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Der Lärm der Güterzüge

1996 unterzeichnete die Bundesregierung einen Vertrag mit der Schweiz. Darin verpflichtete sich Deutschland, bis zur Inbetriebnahme des neuen Gotthard-Basistunnels die Eisenbahnachse durchs Rheintal auszubauen. Doch gegen den Ausbau der sogenannten Rheinschiene regt sich Widerstand. Es droht ein "Baden 21".

Von Helmut Frei | 20.11.2010
    Ein großer Tag für die kleine Schweiz. Die Bohrmaschine durchstößt am 15. Oktober die Felsmembran zwischen dem südlichen und nördlichen Ast des Gotthard-Basistunnels. Das 57 Kilometer lange Bauwerk unterquert die gewaltige Barriere der Alpen. Im Jahr 2017 soll diese unterirdische Eisenbahnverbindung in Betrieb gehen. Sie ist eines der wichtigsten Teilstücke der europäischen Schienenverkehrsachse zwischen den Hafenstädten Rotterdam an der Nordsee und Genua am Mittelmeer. Moritz Leuenberger - damals noch Schweizer Verkehrs- und Umweltminister - ist natürlich stolz:

    "Mit diesem Tunnel bauen wir mit an den Infrastrukturen Europas und beweisen so: Wir gestalten unseren Kontinent mit, solidarisch und nachhaltig, indem wir die Verlagerung von der Straße auf die Schiene vorantreiben. Hier inmitten der Schweizer Alpen entsteht eines der größten Umweltprojekte des Kontinents."

    Profitieren soll davon vor allem der Güterverkehr per Bahn. Auch die deutsche Bundesregierung hat sich zu diesem Ziel der Verlagerung der Transporte von der Straße auf die Schiene bekannt und 1996 einen Vertrag mit der Schweiz unterzeichnet. Darin verpflichtete sich Deutschland, bis zur Inbetriebnahme des neuen Gotthard-Basistunnels die Eisenbahnachse durchs Rheintal so auszubauen, dass die erwartete Zunahme des Güterverkehrs auch bewältigt werden kann.

    Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat diesen Vertrag von seinen Amtsvorgängern geerbt. Dabei ist längst klar, dass auf deutscher Seite der Termin 2017 nicht zu halten ist. Vor allem an der wichtigsten Zulaufstrecke zum Gotthard hakt es: Der Ausbau der sogenannten Rheinschiene als europäische Nord-Süd-Verbindung von Rotterdam nach Italien stockt. Denn zwischen dem südbadischen Offenburg und Basel sind die Widerstände gegen die Plane der Bahn für ein drittes und viertes Gleis derart groß, dass man bereits von "Baden 21" spricht. Eine Wortwahl in Anlehnung an die Bürgerproteste rund um das Großprojekt Stuttgart 21. Erst Anfang November besuchten einige Mitglieder des Verkehrsausschusses des Bundestages die Gegend. Sie ließen sich auch über die Alternative einer sogenannten Bürgertrasse informieren:

    Bad Bellingen, unweit von Basel, ist ein beschaulicher badischer Kurort. Am Dorfrand liegt die nördliche Einfahrt zum neuen Katzenbergtunnel. Er soll 2012 fertiggestellt sein. Die alte Bahntrasse bleibt erhalten. Sie führt mitten durch das Dorf.

    Wie hier befürchten die Einheimischen überall entlang der sogenannten Rhein-Schiene, dass der Lärm durch die Güterzüge unerträglich zunehmen wird - vor allem in der Nacht.

    Von Bad Bellingen aus etwas rheinaufwärts liegt das Städtchen Herbolzheim. Dort, zwischen Freiburg und Offenburg, ist Georg Binkert zuhause, einer der Sprecher der "IG Bohr". Diese Interessengemeinschaft mehrerer regionaler Bürgerinitiativen will die von der Deutschen Bahn AG beantragte Trasse verhindern:

    "In Herbolzheim ist es so, dass die Trasse der Bahn, also die Antragstrasse, mitten durch unsere Gemeinde verlaufen soll. Des heißt: Rechts und links sind Häuser, und da sollen in Zukunft bis zu 400 Züge fahren, Güterzüge. Wir wollen, dass für diese Güterzüge ein Extra-Gleis entlang der Autobahn gebaut wird, wo es keine Wohnbebauung gibt."

    Denn: Auf der geplanten Trasse sollen ab dem Jahre 2025 täglich rund vierhundert Güterzüge verkehren - gegenüber hundert heute. Georg Binkert von der Bürgerplattform IG Bohr stützt sich auf amtliche Prognosen. Manche Verkehrswissenschaftler halten die prognostizierte Steigerung zwar für übertrieben. Aber fest steht: Das Streckennetz muss auf vielen Abschnitten erst fit gemacht werden, um das verstärkte Verkehrsaufkommen zu verkraften.

    "Dafür muss auch das Geld ausgegeben werden und nicht für ne Hochgeschwindigkeitsbahn. Und das werden wir heute auch die Politiker noch einmal fragen, für was sie eigentlich der Bahn das Geld geben: für ne Hochgeschwindigkeitsstrecke oder damit die Güterzüge, wo wirklich sehr viel Geld verdient wird, auch tatsächlich fahren könnet."

    Rückendeckung bekommen die Bürgerinitiativen zwischen Offenburg und Basel unter anderem von den Grünen um den Bundestagsabgeordneten Winfried Hermann. Er ist Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag und einer der Wortführer gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 und die geplante Neubaustrecke nach Ulm:

    "Wir haben ausgerechnet, dass die Rheinschiene nicht 2018 fertig wird, sondern irgendwann mal 2035, wenn man so weiterbaut in der Geschwindigkeit wie jetzt. Wenn man das sieht, dann ist es völlig verrückt, dass man gleichzeitig mit einem Neubauprojekt Stuttgart 21 und ner Neubaustrecke Stuttgart-Ulm anfängt, die - allein zusammengenommen - in den nächsten Jahren mindestens die Hälfte des Investitionsetats insgesamt in Deutschland schlucken werden. Das heißt: Die Baustelle Rheintal kann zehn Jahre nicht bedient werden."

    Tatsächlich aber hängen die zeitlichen Verzögerungen, die sich beim vierspurigen Ausbau der Rheintalbahn inzwischen auf etliche Jahre summieren, allenfalls teilweise mit den Investitionen in superteure ICE-Strecken zusammen. Eine große Rolle spielen auch die Proteste der Anwohner, die sich nicht nur in Stuttgart, sondern auch in Südbaden zu einer mächtigen Bürgerbewegung entwickelt haben.

    Helga Meyer und ihr Mann wohnen am Rande des Dorfes Buggingen, südlich von Freiburg. Nur eine Obstbaumwiese trennt ihr Grundstück von der Bahn-Magistrale. Aus betrieblichen Gründen plant die Deutsche Bahn AG in Buggingen ein aufwendiges Kreuzungsbauwerk mit Brücken und Unterführungen:

    "Sechs Gleise hinter unserm Haus. Jetzt im Moment sind´s zwei und der Ist-Zustand ist manchmal schon unerträglich. Besonders im Sommer müssten mir dreifach verglaste Fenster haben und eine Klimaanlage in den Wohnungen."

    Helga Meyer steht am offenen Fenster. Die Gardinen vibrieren, der Lärm des vorbeirauschenden Zugs ist ohrenbetäubend. Bei geschlossenem Fenster hört sie ihn nur noch schwach.

    Helga Meyer steht in ihrer Küche, sie wäscht ab. Auch in Südbaden machen derzeit viele Bürger Front gegen die Konzernpolitik der Bahn. Ihr Vorwurf: Das Unternehmen würde seine Vorstellungen eines optimalen Streckennetzes am grünen Tisch entwickeln, jedenfalls weit weg von den Betroffenen.

    "Mir werden immer als Bahngegner hingestellt. Wer sin keine Bahngegner. Mir wolla nur, dass des umweltverträglich gebaut wird, dass die Generation und die nächste un die übernächste auch noch damit leba könna. Denn des steht über hundert Johr, was jetzt gebaut wird."

    Also Misstrauen und Befürchtungen statt Vertrauen und Zuversicht. Ganz anders in der Schweiz. Dort wirkt die Bevölkerung durch Volksabstimmungen immer wieder und vor allem frühzeitig an verkehrspolitischen Weichenstellungen mit. Selbst enorme Kostensteigerungen wie beim Gotthard-Basistunnel werden so akzeptiert. Reto Schmid ist ein junger und erfolgreicher Konditor in der Berggemeinde Sedrun. Ein unterirdischer Bahnhof sollte das Schweizer Dorf direkt an die Tunnelstrecke anbinden. Aus Kostengründen hat sich das Projekt auf absehbare Zeit erledigt. Trotzdem stehen die meisten Eidgenossen nach wie vor hinter dem Gotthard-Basistunnel. Obwohl sich die Kosten bis zur Fertigstellung 2017 auf rund zwölf Milliarden Franken, das entspricht neun Milliarden Euro, summieren werden:

    "Sicher ist das viel Geld, wenn man im Moment die Zahlen hört. Aber auf der anderen Seite: Es ist ein Projekt für die Umwelt. Die Laster sollen da auf die Schiene verlegt werden. Also ich glaub, das ist ein Projekt, wo Sinn macht und wo sicher auch – wenn man schaut, dass erstmals 1947 darüber in den Medien berichtet wurde, dann ist das sicher auch ein durchdachtes Projekt, denk ich mal."

    Die Schweizer Politiker arbeiten daran, dass möglichst der komplette schwere Güterverkehr zwischen Italien und Deutschland ihr Land per Bahn passiert. In Südbaden dagegen tun sich die Bürgerinitiativen schon schwer mit ihrer Forderung an die Bahn, künftig den Transportverkehr durch den neuen Katzenbergtunnel zu leiten. "Alle Güterzüge in den Tunnel", ist auf einem Plakat zu lesen, das Anwohner der alten Strecke gespannt haben. Sie hoffen auf Gehör und darauf, dass ihnen der nervige Lärm doch noch erspart bleibt.

    Die Situation ist verfahren. Nach einer Lösung wird händeringend gesucht. Für manche Abschnitte der Rheinschiene im südlichen Baden mussten die alten Ausbaupläne überarbeitet werden. Das kostet der Bahn natürlich Zeit und Geld, dessen ist sich auch der CDU-Parlamentarier Steffen Bilger bewusst:

    "Es ist definitiv unbefriedigend auch für uns als Mitglieder im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Und für mich ist auch klar, dass wir insgesamt weiterkommen müssen bei der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, dass wir einfach auch mehr Geld brauchen für die Straße, genauso aber auch für die Schiene, um wirklich au unsere internationalen Verpflichtungen schneller einlösen zu können. Und das zeigt sich am Beispiel Rheintalbahn ganz eindeutig."

    Gegen diese optimistische Sicht stehen andere Tatsachen wie der Kurswechsel bei der Verwendung der Einnahmen aus der Lkw-Maut. Als sie 2005 eingeführt wurde, war klar, dass sie nicht nur, aber auch in den Ausbau des Schienennetzes fließen sollten. Ähnlich dem Schweizer Vorbild. Dort dienen die Einnahmen aus der "leistungsfähigen Schwerverkehrsabgabe", so nennt sich die eidgenössische Lkw-Maut, ausschließlich der Finanzierung von Großprojekten der Bahn.

    Mittlerweile beabsichtigt die deutsche Bundesregierung, die Erlöse aus der Lkw-Maut nur dem Straßennetz zugutekommen zu lassen. Dagegen protestierte schon vor Monaten Winfried Hermann, der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses.

    "Stellen Sie sich mal vor, wenn man tatsächlich nur noch dort, wo die Einnahmen erzielt werden, auch wieder reinvestiert. Dann bekommen Sie einen Kreislauf, dass in einem System Straße, wo die meisten Einnahmen generiert werden, dann immer mehr Straßen gebaut werden und die Schiene immer schwächer wird. Und das würde dann am Ende auch dem Transporteur auf der Straße nichts mehr nutzen, wenn die Bahn noch schlechter wird. Denn so schnell können Sie gar nicht Straßen bauen, wie Sie sie dann von der Menge her bräuchten."

    Diese Ansicht teilt Horst Leonhardt. Er ist der Chef der HGK, der "Häfen und Güterverkehr Köln". Diese sogenannte "nicht bundeseigene Eisenbahn" macht der Deutschen Bahn unter anderem mit Güterzügen von Rotterdam in die Schweiz Konkurrenz:

    "Ich glaube, dass es genauso kritisch und schwierig wird, das dem Bürger zu erklären, dass eine dreispurige Autobahn zu einer fünfspurigen wird mit der entsprechenden Lärmentwicklung. Ich glaub auch nicht, dass es von den Kosten her anders zu betrachten ist. Und wir werden uns eben überlegen müssen: Was seien eben die Verkehrsträger der Zukunft. Und dann muss man eindeutig sagen: Nach allem Co-2- oder welchen Bewertungsmaßstab Sie heranziehen, sind das Binnenschiff und die Schiene alternativlos. Wir werden nicht auf die Straße setzen können. Wer das tut, ist ein Rückfall - sag ich mal - in vergangene Politik, die sicherlich schon eine Fehlorientierung in sich hatte."

    Denn das Schienennetz stößt längst an seine Kapazitätsgrenzen. Horst Leonhardt beklagt das auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Netzbeirates der Deutschen Bahn AG. Dieses Gremium berät den Staatskonzern bei Fragen zum Schienennetz:

    "Die jetzige Situation zeigt sich so, dass das Netz, wie es zurzeit existiert, nach und nach vollläuft. Und es ist mit Sicherheit in den nächsten zwei, drei Jahren zu erwarten, dass wir die Kapazitäten, die angedacht waren, auf der Schiene nicht aufnehmen können. Die Erweiterungsinvestitionen stehen aus, und das bedeutet, dass diese Entwicklung auf den Straßen stattfinden wird. Und jetzt sag ich mal als Kölner: wer sich hier in dieser Region umguckt und sieht, was sich in den Autobahnringen rund um Köln jeden Tag abspielt, der weiß, dass das nicht gut gehen kann."

    Um aber nicht in der Güterflut zu ersticken, müssten der Ausbau der Verkehrswege beschleunigt und Bundesmittel erhöht werden. Doch angesichts des Sparzwangs wurden sie gekürzt. Aus diesem Grund hat das Bundesverkehrsministerium unter Führung des CSU-Politikers Ramsauer die Liste der als vordringlich eingestuften Bahnprojekte zusammengestrichen und selbst wichtige Vorhaben für den internationalen Güterverkehr auf Eis gelegt. Betroffen davon ist unter anderem der Ausbau der Betuwe-Linie auf deutschem Gebiet. Diese Eisenbahnachse verbindet den Welthafen Rotterdam direkt mit der Rheinschiene und ist auf niederländischer Seite bereits bestens ausgebaut.

    Damit nicht noch mehr solcher Projekte auf der Strecke bleiben, fordert der Berliner Bahnexperte Michael Holzhey, auf weitere - wie er sagt - Rennbahnen wie die Schnellbahntrasse zwischen Stuttgart und Ulm zu verzichten. Kostenpunkt laut aktueller Berechnung: 2,89 Milliarden Euro. Holzhey würde diese finanziellen Mittel stattdessen auf die Hauptstrecken für den Frachtverkehr konzentrieren:

    "Die Güterverkehrsachsen sind sehr genau zu definieren, das sind sechs, acht Stück in Deutschland. Davon aber wiederum drei mit überragender Bedeutung. Und da gilt der alte ökonomische Grundsatz: stärke die Stärken. Denn wenn schon dort viel los ist, kann man umso besser bündeln. Allerdings müssen die Neu- oder Ausbau- vor allen Dingen - Maßnahmen nicht immer am Ort des Engpasses stattfinden. Dass man gerade für die stark überlastete Nord-Südachse 150 Kilometer weiter östlich einen Korridor plant, in Ostdeutschland in recht siedlungsarmem Gebiet, mit eben dann geringerer Lärmproblematik, um masterplanartig Verkehre durch Deutschland zu lenken, die ja eine Transportweite von 1500 Kilometern haben."

    Die Gegner von Stuttgart 21 haben Michael Holzhey übrigens als Sachverständigen in den derzeit laufenden Schlichtungsgesprächen aufgeboten. Ob sich die Kritiker unter Führung der Grünen, die sonst eher regionalen Verkehrsprojekten das Wort reden, mit dieser Wahl einen Gefallen taten, steht in den Sternen. Denn interessanterweise betont Holzey die Bedeutung der überregionalen und schon heute stark frequentierten Eisenbahnkorridore, über die in Deutschland lange und schwere Züge donnern. Kurze und leichte Güterzüge, die auch über steile Neubaustrecken rollen könnten, kommen für den Bahnexperten dagegen nicht in Betracht.

    Versuche, diese kurzen Güterzüge einzuführen, gab es. Namhafte Speditionen waren daran beteiligt. Sie wollten leichte Züge einsetzen, um auch Verladestellen auf dem flachen Land ansteuern zu können. Die Deutsche Bahn allerdings hat diesen Versuch im wahrsten Sinne des Wortes abgewürgt.

    Anderer Experte – andere Meinung. Der Verkehrswissenschaftler Werner Rothengatter aus Karlsruhe etwa gibt flinken und leichten Güterzügen durchaus eine Chance:

    "Ich sehe den Güterverkehr der Bahn eben nicht so, dass das nachvollzogen wird, was in den letzten 40 Jahren schon beobachtbar war: dass die Bahn immer besser wurde auf den langen Strecken, mit langen und schweren Zügen. Sondern die Zukunft der Bahn wird auch darin liegen, Logistikleistung anzubieten, und die wird zunehmend im Bereich der leichteren Güter erforderlich sein. Und es wird zu leichten Güterzügen führen. Wir haben diesen Prozess der Miniaturisierung der Güterverkehrswelt und nicht der Verstärkung der Massenguttransporte. Und in dieser Welt würde der leichte Güterzug durchaus hineinpassen."

    Wie es geht, lässt sich in der Schweiz studieren. Am Beispiel des Coop-Konzerns, eines der führenden Unternehmen des Einzelhandels, mit rund 1.000 Filialen. Seit jeher legt Coop-Schweiz bei der Belieferung seiner Filialen Wert darauf, soweit als möglich die Schiene zu nutzen. Nun hat die Firma sogar eine Bahngesellschaft namens Railcare gekauft. Diese spielt eine wichtige Rolle in der Konzernstrategie, Coop als ökologisch wirtschaftendes Unternehmen zu profilieren. Zudem kann das Unternehmen per Bahn den Dauerstaus auf den stark befahrenen Straßen zwischen den Ballungsräumen ausweichen.

    Die Züge von Railcare pendeln zwischen den großen Lagern und Verteilzentren von Coop-Schweiz, sofern die Entfernung mindestens an die hundert Kilometer beträgt. Die Waggons nehmen Lkw-Aufbauten, sogenannte Wechselbehälter, huckepack. Diese werden dann vom Zielbahnhof per LKW zur jeweiligen Filiale gebracht. Das rechnet sich, sagt Leo Ebneter von der Coop-Geschäftsleitung in Basel:

    "Railcare besitzt gegenüber der konventionellen Güterbahn sogenannte Kurzzüge. Die sind lediglich 250 Meter lang. Die haben 14 Wagen, und auf diesen 14 Wagen sind 28 Wechselbehälter, was einem Volumen von 28 Lastwagen entspricht. Und weil dieser Zug so kurz ist, und auch eine Geschwindigkeit von 120 Kilometern fahren kann, so kann er auch im Tagesverkehr zwischen den Personenzügen eingesetzt werden und ist so eigentlich sehr flexibel einsetzbar."

    Könnte so die Güterbahn der Zukunft aussehen? Mehr kleinteilige intelligente Lösungen, die sich schnell im bestehenden Netz verwirklichen lassen? Wäre das eine Alternative zu den aufwendigen Neubautrassen, die erst nach vielen Jahren fertiggestellt sind? Wie der Ausbau der sogenannten Rheinschiene in Südbaden um weitere Gleise.

    Ein Containerzug auf dem Weg von Köln – vorbei an Freiburg - nach Mailand. In ein paar Jahren wird er durch den neuen Gotthardtunnel rollen. Der ist möglich geworden, weil Bahn und Politik nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinweg, sondern mit ihr geplant haben. Und es gibt in der Schweiz einen breiten Grundkonsens, dass Güter auf die Schiene gehören. Auch regionale Empfindsamkeiten mussten berücksichtigt werden. Das Wallis hätte dem Gotthard-Basistunnel die Zustimmung verweigert, wenn es nicht den Lötschbergtunnel als neue Eisenbahnverbindung mit dem Berner Oberland bekommen hätte. Moritz Leuenberger, bis vor Kurzem Verkehrs- und Umweltminister der Eidgenossen:

    "Die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben den Mut zu diesem Tunnel bezeugt. Sie haben ja gesagt zur Finanzierung, nämlich ja zu einem Fonds und ja zur Schwerverkehrsabgabe von Lastwagen, die ihn speist. Sie haben ja gesagt zum Abkommen mit der Europäischen Union. Der heutige Tag beweist, wie nachhaltig, wie konsequent, wie effizient unsere direkte Demokratie ist."