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Der Komponist Giovanni Paisiello
Publikumsliebling und Sittenheiler

Zu Lebzeiten war Giovanni Paisiello berühmter als Mozart, heute kennen ihn vor allem Opernliebhaber. Von seinen hundert Opern werden gerade noch zehn Werke aufgeführt, doch seinerzeit waren sie wahre Straßenfeger. Am 5. Juni 1816 starb der italienische Komponist in Neapel.

Von Sabine Fringes | 05.06.2016
    Porträt des italienischen Kompoinisten Giovanni Paisiello (1740-1816)
    Porträt des italienischen Kompoinisten Giovanni Paisiello (1740-1816) (imago stock&people)
    "Die einen klatschten in die Hände, die anderen trampelten mit den Füßen. Die einen brüllten ohne Hemmung, andere weinten und wiederum andere blieben stumm, unfähig ihre innere Bewegung und den Tumult der Gefühle zu artikulieren und nach außen zu vermitteln."
    So der Historiker Carlo Botta in einem Brief an den Komponisten Giovanni Paisiello über eine Aufführung seiner Oper "Nina o sia la pazza per amore" im Jahr 1794. Für einen Augenblick schien es dem Publikum, die Welt würde eine andere:
    "Eltern versprachen sich gegenseitig, sich nie mehr den Sehnsüchten ihrer Töchter zu widersetzen und Liebende wurden sanfter miteinander.
    Damen sollen sich schluchzend über die Brüstung ihrer Loge gelehnt haben, um der Sängerin zuzurufen, dass ihr Geliebter sicher bald wiederkommen werde.
    "Wären alle musikalischen Produktionen so wie Nina, könnten sich Kapellmeister mit Recht Sündenaustreiber, Tugendförderer, Sittenheiler nennen und die Musik verdiente gleiche Ehre wie die Gesetzgeber der Nationen."
    So Botta an Paisiello, dessen Brief noch 21 weitere glühende Verehrer unterschrieben.
    Giovanni Paisiello kam am 9. Mai 1740 im apulischen Taranto auf die Welt. In der Jesuitenschule fiel alsbald die Schönheit seiner Stimme auf – und im Alter von 14 Jahren schickte man ihn auf das Konservatorium Sant' Onofrio nach Neapel.
    In der Opernhochburg etabliert er sich nach seiner Ausbildung bald als Komponist. Neben seinen ernsten sind es vor allem seine komischen Opern, mit denen er für Furore sorgt. Das Publikum liebt den volkstümlichen Einschlag, die glänzenden Orchesterfarben und die derb-drastischen Einfälle seiner Werke.
    Barbier von Sevilla entsteht in St. Petersburg
    1776 holt ihn die Zarin Katharina II. als Kapellmeister nach Sankt Petersburg. Hier schreibt er den Barbier von Sevilla, seine erfolgreichste Oper, die bis heute mit ihrem Esprit und Witz bezaubert. So wie das Terzett der gähnenden und niesenden Diener:
    Ein kräftiger Mann von vornehmer Gestalt mit leuchtenden schwarzen Augen war Paisiello nach der Beschreibung seines Kollegen Charles Burney. Wie in seinen Opern - so mangelte es auch in Paisiellos Leben nicht an dramatischen Szenen: Als der 32-Jährige ein schriftlich gegebenes Heiratsversprechen nicht einlöst, muss er ins Gefängnis, wird aber nach vollzogener Eheschließung hinter Gittern sogleich wieder entlassen.
    1802 holte ihn Napoleon als seinen Kapellmeister nach Paris, zwei Jahre später konnte er auf eigenen Wunsch nach Neapel zurückkehren. Dort stand er von 1806 bis zum Ende der napoleonischen Ära in den Diensten Frankreichs. Doch auch nach dem Sturz Napoleons durfte er seine Anstellung am königlichen Hof in Neapel behalten, dank einer Generalamnestie von König Ferdinand.
    Bei seinem Tod am 5. Juni 1816 hinterlässt der 76-Jährige neben hundert Opern auch Oratorien und Messen, Kammermusik und Sinfonien. Ein Stück ragt bis heute hervor: die Arie "Nel cor più non mi sento". Ihre ebenso schlichte wie empfindsame Melodie regte ein gutes Dutzend Komponisten zu neuen Stücken an, darunter auch Paganini und Beethoven. Seit der Komponist und Herausgeber Alessandro Parisotti sie in seine "Arie antiche" - ein Arienalbum für Gesangsschüler - aufnahm, üben sie Anfänger in aller Welt - und auch Opernstars schmücken sich bis heute mit ihr.