seite schieben. Aber wir wissen: Die Probleme sind auch nach der WM noch da. Aber ich erwarte keine große Krise. Vielmehr glaube ich, dass wir durch den Erfolg der WM besser vorbereitet sind auf die restlichen Herausforderungen in diesem Land."