Freitag, 19. April 2024

Archiv


Der Nano-Kernspin

Die Schärfe von Bildern, die Kernspintomografen vom Körperinneren liefern, ist bislang beschränkt. Das könnte sich jetzt ändern: Gleich zwei Forscherteams präsentieren ein neuartiges Kernspinverfahren, das Bilder mit Nanometer-Auflösung verspricht.

Von Frank Grotelüschen | 04.02.2013
    Eine Routineuntersuchung im Krankenhaus. Der Patient liegt in einer Röhre, mit lautem Getöse nimmt sie ein 3D-Bild aus dem Körperinneren auf. Das Gerät ist ein Kernspintomograf. Und der funktioniert vereinfacht gesagt so:

    "Ein Kernspintomograf ist im Grunde ein Gerät, das eine Magnetfeld-Karte des menschlichen Körpers erstellt",

    sagt Friedemann Reinhard, Physiker an der Universität Stuttgart.

    "Wasserstoff ist leicht magnetisch, und man kann über dieses Magnetfeld die Verteilung von Wasserstoff im menschlichen Körper nachweisen."

    Letztlich misst der Tomograf also die Wasserverteilung in den Organen und kann sie dadurch dreidimensional und ohne Belastung durch Röntgenstrahlen abbilden. Die Bildauflösung aber hält sich in Grenzen: Krankenhaus-Tomografen liefern Bilder mit Millimeterauflösung. Geräte, die für die Forschung entwickelt werden, besitzen deutlich kleinere Messsonden in Form von Magnetspulen und schaffen dadurch immerhin eine Auflösung von Mikrometern.

    "Dort stößt man dann aber an eine Grenze. Es ist sehr schwierig, Spulen zu wickeln, mit denen man in den Nanometerbereich vorstoßen kann. Und genau da kommt unsere Technik ins Spiel."

    Statt wie gewohnt aus Draht eine Magnetspule zu wickeln, ließen sich Reinhard und seine Leute etwas anderes einfallen.

    "Wir verwenden einen neuen Magnetfeldsensor, der im Grunde aus einem einzelnen Atom besteht."

    Basis des Sensors ist ein Diamant. Ihn beschießen die Physiker mit Stickstoff. Wie Gewehrkugeln dringen einzelne Stickstoffatome in den Diamanten ein, bleiben dicht unter der Oberfläche stecken und kicken zudem ein Kohlenstoffatom aus dem Kristallgitter heraus. Im Kristall entsteht eine sogenannte Fehlstelle.

    "Diese Fehlstelle leuchtet rot. Es ist auch diese Fehlstelle, die roten Schmuckdiamanten ihre Farbe verleiht. Interessanterweise kann man jede einzelne dieser Fehlstellen als Magnetfeldsensor verwenden. Das ist der wahrscheinlich kleinste Magnetfeldsensor, den wir heute überhaupt kennen. Und der macht es möglich, dass wir bis auf Nanometer an Proben herankommen und ihre Kernspin-Signale sehen können."

    Als Probe diente den Forschern eine feine Ölschicht auf dem Diamanten. Diesen beleuchteten sie mit Mikrowellen und Laserlicht, und das brachte die Fehlstelle im Diamanten zum Leuchten. Anhand der Leuchtstärke ließ sich dann ablesen, wie groß das Magnetfeld der Atomkerne im Ölfilm war, und zwar mit Nanometer-Auflösung. Die Machbarkeit des neuen Verfahrens ist damit zwar demonstriert. Aber richtige Bilder konnte Reinhard bislang noch nicht aufzeichnen. Dafür fehlt noch ein Schritt.

    "Man kann sagen: Das Resultat, dass wir jetzt veröffentlicht haben, ist das erste Pixel eines Kernspinbildes. Der nächste Schritt ist jetzt, das zu einem Bild zusammenzusetzen."

    Dazu wollen die Forscher ihren Diamantsensor auf die Spitze eines Nano-Manipulators kleben. Dieser Manipulator soll dann die Proben abscannen wie eine Plattenspielernadel die Rille im Vinyl. Bis das gelingt, dürften zwar noch einige Jahre vergehen. Doch dann könnten zum Beispiel Biologen von dem neuen Kernspin-Verfahren profitieren, meint Reinhard.

    "Meine große Hoffnung ist, dass wir mit dieser Technik eines Tages einzelne Biomoleküle, Proteine zum Beispiel, abbilden und dreidimensional vermessen können. Ein prominentes Beispiel ist das Prion, was im Verdacht steht, den Rinderwahnsinn auszulösen. Von der pathogenen Form dieses Moleküls kennen wir die Struktur nicht. Diese Lücke könnte unsere Methode vielleicht schließen."

    Und damit womöglich die Grundlage schaffen für wirksamere Medikamente. Auch für die Materialforschung verspricht das Verfahren neue Einblicke, etwa bei der Oberflächenanalyse von Werkstoffen. Ob sich die Methode dann irgendwann auch im Krankenhausalltag wiederfindet, ist zwar noch nicht absehbar. Eines aber wäre immerhin klar:

    Einen so fiesen Krach wie die heutigen Röhren würde der Nano-Tomograf nicht veranstalten. Er nämlich arbeitet im Prinzip völlig lautlos.