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Der Rebell der FDP

Ihm geht es darum, Politik zu machen. Und wenn es sein muss, stellt sich der FDP-Politiker Frank Schäffler auch schonmal gegen die Kanzlerin und Teile seiner eigenen Partei. So wie bei seiner Forderung, Griechenland aus der Eurozone auszuschließen.

Von Jens Rosbach | 22.09.2011
    "So!"

    Der Rebell trägt einen pinkfarbenen Schlips und ein hellblaues Hemd. Dazu eine schwarze, modische Prada-Brille. Voller Schwung knallt er ein Glas auf den Tisch, für den Besucher.

    "Wasser haben wir auch!"

    Ebenso dynamisch schließt der Rebell das Bürofenster.

    Dann wird der FDP-Politiker, der als Euro-Gegner und Unruhestifter gilt, plötzlich still.

    "Ich bin kein Rebell. Ich bin jemand, der versucht, Politik nach Prinzipien zu machen. Und äh, zumindest bei den Themen, die mit sehr wichtig sind."

    Frank Schäffler sitzt – leicht vorgebeugt – auf einem Stuhl, die Unterarme auf den Schenkeln abgestützt. In seinen Händen ruht ein Kaffeepott. Der 42-jährige Abgeordnete blickt konzentriert auf den Boden und berichtet, wie es dazu kam, dass er sich gegen seine eigene Fraktion stellte. Notgedrungen. Alles habe in der letzten Legislaturperiode begonnen, sagt Schäffler, als er dem Bankenrettungsgesetz zustimmen sollte.

    "In der Nacht zu dieser parlamentarischen Abstimmung – es war ja auch eine namentliche Abstimmung – da konnte ich nicht gut schlafen. Äh, weil es mir, das war eigentlich die schwerste Entscheidung, die ich bis dahin im Deutschen Bundestag getroffen habe. Weil ich damals schon geahnt habe, dass das nicht funktionieren kann. Und trotzdem habe ich dem zugestimmt."

    Schäffler wollte die Pleitebanken eigentlich lieber in eine Insolvenz führen, anstatt sie mit Steuergeldern zu stützen. Dennoch stimmte er 2008 für den Rettungsfonds – gegen sein Gewissen.

    "Und damals habe ich mir vorgenommen, dass ich das nicht wieder tun werde."

    "Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Frank Schäffler das Wort."

    "Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wann hat die Bankenaufsicht, wann hat der Bundesfinanzminister nicht richtig hingeschaut?"

    Schäffler begann, erst als Oppositionspolitiker - und seit 2009 auch als Koalitionsmitglied –den Regierungskurs zu kritisieren. Schließlich schmiss er im vergangenen Jahr sogar seinen Job als FDP-Obmann im Bundestags-Finanzausschuss: weil er gegen den europäischen Rettungsfonds ist. Der studierte Betriebswirt fordert stattdessen einen klaren Schnitt: eine Umschuldung Griechenlands und einen Austritt des Pleitestaates aus der Euro-Zone.

    "Ich glaube, dass wir nur noch die Wahl haben zwischen einer sehr sehr teuren Lösung und einer katastrophalen Lösung. Es gibt keine billigen Lösungen mehr, es geht nur noch darum, eine teure Lösung oder eine katastrophale zu finden."

    Der FDP-Mann greift zwar mitunter zu drastischen Worten, dennoch gilt er nicht als Populist, sondern eher als wirtschaftsliberaler Überzeugungstäter. Als solcher provoziert er – in aller Seelenruhe – das eigene Regierungslager. Und die eigene Parteispitze. So will Schäffler nun einen FDP-Mitgliederentscheid initiieren gegen den europäischen Dauer-Rettungsschirm ESM, der 2012 vom Bundestag beschlossen werden soll. Mehr als die Hälfte der nötigen rund 3300 Mitgliederunterschriften habe er schon gesammelt, twitterte er in der vergangenen Woche.

    "Wer das der Bevölkerung einredet, dass diese Rettungslogik funktioniert und dass die Europa hilft und dass die den Euro rettet und so, der streut der Bevölkerung Sand in die Augen."

    "Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will Ihnen das hier sehr klar sagen: Für mich war der gestrige Wahlabend der bisher schwerste Wahlabend, seit ich Mitglied der FDP bin."

    Philipp Rösler am vergangenen Montag: Der FDP-Parteichef verkündet nach dem Berliner Desaster einen verstärkten pro-europäischen Kurs – und versucht, die Euro-Kritiker seiner Partei in ihre Schranken zu weisen. Rösler wettert gegen Schäfflers Antrag auf einen Mitgliederentscheid:

    "Aus unserer Sicht stehen dort nur Dinge drin, die sagen, was man nicht will. Ich will aber auch genau so klar sagen: Als Parteivorsitzender ist mir das zu wenig. Eine Partei in Regierungsverantwortung mit einem Regierungsanspruch kann nicht nur sagen, was sie nicht will, sondern sie soll schon sagen, wohin die Reise gehen soll."

    Die Parteispitze arbeitet nun an einem eigenen Entwurf, um Schäffler den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der kontert wiederum: Eine Insolvenz Griechenlands sei durchaus ein Lösungsvorschlag. Außerdem hätten Parteichef Rösler und andere FDP-Promis – vor der Berlin-Wahl – ebenfalls einen Austritt der Griechen aus dem Euro-Raum erwogen.

    "Reden und Handeln müssen eben zusammenfallen in der FDP. Und wir haben deshalb einen hohen Vertrauensverlust bei den Wählern bekommen, weil wir den Eindruck erweckt haben, dass Reden und Handeln nicht zusammen kommen. Und am Ende entscheidet es sich an den Taten."

    Wie stark Schäffler auch immer Bewegung in die Euro-Debatte bringen mag – bei anderen politischen Themen hingegen wirkt er einfach nur festgefahren: Etwa wenn er verlangt, das vor fünf Jahren beschlossene Antidiskriminierungs-Gesetz wieder abzuschaffen. Oder wenn er bezweifelt, ob der Klimawandel wirklich Menschen gemacht ist. Die deutschen Klimaschutz-Ziele schadeten der Wirtschaft und müssten wieder aufgegeben werden, verlangt der FDP-Mann. Aber ob nun rebellisch oder verbohrt, ob dynamisch oder nachdenklich: Schäffler lässt sich nicht beirren. Von niemandem.

    "Wenn man den Kopf raus streckt, dann finden das nicht alle gut und dann gibt’s auch Gegenwind. Aber so ist das halt."