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Der Präsidentschaftskandidat Trump
"Er ist ein klassischer Populist, der sich nach Stimmungen richtet"

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump sei im Grunde nicht beratbar, sagte Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies im DLF. Er richte sich sehr stark nach Stimmungen und weiche immer wieder von den Strategien seiner Berater ab. Was die Leute an ihm besonders irritiere, sei seine Unberechenbarkeit.

Martin Thunert im Gespräch mit Kathrin Hondl | 04.09.2016
    US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump bei seinem Wahlkampfauftritt in Phoenix, Arizona.
    US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump bei seinem Wahlkampfauftritt in Phoenix, Arizona. (EFE)
    Kathrin Hondl: Laut und launisch – rassistisch und radikal - der Präsidentschaftskandidat der amerikanischen Republikaner Donald Trump hat in den vergangenen Tagen sein erratisch-schrilles Image wieder einmal bestätigt: Erst reiste er nach Mexiko – verhältnismäßig maßvolle Worte waren da zu vernehmen von Trump, der Mexikaner ja schon einmal pauschal als Vergewaltiger bezeichnet hatte: Mexikaner seien "ehrliche Leute, die jedermanns Respekt verdienen" hieß es da nun – der von ihm geforderte Bau einer Mauer entlang der gemeinsamen Grenze sei erst einmal kein Thema. So Trump bei seiner Pressekonferenz in Mexiko. Kurz danach – bei einer Wahlkampfrede in Phoenix Arizona klang Trump dann wieder wie gewohnt: "Wir werden eine großartige Mauer an unserer Südgrenze bauen", rief er da in die Menge. "Und Mexiko wird die Mauer bezahlen. Zu hundert Prozent." Gestern dann wieder der Wechsel zu versöhnlichen Tönen. Da sprach Trump in Detroit vor Afroamerikanern und beteuerte, er sei gekommen, um zuzuhören.
    Martin Thunert ist Politikwissenschaftler am Heidelberg Center for American Studies. Wieder einmal steht nach den Auftritten in Mexiko, Phoenix und Detroit also die Glaubwürdigkeit von Donald Trump infrage – lässt sich denn überhaupt noch in ein paar Worten sagen, wofür der Kandidat Donald Trump überhaupt steht?
    "Trump steht für einen ziemlich klaren Nationalismus"
    Martin Thunert: Ja, ich glaube, das lässt sich schon sagen. Er steht für einen ziemlich klaren Nationalismus. Amerika zuerst, das ist seine Parole, und das dekliniert er in allen Politikfeldern durch, so eben auch in der Einwanderungspolitik. Ich denke, das Hauptproblem von Trump ist, dass er seit den Parteitagen Ende Juli im Grunde nicht auf den Modus für den Hauptwahlkampf umgeschaltet hat. Es hat immer wieder die Anzeichen, dass er das tut, bei seiner Außenpolitik-Rede jetzt auch wieder in Mexiko City zusammen mit dem mexikanischen Präsidenten. Da war er der Staatsmann, der Diplomat. Aber sobald er dann wieder vor seinen Kernanhängern spricht wie in Phoenix, Arizona, ist er wieder der alte Trump, und die erwarten auch genau das von ihm. Aber um an Hillary Clinton heranzukommen, oder sie gar zu schlagen, muss er natürlich in neue Wählerschichten eindringen, und er macht das immer noch so, als wäre immer noch der Vorwahlkampf der Republikaner. Das ist, glaube ich, sein Fehler, und wenn er das nicht sehr bald abstellt, dann wird es für ihn wahrscheinlich nicht gut ausgehen mit der Wahl.
    Hondl: Sie glauben gar nicht mal, dass er da eine Strategie verfolgt? Weil es scheint ja schon fast System zu haben, dieses Wechselspiel aus eher gemäßigten, leiseren, präsidialeren Auftritten und Tönen, wo man den Eindruck bekommt, ja, jetzt wirbt er um Wähler aus der politischen Mitte, und dann kommt wieder das schrille Kontrastprogramm. Steckt da keine Strategie dahinter?
    "Die Leute, die eine Strategie haben, verzweifeln an Trump"
    Thunert: Seine Berater, sowohl Leute aus der eigenen Familie, speziell seine Tochter und sein Schwiegersohn, als auch die professionellen Berater, haben natürlich eine Strategie, und deren Strategie ist es, ihn tatsächlich präsidialer wirken zu lassen und Reden mit politischen Inhalten zu halten, und so war auch die Rede in Arizona geplant. Nur das Publikum, das da war, das war Trump-Hardcore und das war aufgeputscht, und Trump bleibt dann nicht bei der Botschaft. Er ist im Grunde auch nicht beratbar und er selber, glaube ich, lässt sich von solchen Events und von solchen Stimmungen dann auch hinreißen. Er ist ein ganz schwer zu beratender Präsident und die Leute, die eine Strategie haben, verzweifeln, weil er natürlich von dieser Strategie immer wieder abweicht.
    Hondl: Geht es ihm einzig und allein darum, im Gespräch zu bleiben, was ihm ja auch jetzt heute Morgen bei uns gelingt?
    Thunert: Das gelingt ihm und es ist ihm auch gelungen, den Abstand zu Hillary Clinton, der vor einem Monat, also nach den Parteitagen, landesweit zehn Prozent war und auch in einigen der umkämpften Staaten sehr, sehr groß war, wieder etwas zu verringern, da Frau Clinton eigentlich ein dankbarer Gegenkandidat ist, da sie selber mit Problemen kämpft. Aber Trump schafft es nicht, die Aufmerksamkeit von sich und seinen Eskapaden weg hin auf die Probleme von Hillary Clinton mit der E-Mail-Affäre und anderen Dingen zu lenken, und das lässt natürlich mittlerweile viele seiner Anhänger, die eher gemäßigt sind, aber auch viele Republikaner verzweifeln, die auch befürchten, dass nicht nur Trump verliert, sondern auch die Republikaner etwa bei den Senatswahlen verlieren werden. Im Moment schafft es Trump nicht, sehr viele republikanisch gesonnene Wähler, die einen College-Abschluss haben, die etwas höheren Bildungsgrat haben, für sich zu gewinnen. Die bleiben entweder daheim, oder gehen zu Hillary Clinton über.
    Hondl: Dass so ein Mann wie Trump, so ein schwer zu fassender Mann, um es mal vorsichtig zu sagen, von dem vor einem Jahr ja noch kaum jemand gedacht hat, dass er es überhaupt so nah ans Weiße Haus schaffen würde, der ja als Irrer verlacht worden ist, dass so einer jetzt da ist wo er ist, ist das eigentlich, Herr Thunert, beispiellos in der amerikanischen Geschichte, oder gab es schon mal was Vergleichbares?
    "Trump ist sehr gut darin, Stimmung aufzugreifen"
    Thunert: Es gab populistische Kandidaten, etwa 1968 George Wallace, die aber als Drittkandidaten angetreten sind. Dass jemand die Nominierung einer der beiden großen Parteien bekommt, obwohl er sich ganz frontal gegen das Partei-Establishment und auch gegen sehr viele programmatische Punkte der Partei gestellt hat, etwa Freihandel, etwa außenpolitischer Aktivismus, den er ja ablehnt, Interventionismus, das ist meines Wissens schon in der jüngeren Geschichte sehr, sehr neu. Und Trump ist auch sehr, sehr gut und zum Teil auch vielleicht besser als wir Wissenschaftler, diese Stimmung aufgegriffen haben, dass es in der Wählerschaft der Republikaner Menschen gibt, die nicht daran interessiert sind, dass die Steuern gesenkt werden und der Freihandel ausgeweitet wird und dass die Amerikaner überall auf der Welt eingreifen, sondern die eine nationalistische Haltung haben, die er jetzt bedient. Und zu der gehört natürlich auch die Haltung, dass man Einwanderer primär als Bedrohung sieht. Was die Mexikaner angeht, hat er sich ja ein bisschen wieder relativiert. Er hat vor zwei Wochen das schon wieder ein bisschen abgeschwächt, auch im Hinblick auf den Besuch. Dann hat er sofort von einigen seiner Hardcore-Unterstützer dafür Kritik bekommen, dass er jetzt wieder zu weich wird. Im Moment sagt er oder sieht er ein, dass elf Millionen nicht dokumentierte Einwanderer, überwiegend Mexikaner, dass das logistisch einfach unmöglich ist, die zu deportieren. Er will sich jetzt auf den Personenkreis beschränken, der in den USA mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Er sagt, das sind zwei Millionen, seriösere Statistiken sprechen eher von 1,4 Millionen, wenn man auch Verkehrsdelikte mit einbezieht. Und wenn man die eigentlichen Verbrechen nimmt, dann sind es vielleicht 700.000, also weniger als zehn Prozent dieser Personengruppe. Da hat er natürlich Unterstützung, die sicherlich über seinen Kernkreis hinausgeht, dass die zurückgeführt werden, dass die deportiert werden. Aber sobald er wieder vor einer Menge spricht, die rohes Fleisch hingeworfen bekommen wollen, wie die Amerikaner das sagen, lässt er sich auch wieder zu den extremistischeren und rassistischeren Äußerungen verleiten, und das lässt seine Wahlkampf-Manager wirklich verzweifeln natürlich.
    Hondl: Wie gefährlich, meinen Sie, ist Trump denn tatsächlich politisch, wenn man ihn zum Beispiel mit Marine Le Pen in Frankreich vergleicht, die sich ja auch gerade wieder als große Trump-Bewunderin geoutet hat?
    "Trump kommt nicht aus einer extremistischen Ecke"
    Thunert: Ich denke, dass da noch mal ein Unterschied besteht. Der Trump war ja noch vor nicht allzu langer Zeit auch mal registrierter Demokrat. Er kommt nicht aus einer extremistischen Ecke wie der Front National, sondern aus einer rechtsradikalen, schon fast narzisstischen Ecke. Ich glaube, was die Leute an ihm irritiert ist seine Unberechenbarkeit. So unberechenbar wie er jetzt im Wahlkampf ist und so wenig fokussiert er ist und auch in manchen Themen und auch in Themeninhalten auch desinteressiert, so befürchten viele wäre er auch als amerikanischer Präsident, und das ist natürlich für eine Weltmacht und auch für ihre Alliierten und auch für andere schon gefährlich, diese extreme Unberechenbarkeit. Und ich glaube, wenige Leute sind von Hillary Clinton zurzeit richtig begeistert, aber sie sagen, die ist wenigstens berechenbar, bei der wissen wir genau, was wir kriegen, wir kennen ihre Schwächen, aber wir kennen auch ihre Stärken. Deswegen ist ein so großer Teil der Menschen außerhalb der USA natürlich hier eher für Hillary Clinton, wobei, was wirklich, glaube ich, auch historisch neu ist: Es ist selten gewesen, dass die beiden Spitzenkandidaten der großen Parteien überwiegend Negativwerte haben. Hillary Clinton: Knapp 55 Prozent haben von ihr einen negativen Eindruck. Bei Trump sind es über 60. Und dass das bei beiden Kandidaten ist, das ist in der jüngeren Geschichte ebenfalls sehr neu.
    Hondl: Und was bedeutet das, dass wirklich jetzt die zwei Präsidentschaftskandidaten, Trump und Clinton, Sie haben es gesagt, historisch die unbeliebtesten Kandidaten sind, die die USA je hatten? Es sind Kandidaten, denen viele Amerikaner nicht trauen. Was heißt das?
    "Es ist kein richtig ideologischer Kandidat"
    Thunert: Das heißt, dass sicherlich einige der Grundkonflikte, die in den USA bestehen, dass die auch nach der Wahl anhalten werden, und dass natürlich auch Hillary Clinton, sollte sie keine Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses bekommen, wenn sie Präsidentin wird, dass sie natürlich auch Schwierigkeiten haben wird zu regieren. Andererseits kann natürlich eine Präsidentin oder ein Präsident, wenn er dann im Amt ist, durch den Amtsbonus einen Teil der Unbeliebtheit sicherlich wieder wettmachen. Bei Frau Clinton ist es ja auch eher so knapp über der 50-Prozent-Marke, die Unbeliebtheit. Ich denke, wenn sie auf verschiedene Leute zugeht - sie muss allerdings sowohl auf die Progressiven, die Linken in ihrer Partei zugehen, die hinter Sanders standen; jetzt gewinnt sie eine Menge Wähler in der Mitte möglicherweise. Sie muss auch auf die zugehen und das wird ein Spagat, der für sie sehr schwer wird. Aber ich denke, dass die Beliebtheitswerte, egal wer jetzt gewinnt, dass die ein Stück weit ansteigen, bei Frau Clinton vielleicht eher noch als bei Trump. Bei Trump wie gesagt wissen wir wirklich nicht genau, wie er regiert und wie er entscheidet. Er ist kein richtig ideologischer Kandidat, meiner Ansicht nach, sondern ein klassischer Populist, der sich nach Stimmungen richtet.
    Hondl: Hillary Clinton scheint ja jetzt den Umfragen nach deutlich bessere Chancen zu haben als er, die Wahl zu gewinnen. Allerdings hatten die Meinungsforscher im Fall Trump ja schon mal Unrecht. Keiner hätte gedacht, dass er überhaupt Kandidat wird. Könnten die Meinungsforscher sich da jetzt noch mal irren? Was meinen Sie?
    "Trump hofft darauf, dass sich die Meinungsumfragen irren"
    Thunert: Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich so komplett irren, weil der Abstand ja doch hoch ist, auch gerade in den sieben, acht umkämpften Bundesstaaten, die Trump gewinnen muss, Florida, Ohio, Pennsylvania, insofern, denke ich, kurzfristig liegen sie richtig. Allerdings wir wissen, dass auch beim Brexit, dass die Umfragen ganz, ganz lange anders gelegen haben. Und wie gesagt: Es ist so, dass Hillary Clinton im Moment - und das würde mich an der Stelle ihrer Anhänger beunruhigen -, dass sie sehr stark darauf abzielt, wie gefährlich Trump ist und dass Trump nicht Präsident werden darf. Aber es mangelt ihr ein bisschen an zündenden Ideen, und das erinnert mich so ein bisschen fatal an die die Kampagne der Remainer in England, die auch immer nur gesagt haben, was Schlimmes wäre, wenn der Brexit geschehen würde, und das hat am Ende nicht gereicht. Wie gesagt, Trump hat den Höchststand des Abstandes von vor vier Wochen wieder etwas verringert. Aber in den fünf Bundesstaaten ist er immer noch groß. Trump hofft natürlich darauf, dass sich die Meinungsumfragen irren und dass er Wähler mobilisieren kann, die vielleicht bei den Meinungsumfragen zu wenig repräsentiert sind. Das ist seine Hoffnung. Im Moment müsste meiner Ansicht nach bei den Fehlern, die Trump macht, der Abstand zugunsten von Hillary Clinton viel deutlicher sein, und ich weiß, dass gerade ihre progressiven Anhänger auch ein bisschen verzweifeln, dass sie im Moment einfach schlicht darauf hofft, dass man sie wählt, weil man Trump noch weniger wählt, und das könnte am Ende natürlich zu wenig sein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.