Hubert Schirneck erschrieb sich mit Kinderbüchern und Rundfunkgeschichten schon kleine Erfolge. Eine parabelhafte Geschichte von ihm beginnt sehr anschaulich: "Ich jubelte. Ich tanzte vor Freude. Ich war ein Glückspilz, von den Göttern begünstigt, von Schutzmännchen behutsam geführt. Ein Auftrag von höchster Stelle! Das hieß, ich würde so viel Geld bekommen, dass ich bis an mein fernes Ende von Sorgen befreit sein würde..." Darf man da noch an die DDR denken? Oder fallen einem aktuelle Sehnsüchte eines permanent unterbezahlten freien Autors ein? Es sind solche Irritationen, die den "Palmbaum" reizvoll machen.
Im Zentrum des neuen Heftes steht ein literarischer Kanon, den Detlef Ignasiak entworfen hat. Ignasiak erinnert auch an die stärkere Besinnung auf eigene Traditionen in Polen und Frankreich. Im Kontrast zu den englischsprechenden Staaten. Man könnte den Kanon als Versuch interpretieren, eine europäische Zukunft für die deutsche Literatur zu entwerfen. Mehrere der Palmbaum-Autoren standen und stehen Sozialismusgedanken nahe. Spannend wird es immer wieder im Heft, wenn eher links geprägte Autoren zu Gedanken und Positionen kommen, die man als aufgeklärtes konservatives Denken bezeichnen kann. Es spricht da eine auf ganz spezielle Weise verarbeitete DDR-Erfahrung. Das gilt wiederum besonders für den Kanon des Herausgebers und seine Begründungen. Zum Beispiel auch in seinem Verzicht auf literarische Zwischenformen. Neu dürfte das Selbstbewusstsein sein, mit dem solch ein Kanon präsentiert wird. Auf spektakuläre Effekte legt er keinen Wert. Die Solidität und die Bevorzugung älterer Literatur nimmt gegen zu rasch wechselnde Moden des Literaturbetriebs Stellung. Die Auswahl insgesamt scheint plausibel. Trotz des Verzichts auf die Lyriker Erich Arendt, Reiner Kunze und Ernst Meister. Wer im tiefen Westen gesamtdeutsche Verganenheit und ostdeutsche Gegenwart besser verstehen will, sollte zu diesem Gewächs aus Papier greifen. Und wer nur einige intelligente und manchmal unterhaltsame Texte lesen möchte, der auch.