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Der Mythos der Unbedienbarkeit

Auch wenn es zuletzt ganz einfach war, eine Sendung auf Kassette zu bannen - Videorekorder galten immer als Paradebeispiel für Unbedienbarkeit. Seit langem arbeiten Informatiker an der Verbesserung der Mensch-Maschine-Schnittstelle. In der vergangenen Woche kamen die Fachleute im japanischen Aizu, in Tokio und in Düsseldorf zu einer vernetzten Konferenz zum Thema zusammen.

Von Thomas Reintjes | 15.12.2007
    Computer sollten sich an den Menschen anpassen und nicht umgekehrt. Dass war das Credo der Konferenz in Düsseldorf und Japan. Doch jeden Tag entwickeln Ingenieure Geräte, die schlecht oder gar nicht bedienbar sind. Und trotzdem werden die Geräte gekauft. Ein Dilemma, das auch Markus Dahm bei seinen Forschungen festgestellt hat. Er hat als Professor an der Fachhochschule Düsseldorf untersucht, was Käufern an MP3-Playern wichtig ist:

    "Da haben die Leute gesagt: Das Wichtigste ist die Mobilität, sprich Akkulaufzeit. Und Speichergröße. Und als nächstes, mit ungefähr 80 Prozent Wichtigkeit, war Usability, Gebrauchstauglichkeit, einfach zu benutzen. Ja, das ist aber nicht das, wonach die Leute kaufen. Die Leute kaufen nach Hersteller, nach Coolness. Das heißt, man kann die Leute lange fragen, aber die Antworten, die man kriegt, die decken sich dann nicht mit dem Verhalten."

    Gekauft wird also nicht das beste Gerät, sondern das, das gerade angesagt ist. Der Widerspruch zwischen Worten und Wirklichkeit geht sogar noch weiter und tiefer:

    "Bei designorientierten und, um es mal so auszudrücken, freudeorientierten Gestaltungen ist es so, dass man das gerne anfasst und dass es cool aussieht, und das bedeutet: Man sieht erstmal nichts. Ich muss wissen, wie es funktioniert. Das ist aber dann dummerweise ein Widerspruch genau zu der Werbung. Die Werbung sagt, es ist intuitiv zu benutzen. Und intuitiv heißt, gucken wir im Lexikon nach, man muss nicht nachdenken."

    Die Fachleute auf der Konferenz in Düsseldorf und Japan lassen solche Studienergebnisse aber nicht verzweifeln. Sie sind davon überzeugt, dass Gebrauchstauglichkeit auf lange Sicht gewinnt. Und so arbeiten sie unermüdlich an Produkten, die den menschlichen Bedürfnissen entgegenkommen. Roboter, die Gefühle in Worten oder Songs erkennen können oder bessere elektronische Stifte. Was einfach klingt, entpuppt sich dabei oft als riesige Herausforderung. Das hat Stefan Schulz erlebt. Er arbeitet daran, ein Musikwiedergabegerät, also einen MP3-Player im Auto mit der Stimme zu steuern. Und der MP3-Player soll dabei eine Rückmeldung geben. Aber nicht wie üblich auf dem Minibildschirm im Armaturenbrett, sondern akustisch:

    Ihre Suche nach Led Zeppelin ergab zwei Treffer.

    "Wenn man mit Sprachprompts etwas in einem Sprachdialog sagt, verliert man sehr viel Zeit, weil man lange Sätze formulieren muss, um dem Nutzer etwas mitzuteilen. Manchmal ist eine Information dafür aber einfach zu unwichtig. Und dann möchte man eine Möglichkeit haben, dem Nutzer aber trotzdem irgendwie diese Information zugänglich zu machen."

    Das haben Schulz und seine Kollegen mit akustischen Signalen versucht, statt mit gesprochenem Wort. Beim Durchsuchen der Musiksammlung etwa sollte ein Geräusch symbolisieren, dass die Software einen eindeutigen Treffer gefunden hat, ein anderes, dass die Suche kein eindeutiges Ergebnis brachte. Ein weiteres Signal sollte etwa aussagen, dass die Trefferliste aus mehreren Seiten besteht. Die Wirkung haben die Forscher an Probanden getestet.

    "Was mich überrascht hat, dass das ganze Integrieren von Tönen in so ein System viel, viel umfangreicher und viel, viel schwieriger ist als wir uns das vorgestellt haben. Und dass da noch so viel Arbeit notwendig ist. Das hat uns wirklich überrascht und wir waren wirklich ein wenig geschockt über die schlechten Ergebnisse."

    Die Test-Nutzer hatten einfach nicht verstanden, wofür die einzelnen Töne stehen sollten. Gerade im Auto ist es aber wichtig, dass die Töne intuitiv sind, von jedem verstanden werden. Ein Signal bei der mp3-Steuerung darf der Fahrer auf keinen Fall als Warnmeldung für die Straßensituation missverstehen. Dass es Töne gibt, die jeder versteht, da ist sich Schulz sicher. Aber die Töne dürfen gleichzeitig nicht so plakativ sein, dass sie als Fremdkörper wahrgenommen werden. Auf der Suche nach benutzerfreundlichen Tönen wollen die Forscher jetzt mit Musikhochschulen zusammenarbeiten. Solche fachübergreifenden Kooperationen sind nötig, um ein Produkt benutzerfreundlich werden zu lassen. Das sagt Guido Kühn, der für Electronic Arts an der Verbesserung der Kommunikation bei Videokonferenzen arbeitet:

    "Wenn wir als Informatiker einmal wirklich verstanden haben, was Kommunikation bedeutet und wie Kommunikation funktioniert, dann sind wir auch in der Lage, benutzbare Systeme zu schaffen. Und deshalb dürfen wir uns nicht nur mit der Informatik beschäftigen, sondern eigentlich auch viel mehr mit den Menschen. Was wir zum Beispiel mit der Kommunikation gemacht haben. Wir mussten da sehr tief in der Kommunikationstheorie graben, wo andere dann schon gesagt haben: Ja, das ist doch nicht Informatik! Nein, aber wenn wir Systeme schaffen wollen, dann brauchen wir das."

    Auf der Mensch-Maschine-Konferenz selbst spielten dagegen ganz andere menschliche Bedürfnisse eine Rolle. Dass nicht alle Vorträge aus Deutschland und Japan in das jeweils andere Land übertragen werden konnten, hatte eine sehr benutzerunfreundliche Ursache: Die Zeitverschiebung.