Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Der Poet der Physik

John Archibald Wheeler schuf Bezeichnungen wie "Schwarzes Loch", "Wurmloch" und "Glatzentheorem". Der vor 100 Jahren geborene Physiker war einer kreativsten Köpfe seines Fachs im 20. Jahrhundert.

Von Anke Wilde | 09.07.2011
    "Oh Spacetime, child that you are of time
    And of innocent emptiness of space
    You are both stage and actor
    In the great drama
    Of all that was and is
    And ever shall be"


    "Oh Raumzeit, Kind, das du der Zeit bist
    und der unschuldigen Leere des Raums ..."


    So dichtet John Archibald Wheeler in seinem Buch "Gravitation und Raumzeit" aus dem Jahr 1991. Wheeler, der Poet der Physik. Zumindest verdankt die theoretische Physik des 20. Jahrhunderts einem ihrer herausragendsten Vertreter griffige Bezeichnungen wie: Quantenschaum. Wurmloch. Und am bekanntesten: das kleine, extrem massereiche und sogar Licht verschluckende Überbleibsel eines explodierten Sternes – das sogenannte Schwarze Loch.

    "Nun, wenn man sechs mal von 'vollständig kollabierten Objekten' spricht, dann sucht man nach einer Abkürzung.”"

    Geboren wurde John Archibald Wheeler am 9. Juli 1911 in Jacksonville im US-Bundesstaat Florida. Seine Eltern waren beide Bibliothekare und förderten das naturwissenschaftliche Talent ihres Erstgeborenen. Bereits mit 15 schloss er die Schule ab und immatrikulierte sich an der John Hopkins Universität in Baltimore.

    Dort erwarb er mit nur 21 Jahren den Doktortitel. 1934 ging er für ein Jahr nach Kopenhagen, um mit Niels Bohr, einem der Pioniere der Quantenforschung, zusammenzuarbeiten. Die Arbeit mit Bohr markiert einen Wendepunkt im Denken von Wheeler. Donald Salisbury, Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte:

    ""Bevor er mit Bohr gearbeitet hatte, da hat er nicht so viel darüber nachgedacht, was das alles philosophisch bedeutet hatte. Bei Bohr waren diese philosophischen Fragen wichtig. Also, was bedeutet die Quantenmechanik und wie könnte man die Begriffe der Quantenmechanik mit der allgemeinen Relativitätstheorie in Zusammenhang bringen."

    1935 zog Wheeler mit seiner Frau nach Chapel Hill, wo er an der University of North Carolina seinen ersten Lehrauftrag hatte.
    Wheeler war überzeugt, dass sich alle physikalischen Probleme durch Erforschung der Materie und ihrer Teilchen lösen ließen.

    Elektromagnetische Felder und Gravitationsfelder waren für ihn zunächst nur Auswirkungen der Teilchen. In dieser Zeit befasste er sich mit Quantenphysik und erforschte mit Niels Bohr und Enrico Fermi die Kernspaltung.

    1938 ging Wheeler an die Princeton University, wo er fast 40 Jahre lehrte. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er zusammen mit anderen Wissenschaftlern am sogenannten Manhattan-Projekt zum Bau der Atombombe. Dabei war er an der Entwicklung von Plutonium-Brutreaktoren beteiligt. Anders als viele Kollegen bereute er seine Mitarbeit nicht, im Gegenteil:

    "Es war einer der größten Fehler meines Lebens, nicht sofort dazugestoßen zu sein, um die Uransache und den Bau von Waffen voranzutreiben.”"

    Auch das Matterhorn-Projekt zum Bau der Wasserstoffbombe trieb er in den frühen 50er-Jahren aus Überzeugung voran.

    ""Das war gegen die Bedrohung von Kommunismus. Und er war fast allein in dieser Überzeugung, besonders an der Princeton University."

    In dieser Zeit wandte sich Wheeler auch der allgemeinen Relativitätstheorie zu.

    "Am Anfang dachte er, dass die Welt aus Teilchen gemacht war, und dann ist er in den 50er-Jahren überzeugt, dass die Geometrie und Felder die echten Baustoffe der Welt waren."

    In der Folge entwickelte Wheeler das Konzept der Geometrodynamik. Damit wollte er die Eigenschaften von Elementarteilchen – das Forschungsfeld der Quantenphysik – ebenso erklären wie die Wechselwirkungen im Universum, welche die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt. Bis zu seinem Tod am 13. April 2008 beschäftigte Wheeler sich mit Fragen der theoretischen Physik. Um eine Theorie, welche Quantenphysik und Relativitätstheorie unter einem Dach vereint, ringt die Physik noch heute.