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Der Kontroll-Freak

Die meisten Chefs kann man ganz gut in Schubladen schieben. Wenn man das verstanden hat, lebt es sich besser mit dem Vorgesetzten. Der Kontroll-Freak etwa prüft alles genau nach - wer ihm entgegen kommt, alles schriftlich kommunziert und verlässlich ist, hat es leichter.

Von Rüdiger Maack | 17.01.2011
    "Oh! Ja! Den hatte ich! Des war der Hammer. Da ging es darum, einmal im Monat eine Tabelle zu erstellen. Die sah jeden Monat gleich aus, nur die Zahlen haben sich ein bisschen geändert. Es war unglaublich! 13 Versionen! Nicht nur über Fehler die man gemacht hat, sondern wenn er noch eigene Verbesserungen hatte. Oder Rundungsfehler. Auf die vierte Kommastelle, die sich eigentlich bei der zweiten schon gar nicht mehr bemerkbar gemacht hat, nee, es musste nochmal geändert werden. Und und und... Halleluja!"

    Thomas arbeitet seit Jahren als Banker in Frankfurt. Und weil Banker diskret sind, will er seinen richtigen Namen auch nicht im Radio hören. Vor allem, weil Chefs ja nicht unbedingt von sich hören wollen, sie seien Kontroll-Freaks.

    Dabei war das in seinem Fall gar nicht so schlimm: Der Vorgesetzte mit den 13 Versionen war einer seiner besten - denn wenn es Konflikte gab, stand er immer hinter seinem Mitarbeiter.
    Der Kontroll-Freak kann eigentlich ganz nett sein - nerven tut er dennoch, sagt Petra, die ebenfalls bei einer Bank arbeitet:

    "Eigentlich 'n ganz, ganz lieber Mensch, aber der konnte auch überhaupt nichts aus der Hand geben, wenn ich einen Kunden angeschrieben hab, und ich habe 'Hallo Herr sowieso' geschrieben, dann hat er nachher das auch sich nochmal zeigen lassen und gesagt, da muss aber 'Sehr geehrter Herr' drauf stehen, also auch die Art der Kommunikation hat er immer kontrolliert, und mir war gar nicht mehr die Gelegenheit gegeben, authentisch zu sein."

    Da fangen sie an, die Probleme: Zuviel Kontrolle lähmt. Das hat PR-Berater Markus mitmachen müssen:
    "Meine frühere Chefin, die war da schon ziemlich extrem, man konnte im Prinzip keine Email an den Kunden schreiben, ohne dass sie sie vorher gesehen hatte. In erster Linie ist es extrem unmotivierend für einen selbst und ich denke, es bringt niemandem was, im Gegenteil."

    Freiheit für den Mitarbeiter! Wer zuviel zu oft und zu heftig den Daumen drauf hält auf seine Mitarbeiter, der verliert sie peu à peu.

    "Eigentlich war das mehr so innere Kündigung, ich darf ja hier sowieso nichts entscheiden, mir wurde dann auch irgendwann gesagt: Bitte nicht so offensiv! Und da habe ich mich immer mehr zurück gezogen und immer so: 'Was man mir sagt, mach ich, aber darüber hinaus: Nichts.'"

    "Diese Menschen sind sehr anstrengend. Wenn man selber nicht ganz hundertprozentig genauso ist, wie er, muss man sich da sehr dran gewöhnen."

    Das sagt Elke Wolf - sie war mal Assistentin und hat jetzt eine Agentur, in der sie Mitarbeiter berät.

    "In meinem Beispiel war es so, wurden viele Präsentationen gemacht, Powerpoint, andere Sachen, der nahm dann sein Lineal und maß nach, ist die Überschrift in der Mitte, war sie zwei Millimeter zu weit links oder zu weit rechts, hat er das gesagt. Hieß für mich, ich frage vorher ganz genau, was er haben will, wie er's haben will und stelle auch immer mit die Frage: Ist es so zu Ihrer Zufriedenheit oder geben Sie mir ein zeitnahes Feedback, dann kann ich's ändern."

    Thomas, der Banker mit den 13 Versionen, verdankt seinem Ex-Chef vor allem eine Eigenschaft: Langmut!

    "Ich denke, das ist eine Schule gewesen , die ich heute noch bei meinen Kindern benützen kann, weil ich unendlich viel Geduld habe. Und ich hab's nochmal verbessert, und ich hab's nochmal wiederholt, und wir wiederholen die Deutsch-Wörter nochmal und die Englisch-Wörter wiederholen wir auch noch mal."

    Die beste Haltung, sagt Elke Rosemond, die in ihrer Agentur vor allem mittelständische Firmen und deren Mitarbeiter berät: Mitmachen, anders geht's nicht.

    "Ich kann diesen Kontroll-Freak, der noch eine Kontrolle braucht und noch eine Kontrolle braucht, nicht verändern. Es hilft, wenn ich versuche, mit dem 'Du kannst mir vertrauen und wenn ich das mache, mache ich es schon richtig'. Nicht unterwürfig sein und auch mit Fakten reden, noch eine Tabelle und noch 'nen Vergleich - hey, das hab ich schon ausgearbeitet, weil ich weiß doch, Sie wollen noch einen on top. Da machen wir uns das Leben einfacher."

    Felicitas von Elverfeldt, die in Frankfurt Führungskräfte coacht, fällt dazu eine simple Wahrheit ein:

    "Der Köder sollte dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Und wenn ich schlau bin, passe ich mich ein bisschen an einem Kontroll-Freak gegenüber, der braucht viel Sicherheit. Ich muss dem das Gefühl geben, dass er bei mir sicher ist. Der Kontroll-Freak liebt zum Beispiel schriftliche Kommunikation, das ist dem ganz wichtig. Er erwartet von mir, dass ich mich sehr verlässlich zeige, selbst sehr konsequent bin, sehr zeitnah antworte, seine Vorgaben sehr ernst nehme und mich an Erwartungen auch halte."

    Auch wenn's vielleicht schwer fällt, wenn ich selbst eher der spontane Generalist bin. Doch es bleibt ein Trost - von Elverfeldt glaubt: Dieser Chef-Typ ist ein Auslaufmodell - und das liegt an der Arbeitswelt, die sich verändert.

    "Der absolute Kontroll-Freak wird auf jeden Fall ein Problem bekommen, denn in jedem Fall wird es sehr viel komplexer. Und je schneller und komplexer es wird, umso weniger bin ich in der Lage, das alles kontrollieren zu können."

    Weitere Beiträge der Serie:

    Die Ich-AG: der Narziss - Serie "Die Chef-Typen" - Teil II