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Der Republik seinen Stempel aufgedrückt

Der "Alte von Rhöndorf" wurde Konrad Adenauer genannt. Denn immerhin war er bereits über 70 Jahre alt, als er der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wurde. Vor 40 Jahren starb er mit 91 Jahren in seinem Rhöndorfer Wohnhaus in der Nähe von Bonn.

Von Monika Köpcke | 19.04.2007
    "Als ich zum ersten Mal Bundeskanzler wurde vor über zwölf Jahren, habe ich Professor Martini in Bonn gefragt, ob ich trotz meines Alters noch ein Jahr lang die Arbeit leisten könne. Er hat mich pflichtgemäß untersucht und hat mir gesagt: Sie werden sicher eineinhalb Jahre lang die Arbeit leisten. "

    Gewitzt und einzelgängerisch, nüchtern und misstrauisch, klar und starrsinnig - Facetten einer Persönlichkeit, die wie keine andere der jungen Bundesrepublik ihren Stempel aufdrückte.

    "Und man sieht also an diesem Beispiel, dass man der Barmherzigkeit Gottes keine Schranken setzen soll."

    Adenauers Biografie ist die Geschichte eines sozialen Aufstiegs. Sein Vater ist ein kleiner Kanzlei-Sekretär, seine Mutter bessert das Einkommen mit Näharbeiten auf. Erst ein Stipendium ermöglicht das Jurastudium, die erste Heirat den Eintritt in "bessere Kreise".

    Zweimal in seinem Leben macht Adenauer eine steile politische Karriere: Als Zentrumspolitiker wird er 1917, mit 41 Jahren, Oberbürgermeister von Köln. 1949, mit 73 Jahren, wird er Bundeskanzler der Bundesrepublik. Zwischen diesen beiden Gipfeln lag von 1933 bis '45 eine Phase des Rückzugs und des Stillhaltens. Eine Beteiligung am Widerstand kam für ihn nie in Frage. Dazu war er viel zu sehr Realpolitiker. Maßstab für seine politischen Entscheidungen war immer das für die jeweilige Sachlage konkret Erreichbare. Sein Motto lautete:

    "Wenn man nicht gleich die bestmögliche Lösung erreichen kann, so muss man eben die zweitbeste oder drittbeste nehmen."

    1945 setzten ihn die Amerikaner erneut als Oberbürgermeister ein - und die Briten nach wenigen Monaten wieder ab. Offiziell wegen Unfähigkeit, tatsächlich spielten dabei wohl Adenauers gute Kontakte zur französischen Besatzungsmacht eine große Rolle. Adenauer nutzte den unfreiwilligen Rückzug für seinen Aufstieg in der neugegründeten CDU. Rasch war er der führende Kopf im Rheinland und bekam mit dem Vorsitz des Parlamentarischen Rates sein erstes offizielles Amt.

    "Und nun, meine Damen und Herren, stehe ich Ihnen gerne für Fragen zur Verfügung. Das 'gerne' bitte ich, in Anführungszeichen zu setzen."

    Konrad Adenauer war überzeugt davon, dass er besser als jeder andere wusste, was gut für Deutschland war, und er wollte sich von niemandem in eine andere Richtung drängen lassen, erst recht nicht von den Medien. Ob Westbindung oder Wiederbewaffnung, ob die Entscheidung für die dritte Strophe des Deutschlandliedes als Nationalhymne oder für Bonn als Bundeshauptstadt, in seiner Regierungspraxis ging es Adenauer vor allem darum, Mehrheiten für seine einsamen Beschlüsse zu bekommen. Sein Denken war von Fakten und Berechenbarkeitserwägungen bestimmt, sein Misstrauen legendär:

    "Wenn ich sage, ich spreche zu den Parteien der Opposition, so drücke ich mich mit Absicht etwas vorsichtig aus, denn ich weiß noch nicht so recht, wer alles zur Opposition gehört."

    Adenauer war ein verschlossener Mensch. Er liebte Einsamkeit und Stille, Haus und Garten. Als ihm der französische Staatspräsident de Gaulle bei einem Besuch in dessen Landhaus den weiten Blick ins freie Land zeigte, soll Adenauer gesagt haben:

    "Wie schön, man sieht keinen Menschen!"

    Und bei seiner ersten Begegnung mit Carlo Schmid im Parlamentarischen Rat sagte er zu dem SPD-Politiker:

    "Entscheidend zwischen uns ist nicht der Unterschied der Generationen. Entscheidend ist etwas anderes: Sie glauben an die Menschen, ich nicht."

    Konrad Adenauer ist 87 Jahre alt, als er am 15. Oktober 1963 im Bundestag verabschiedet wird. Seine voreilig bekannt gegebene und dann wieder zurückgezogene Kandidatur zum Bundespräsidenten, seine Abwesenheit in Berlin beim Mauerbau und die "Spiegel"-Affäre haben seinem Ansehen großen Schaden zugefügt. Die CDU-Fraktion wendet sich von ihm ab und ausgerechnet Ludwig Ehrhard, jahrelang von Adenauer gedemütigt, soll sein Nachfolger werden. Für Adenauer ist das wie ein Fußtritt.

    "Heute steht der Bundestag vor Ihnen auf, um für das deutsche Volk dankbar zu bekunden: Konrad Adenauer hat sich um das Vaterland verdient gemacht."

    Für ihn sei der Abschied von der Macht, so Adenauer, als habe man ihm Arme und Beine abgeschlagen. Nach außen bleibt er kühl und beherrscht, doch bis zu seine Tod am 19. April 1967 verwindet er nicht, dass seine Partei, die doch durch ihn groß geworden ist, ihn fallengelassen hat.