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"Der Prozess ist insgesamt gut"

In einer Deutschlandweiten Aktion haben das Bologna-Zentrum der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) im November eine Reihe von Informationsveranstaltungen zu den Abschlüssen Bachelor und Master gestartet. Sie richten sich insbesondere an Firmen die Studiengänge werden im Mittelstand noch immer skeptisch beobachtet.

Von Susanne Lettenbauer | 07.11.2008
    Aus seinem familiären Umfeld weiß Bertram Bossardt – das Image der Bachelorstudiengänge ist nicht das beste. Während die Masterstudiengänge im allgemeinen akzeptiert werden, ist gerade unter Abiturienten die Unsicherheit groß, so der Hauptgeschäftsführer des Verbands der bayerischen Metall- und Elektroindustrie: Ist der Bachelor nur ein anderer Begriff für das Grundstudium im Magister- oder Diplomstudiengang? Gleicht der Bachelor nicht eher einem studierten Hilfsarbeiter als dem geradezu legendären deutschen Ingenieur, der Studienanfängern in Bereichen wie der Metall- und Elektroindustrie vorschwebt? Der Abschied allein von der traditionsreichen Berufsbezeichnung "Ingenieur" fällt den Studierenden wie auch den Personalchefs noch immer schwer, sagt Bossardt. Vor dem Mikrofon umschreibt er in vorsichtigen Worten, was er hinter vorgehaltener Hand "ein Drama" nennt:

    "Wir haben auf der einen Seite eine hohe Akzeptanz, vor allem bei den großen Betrieben, beim Mittelstand ist das schon schwieriger, aber es kommt entscheidend darauf an, dass die Umstellungen ordentlich erfolgen. Es darf keine Umetikettierung erfolgen. Die Lehrpläne müssen so angepasst werden, dass Bachelor und Master aufeinander aufsitzen. Es muss so gemacht werden, das ein Bachelor sofort in einer Firma beginnen kann. "

    Dass der Absolvent mit dem Bachelor weniger Inhalte als Methoden zur Wissensverarbeitung gelernt hat, davon sind Personalchefs wie Dirk Gerdes, der Leiter des Personalmanagements bei dem Triebwerkhersteller MTU überzeugt. Bewirbt sich bei ihm ein Bachelorabsolvent, dann plant er mittlerweile eine längere Einarbeitungszeit ein. Denn im Zuge des Bolognaprozesse steht er vor einem Dilemma:

    "Beispielsweise sind die Praktikazeiten, also die Praxiszeiten, verkürzt worden, das heißt das was wir als Unternehmen mit Studenten während des Studiums machen können, welche Projekte wir ihnen geben können, um auch einen besseren Praxiseinblick zu bekommen, was ja auch Teil dessen ist, was wir in der Wirtschaft wollen, das geht zurück, wird aus den Lehrplänen gestrichen und das merken wir und darauf müssen wir uns erstmal einstellen. Also das ist eine ganz große Veränderung. "

    Noch herrscht vor allem große Unsicherheit in den Personaletagen, welche Lehrpläne den neuen Studiengängen zu Grunde liegen. Einige befürchten eine höhere Eigenleistung der Betriebe im Bereich Einarbeitung. Aber auch die Bachelorabsolventen fühlen sich nicht ausreichend ausgebildet, bemerkt MTU-Personaler Gerdes:

    "Hier ist die große Unsicherheit, gibt das noch das her, was wir brauchen. Hier haben wir in der BA-Ausbildung einen sehr starken Praxisanteil und dabei haben wir noch ein gutes Gefühl. Was wir an der Stelle aber merken, ist das die Studenten selbst ein ungutes Gefühl, eine Unsicherheit haben und noch einen Master machen wollen und wir das gar nicht unbedingt benötigen, aber aus der Unsicherheit heraus, reicht das denn und was bringt mir das für die Zukunft."

    Bei dem Triebwerkhersteller MTU in München kann man auf den Bachelor of Engineering im Studiengang Maschinenbau noch den "Master of Science in Aerospace Engineering" draufsetzen. Eine Möglichkeit, die viele seiner Angestellten nutzen möchten, sagt Dirk Gerdes, die ihn aber vor ein weiteres Problem des Bologna-Prozesses stellt:

    "Was grundsätzlich überhaupt nicht in unserem Sinne ist, ist, dass das Masterstudium derzeit so gut wie immer nur in Vollzeit angeboten wird und wenig in berufsbegleitender Teilzeit. Das ist für unsere Bachelor nicht hilfreich, weil sie dann unser Unternehmen verlassen müssen. Das führt dazu, dass man Fachkräfte verliert, weil sie einfach den Wunsch haben, einen Masterstudiengang zu machen und in der Zeit können wir sie gar nicht unterstützen. Die sind erstmal raus und in zwei Jahren wieder da. Darüber sind wir gar nicht glücklich."

    Dass die Umwandlung der Diplomstudiengänge in Master und Bachelor dennoch richtig ist, betonen die Personalvorstände, bei aller Kritik. Die Personaletage des Chipherstellers Intel liess auf Anfrage mitteilen, dass Diplom wie auch Masterabsolventen gleichberechtigt eingestellt würden. Die Infineon AG begrüßt den Bologna-Prozess grundsätzlich, da ein Vergleich mit ausländischen Bewerbern nun vereinfacht würde und auch Bertram Bossardt, der Hauptgeschäftsführer des Verbands der bayerischen Metall- und Elektroindustrie sieht in dem "Drama" Bolognaprozess selbstkritisch die einzige Möglichkeit, wettbewerbsfähig zu bleiben:

    "Da gibt es nichts rückgängig zu machen. Die Internationalisierung wird fortschreiten. Der Prozess ist insgesamt gut. Wir dürfen doch nicht vergessen, dass wir in der Vergangenheit viel ausgebildet haben, was einfach nicht gepasst hat. Da würde man in eine Nostalgie geraten, die vollkommen falsch ist. Es geht darum, diesen Prozess erstens zu beschleunigen, zweitens zu verbessern und drittens die Überzeugungskraft zu erhöhen. Eine Alternative dazu gibt es nicht. Das müssen wir tun für unsere jungen Menschen, das müssen wir tun, dass unsere Unternehmen die richtigen Leute bekommen."