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Der Revolutionär

Er war eine der umstrittensten Figuren der Französischen Revolution: Der am 6. Mai 1758 geborene Maximilien Robespierre gilt als Verantwortlicher für eine Terrorherrschaft, der er am Ende selbst zum Opfer fiel. Aber Robespierre war auch ein scharfsinniger Politiker und kluger Visionär, der für das allgemeine Wahlrecht und eine soziale Republik eintrat.

Von Ruth Jung | 06.05.2008
    "Den Schwachen verteidigen gegen den Starken, der ihn ausbeutet und ausradiert, das ist Herzenspflicht für einen Jeden, der noch nicht verdorben ist von Egoismus und Korruption."

    Maximilien Robespierre in einer Rede vor dem Konvent. Den Schwachen verteidigen, das war lebenslang die Devise des am 6. Mai 1758 im nordfranzösischen Arras geborenen Revolutionärs. Als Ältester von vier Kindern einer angesehenen adeligen Rechtsanwaltsfamilie trug Robespierre nach dem Tod beider Eltern schon früh Verantwortung. 1769 erhielt der begabte Waisenjunge ein Stipendium für das renommierte Collège Louis-le-Grand in Paris. Nach seinem Jurastudium kehrte er 1781 in seine Heimatstadt zurück, wo er fortan als Rechtsanwalt und Richter arbeitete.

    "Die Souveränität ruht in jedem einzelnen Individuum des Volkes."

    Beeinflusst von den Ideen des Philosophen Jean-Jacques Rousseau, erkannte Robespierre in der Feudalherrschaft einen Verstoß gegen die jedem Menschen von Natur aus zustehenden Freiheits- und Existenzrechte. Empört über die Ungerechtigkeit forderte der junge Anwalt das Ende des Ancien Régime: "An die Nation von Arras", heißt seine 1788 erschienene erste Streitschrift.

    Im April 1789 wird Robespierre nach Versailles entsandt: als Vertreter des Dritten Standes von Arras. Aus ganz Frankreich sind die Abgeordneten des Dritten Standes in Versailles zusammengekommen. Sie erklären sich zur Nationalversammlung und fordern eine Verfassung: die Geburtsstunde der Französischen Revolution. Robespierre schließt sich in Paris der radikalsten Fraktion an, dem Club der Jakobiner, deren Präsident er 1790 wird.

    "Dieser Mann ist nicht käuflich, denn er hat keine Bedürfnisse", "

    spottete der königstreue Graf Mirabeau über seinen Widersacher, den er die " Leuchte aus Arras " nannte. Mit seinen Forderungen nach allgemeinem Wahlrecht, sozialen Rechten und der Trennung von Staat und Kirche wurde der "Unbestechliche " zum Feindbild der gemäßigten Fraktionen der Revolution.

    Deren Wortführer stritten für eine konstitutionelle Monarchie. Das aber ging dem rhetorisch brillanten Revolutionär nicht weit genug. Zwar sicherte die 1791 verabschiedete Verfassung dem Bürgertum seine politischen Rechte, Robespierre aber verlangte die Festschreibung sozialer Rechte für das Volk.

    ""Der Mensch ist zum Wohle und zur Freiheit geboren, aber überall ist er Sklave und lebt im Unglück. ( ... ) Es ist an der Zeit, den Menschen an seine wahre Bestimmung zu erinnern. ( ... ) Bürger! Wolltet Ihr eine Revolution ohne Revolution?"

    Eine Schicksalsfrage: Im Mai 1793 stellte Robespierre dem Konvent seinen Entwurf einer Verfassung für eine soziale Republik vor. Nach der Hinrichtung von König Ludwig XVI. war die Revolution in ihre zweite Phase getreten. Am 24. Juni 1793 verabschiedete der jakobinisch dominierte Konvent die Verfassung der Ersten Republik - bis heute gilt sie als Beispiel einer radikal demokratisch-sozialen Konstitution.

    "Die Gleichheit ist ein leerer Wahn, solange eine Menschenklasse die andere ungestraft aushungern kann. ( ... ) Seit vier Jahren ziehen allein Reiche Nutzen aus der Revolution ( ... ) Vertreter des Volkes, das Vaterland ist in Gefahr ( ... ) Setzt die Terreur auf die Tagesordnung","

    forderte ein Sprecher der Sansculotten. Im Krisenjahr 1793 verlangte die Volksbewegung vom Konvent die Festsetzung von Höchstpreisen und die Einführung der Todesstrafe für Spekulanten. Während die Mehrheit der Abgeordneten zu diesen Forderungen schwieg, beugte sich Konventspräsident Robespierre immer mehr der mächtigen Bewegung. Zugleich setzte die jakobinische Revolutionsregierung unter der Führung von Robespierre eine beispiellose Maschinerie der Verfolgung in Gang. Der staatlich verordneten Terreur fielen nun auch einstige Mitstreiter wie Georges-Jacques Danton zum Opfer: "Die Revolution frisst ihre Kinder.""Robespierre ! Du hast kein Geld genommen, du hast keine Schulden gemacht, ( ... ) du hast dich nie betrunken. Robespierre, du bist empörend rechtschaffen. Ich würde mich schämen, dreißig Jahre lang mit der nämlichen Moralphysiognomie zwischen Himmel und Erde herumzulaufen, bloß um des elenden Vergnügens willen, andere schlechter zu finden als mich","

    heißt es in Georg Büchners Drama "Dantons Tod". Am Ende bezahlte Robespierre seinen Hang zum Messianismus und die Durchsetzung einer jakobinischen Diktatur teuer: Im Juli 1794 stürzte das siegreiche Großbürgertum die Jakobinerherrschaft und erklärte die Revolution für beendet. Zwischen dem 26. und 28. Juli 1794 wurden Maximilien Robespierre und 105 seiner Anhänger in Paris hingerichtet.