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Der Naturforscher Julius Sachs
Den Funktionen der Pflanzen auf der Spur

Vor 150 Jahren beendete der deutsche Botaniker Julius Sachs sein Handbuch der Experimentalphysiologie der Pflanzen. Damit legte er den Grundstein für eine neue Wissenschaft: die Pflanzenphysiologie. Seine Nachfolger versuchen seitdem, mit immer neuen Experimenten die Funktionsweise von Pflanzen zu verstehen.

Von Michael Lange | 08.10.2015
    Ein vierblättriges Kleeblatt soll Glück bringen
    Ein vierblättriges Kleeblatt. Wie Pflanzen funktionieren, zeigte der Naturforscher Julius Sachs. (dpa / pa / Erwin Elsner)
    Im 19. Jahrhundert kam die Botanik in Mode. Viele Gelehrte zog es hinaus in die Natur. Sie sammelten seltene Pflanzen in speziell konstruierten "Botanisiertrommeln", um sie zu trocknen, zu bestimmen und dann in Herbarien zu konservieren. Dem jungen Botaniker Julius Sachs aber reichten Sammeln und Betrachten allein irgendwann nicht mehr aus.
    "Er hat die Pflanzen aus einem neuen Winkel angeschaut. Vorher waren die Botaniker nur Systematiker. Er hat die Physiologie hereingebracht. Und das war eigentlich vorher nur bei der Medizin." Frantisek Baluska vom Institut für Zelluläre und Molekulare Botanik der Universität Bonn will als Pflanzenphysiologe die Funktionsweise von Pflanzen verstehen. Die Grundlagen dazu legte Julius Sachs mit seinem Standardwerk:
    "Handbuch der Experimentalphysiologie der Pflanzen: Untersuchungen über die allgemeinsten Lebensbedingungen der Pflanzen und die Functionen ihrer Organe."
    "Das Buch war sehr gut geschrieben, man konnte es gut verstehen. Und das Buch wurde auch sofort in die englische Sprache übersetzt und dadurch war Sachs sehr schnell sehr berühmt geworden."
    Julius Sachs wurde 1832 in Breslau geboren und wuchs als siebtes Kind einer Kupferstecher-Familie auf. Als er im Alter von 17 Jahren Vater und Mutter verlor, wollte er seine Heimat verlassen und Seemann werden. Aber der damals bereits bekannte Naturforscher Jan Evangelista Purkinje, dessen Kinder mit Sachs zur Schule gegangen waren, riet ihm ab und nahm ihn mit als Assistenten und Zeichner an die Universität Prag.
    Mit 28 Jahren war Julius Sachs bereits Professor der Botanik und ging als Dozent nach Bonn an die Landwirtschaftliche Akademie Poppelsdorf. Fünf Jahre schrieb er dort an seinem "Handbuch der Experimentalphysiologie", bis er am 8. Oktober 1865 schließlich seine Arbeit beenden konnte. "In diesem ersten Buch hat er sich viel mit Wurzeln beschäftigt. Er hat die Wurzel als Hauptaufnahmeorgan für Wasser und Mineralstoffaufnahmen, er hat die Wurzelhaare untersucht. Er hat sogar die Interaktion zwischen Wurzelhaaren und Bodenpartikeln experimentell behandelt. Für mich ist dieses Buch ganz, ganz wichtig."
    Unter anderem beschreibt Sachs seine Experimente mit der von ihm entwickelten "Wasserkultur", heute als "Hydrokultur" bezeichnet. Die Wurzeln schwimmen dabei frei im Wasser. Durch die Messung der Salzgehalte im Wasser konnte Julius Sachs bestimmen, welche Substanzen die Wurzel aufgenommen und welche sie abgegeben hatte.
    Stärke als Produkt der Photosynthese entdeckt
    Sein bekanntestes Experiment ist die sogenannte Jod-Probe. Dabei träufelt der Experimentator eine Jodlösung auf ein Blatt. Damit lässt sich Stärke im Innern der Blätter nachweisen, erklärt der Botanik-Professor Michael Melkonian von der Universität zu Köln: "Man präpariert das Blatt, und dann gibt es einen blauen Komplex, weil sich diese Jod-Kristalle in die Stärkemoleküle einlagern. Und diesen blauen Komplex kann man dann mit dem Mikroskop sichtbar machen."
    Julius Sachs konnte zeigen: Immer wenn Licht auf das Blatt trifft, bildet sich neue Stärke. Im Dunkeln verschwindet sie wieder. So wies er nach, dass Stärke als Produkt der Photosynthese entsteht, der Energiegewinnung aus dem Sonnenlicht. Das Experiment machte die Leistung der Pflanzen messbar und half, die Photosynthese weiter zu erforschen. "Zum Beispiel kann man ein Blatt teilen und kann eine Hälfte belichten, die andere Hälfte abdecken und nur dort, wo das Licht hinkommt, kann er die Stärke nachweisen. Assimilation - also die Bildung von Kohlenhydraten, insbesondere eben Stärke - das hat er in Zusammenhang gebracht mit dem Chlorophyll, dem Blattfarbstoff, dem Licht und dem Kohlendioxid. Und das ist sicherlich eine der vielen fundamentalen Leistungen von Julius Sachs."
    Drei Jahre nachdem sein Buch veröffentlicht wurde, ging Julius Sachs als Professor an die Universität Würzburg. Dort forschte und lehrte er mehr als 30 Jahre, erhielt viele Ehrungen und wurde sogar geadelt. Ein Bild aus dieser Zeit zeigt ihn als würdigen Herrn mit Vollbart und strengem Blick.
    Vergessen wird oft, dass er Pflanzen nicht nur im Labor studierte, sondern gerne hinaus in die Natur ging – als überzeugter Natur- und Artenschützer. "Mir ist es immer merkwürdig vorgekommen, dass selbst Naturforscher die Ausrottung typischer Gestalten mit kühler Mine ansehen. Dadurch ist eine Lücke für alle Ewigkeit in der organischen Welt verursacht, und das ist doch wohl keine Kleinigkeit."