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"Der Maulwurf“ von René Sydow & Daniel Hedfeld
Mediensatire als Kabaretttheater

Der Drehbuchautor Daniel Hedfeld und der Kabarettist René Sydow haben das Stück "Der Maulwurf – Wühlkommen in den Verhältnissen" exklusiv für das Renitenztheater verfasst. Es verbindet Kabarett und Theater auf spannende Weise und bringt eine neue Farbe ins Programm.

Von Helga Spannhake | 09.12.2016
    Szene aus einer Theaterprobe zum Stück "Der Maulwurf" im Renitenztheater Stuttgart.
    Szene aus einer Theaterprobe zum Stück "Der Maulwurf" im Renitenztheater Stuttgart. (Ferdinando Iannone)
    Das Kellergeschoss einer imaginären Zeitung namens "Fakt", zwei Schreibtische auf der Bühne - hier sitzen die Redakteure Mark und Willi. Sie haben ihre liebe Not mit sekündlich eintreffenden Online-Kommentaren, aber auch mit ihrer Chefin Nadine:
    "Okay, Nadine, hier hat jemand etwas offensichtlich Satirisches geschrieben und wir wissen nicht, ob wir es stehen lassen sollen. Irgendwas über Sex mit Ziegen? Nein, nichts über Erdogan."
    Nicht gerade taufrisch diese Pointe am Anfang. Ohnehin beginnt "Der Maulwurf" etwas träge:
    "Was machst du da? Ich liebe AfD Kommentare. Da kann man jeden ungelesen löschen. Alles Arschloch-Kommentare - guck mal, sogar blind. Aber das ist doch genau das, was sie uns Presseleuten vorwerfen, dass wir sie nicht ernst nehmen, dass wir sie in ihrer Meinung unterdrücken. Hass ist doch keine Meinung."
    Substanz im Vakuum des Internets
    Dietrich, der neue Kollege wirkt allerdings verdächtig, soll er Mark und Willi bespitzeln? – Denn ein gewisser "Fakt 42" jedenfalls schreibt Klartext:
    "Wieso sollte der sich hinter einem Avatar verstecken und online irgendwelche Kommentare posten – ja, weil er gefeuert wurde, weil die Zeitung, für die er gearbeitet hat, an die er geglaubt hat zu einer ja lausigen Online-Gazette verkommen ist. Er will mit seinen Kommentaren als Fakt 42 beweisen, dass im Vakuum des Internets Substanz möglich ist."
    "Der Maulwurf" versteht sich als Mediensatire. Es geht um unsere moderne Kommunikation, so Regisseur Hans Holzbecher:
    "Wie kommunizieren wir das, was wir erleben und welche Rolle spielen dabei Fakten, welche Rolle Gefühle? Und wie gehen wir mit diesem Kommentierwahnsinn um und wie bilden sich unsere Urteile? Gibt es überhaupt noch so etwas wie einen öffentlichen oder politischen Raum, und wenn ja, wie entsteht der? Entsteht der durch so etwas wie rationalen Diskurs, wenn man dieses Wort überhaupt noch in den Mund nehmen darf heutzutage oder eben durch das Aufbrausen und Aufschäumen irgendwelcher Gefühle, die heute so sind und morgen so."
    Dramaturgisches Potenzial
    Der satirische, rote Faden:
    "Was ist der Unterschied zwischen einer schnellen Meinung und einer richtigen Haltung, die man entwickelt aus Erfahrung, aus Recherche."
    So René Sydow, der zusammen mit Daniel Hedfeld diese turbulente Geschichte erdacht hat:
    "Der Maulwurf, das ist ja so ein klassisches Krimithema, womit man immer eine Story in Gang kriegt und da merkten wir, okay da funktioniert was, damit kann man dramaturgisch was machen."
    Und sie hatten beim Schreiben auch den Anspruch, den unterhaltsamen Spagat zu schaffen zwischen einem Kabarettprogramm und einem Theaterabend mit Songs und melodramatischen Momenten.
    "Es soll eine Handlung haben, es soll eine Spannung aufgebaut werden. Man soll es als Stück sehen und nicht als Nummernrevue, was ja oftmals bei so Kabarettstücken ist."
    Unterhaltung zum Nachdenken
    Doch das gelingt nicht immer. Zu oft wird die Bühnenhandlung unterbrochen, indem sich die Schauspieler mit philosophisch anmutenden Analysen zum Publikum wenden. Auch wenn die bestes Kabarett sind, so nimmt es doch den Schwung aus dem Theaterstück. Dennoch bietet "Der Maulwurf" einen Nachdenkens wert-unterhaltsamen Abend, gespielt von einem ausgezeichneten Ensemble:
    "Was macht der Mark, der Mark entwickelt eine App, die dir den direkten Blick aus dem Fenster zeigt. Ne, das ist ja abgefahren, he Moment, das ist cool."