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Der Papst in Ecuador
Anteilnahme und Anklage

Am zweiten Tag seiner Südamerika-Reise ist der Papst in der ecuadorianischen Stadt Guayaquil eingetroffen. Die Menschen seines Heimatkontinents erwarten von Franziskus wichtige Botschaften. Kaum gelandet, sprach dieser bereits von der "großen Schuld ganz Lateinamerikas".

Von Tilmann Kleinjung | 06.07.2015
    Papst Franziskus bei der Ankunft auf dem Flughafen von Quito
    Papst Franziskus bei der Ankunft auf dem Flughafen von Quito (AFP / RODRIGO BUENDIA)
    Papst Franziskus bleibt sich treu. Als er am frühen Morgen in Richtung Guayaquil aufbricht, besteigt er das mit Abstand bescheidenste Auto der Wagenkolonne, die ihn zum Flughafen bringt. Ein silbergrauer Fiat. Das Fenster geöffnet. Ein Papst zum Anfassen.
    "Wir lieben ihn sehr, wegen seiner Heiligkeit, seiner Bescheidenheit. Er ist charismatisch, ein Heiliger, der uns besucht."
    Die Begeisterung für den Papst kennt keine Grenzen. Tausende Jugendliche harrten gestern Nacht vor der Vatikanbotschaft in Quito aus, wo Franziskus übernachtet, haben seinen Namen skandiert und Lieder gesungen.
    Irgendwann ist der Papst dann herausgekommen, hat mit den Jugendlichen gebetet und sie aufgefordert, wieder nach Hause zu gehen, damit die "Nachbarn schlafen können".
    Vermutlich war Franziskus auch um seine Nachtruhe besorgt. Es ist die längste Reise dieses Pontifikats. Für den 78-Jährigen, der nur einen intakten Lungenflügel besitzt, sind vor allem die Besuche in den hochgelegenen Andenstädten wie Quito und LaPaz besonders anstrengend.
    "Liebe Freunde, ich beginne voll Vorfreude und Erwartung die Tage, die vor uns liegen. In Ecuador befindet sich der Punkt, der dem Himmel am nächsten ist: Es ist der Chimborazo, den man deshalb den Ort nennt, der der Sonne, dem Mond und den Sternen am nächsten liegt."
    Mehr als nur symbolischer Wert
    Der 6.300 Meter hohe Gipfel des Vulkans Chimborazo ist wegen seiner Nähe zum Äquator der Punkt auf der Erde, der der Sonne am nächsten kommt. "Wir Christen vergleichen Jesus Christus mit der Sonne und den Mond mit der Kirche", sagte der Papst bei seiner Ankunft in Ecuador: "Wenn die Kirche sich von Jesus Christus trennt oder sich vor ihm versteckt, wird sie dunkel und hat keine Botschaft mehr."
    Auch von Franziskus werden bei dieser Reise wichtige Botschaften erwartet. Kaum war er gelandet, sprach er bereits von der "großen Schuld ganz Lateinamerikas" und bezog sich dabei auf die Unterdrückung indigener Völker und die soziale Ungleichheit auf dem Kontinent. Ecuador ist, wenn man so will, ein südamerikanischer Tigerstaat, mit Wachstumsraten von fünf Prozent. Doch der wachsende Wohlstand ist ungleich verteilt. In Ecuador kontrollieren zwei Prozent der Familien 90 Prozent der Unternehmen. Guzmán Carriquiri, Sekretär der päpstlichen Kommission für Lateinamerika, sieht hier auch die Kirche in der Pflicht.
    "Die Kirchen müssen sich auf das Wesentliche des Evangeliums konzentrieren, missionarisch sein, nach draußen gehen, niemanden ausschließen. Die Kirche muss voller Mitleid und Zärtlichkeit sein, voller Liebe für die Armen."
    Die Visite des Papstes hat dabei mehr als nur symbolischen Wert. Die geplanten Besuche von Franziskus in einem Altenheim in Quito, in einem Großgefängnis in Bolivien und einem Slum in Paraguay sind deutliche Zeichen der Anteilnahme und Anklage.