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Der Magier des Orchesters

Der Hummelflug, das Spanische Capriccio und die Scheherazade zählen zu seinen bekanntesten Werke. Doch er hat sehr viel mehr geschrieben: zahlreiche Opern, drei Sinfonien, mehrere sinfonische Dichtungen und Lieder. Mit den Werken wollte Nikolai Rimski-Korsakow zur Entstehung einer eigenen russischen Musik beitragen. Heute vor 100 Jahren starb der russische Komponist.

Von Renate Hellwig-Unruh | 21.06.2008
    Das Programm, das mir bei Scheherazade vorschwebte, waren einzelne, nicht miteinander verbundene Episoden und Bilder aus Tausendundeine Nacht. Als verbindender Faden dienten mir die kurzen Einleitungen, die für Violine solo geschrieben sind und gewissermaßen die Scheherazade selbst darstellen.

    Die Welt des Märchens übte zeitlebens einen unwiderstehlichen Reiz auf den russischen Komponisten Nikolai Rimski-Korsakow aus, und wie ein roter Faden zieht sich auch seine Vorliebe für die russische und orientalische Volksmusik durch sein Schaffen. Er wurde zum Vertreter einer nationalen Schule, die sich im Gegenzug zu der westlich geprägten Richtung um Peter Tschaikowski gebildet hatte.

    Rimski-Korsakow wird am 18. März 1844 in Tichwin, in der Nähe von Sankt Petersburg geboren. Nach seiner Ausbildung schlägt er zuerst eine militärische Karriere ein, doch bestärkt durch den Komponisten Mili Balakirew wendet er sich bald ausschließlich der Komposition zu. Gemeinsam mit Modest Mussorgski, Cesar Cui, und Alexander Borodin schließen sich die Künstler zu der "Gruppe der Fünf" zusammen, auch genannt das "Mächtige Häuflein". Ihr Ziel: die Erschaffung einer russisch geprägten nationalen Musik.
    Sie werden es nicht glauben, welch gewaltigen erzieherischen Einfluss der junge energische Balakirew auf uns alle ausübte, als er gerade aus dem Kaukasus zurückgekehrt war und uns die von ihm dort vernommenen orientalischen Weisen vorspielte. Diese neuen Klänge waren damals für uns eine Art Offenbarung,

    berichtet Rimski-Korsakow später einem jungen befreundeten Komponisten. Als der 28-Jährige dann eine Professur am Petersburger Musikkonservatorium erhält, äußert er sich selbstkritisch in seinen Erinnerungen "Chronik meines musikalischen Lebens":

    Wenn ich wenigstens ein paar Kenntnisse gehabt hätte, wenn ich wenigstens ein bisschen mehr gewusst hätte. Doch ich, der Komponist des Sadko, des Antar und des Mädchens von Pskow, war eben ein Dilettant und wusste gar nichts.

    Dank harter Arbeit ist Rimski-Korsakow aber bald in der Lage, Lehrbücher über Instrumentation und Harmonielehre zu verfassen; Werke, auf die nach ihm noch viele Generationen von jungen Komponisten zurückgreifen werden.

    Sein sinnlicher, flirrender Orchesterklang hat ihm den Beinamen "Magier des Orchesters" eingebracht. Doch anfangs lässt der durchschlagende Erfolg noch auf sich warten. Erst die Zusammenarbeit mit dem privaten Opernimpresario Sawwa Mamontow aus Moskau, macht Rimski-Korsakow zu einem erfolgreichen Komponisten. Mamontows Truppe bringt viele seiner Opern wie "Sadko", "Das Märchen vom Zaren Saltan", "Die Zarenbraut" und "Mozart und Salieri" auf die Bühne. Mit 62 Jahren, nach 14 Opern, drei Sinfonien, mehreren sinfonischen Dichtungen, Kammermusikwerken und zahlreichen Liedern und Romanzen, fasst Rimski-Korsakow einen Entschluss:

    Was das Komponieren angeht, so scheint mir, ist es jetzt an der Zeit, einen Schlusspunkt zu setzen. Besser rechtzeitig aufhören, als Zeuge des eigenen Niedergangs zu werden.

    Doch noch einmal sammelt er alle Kräfte und komponiert ein letztes Meisterwerk: die Märchenoper "Der goldene Hahn".

    Damit König Dodon und sein Hofstaat dem Müßiggang frönen können, erhalten sie einen goldenen Hahn, der jedes Mal dann kräht, wenn dem Königreich Gefahr droht. Mit bissigem Spott werden hier die russischen Machthaber und ihre Berater entlarvt. Die Oper kann deshalb zunächst nicht aufgeführt werden, erst nach dem Tod des Komponisten am 21. Juni 1908 kommt sie in Moskau mit großem Erfolg auf die Bühne.

    Nikolai Rimski-Korsakow hat mit diesem Werk dem modernen Musiktheater neue Wege eröffnet. Und von seiner farbigen Orchesterpalette haben sich Komponisten wie Sergej Prokofiew, Dmitrij Schostakowitsch und Igor Strawinski inspirieren lassen.