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Der sanfte Schimmer der Zellen

Biophysik . – In Neuss bei Köln jagen Biophysiker Lichtteilchen, so genannte Photonen. Allerdings stammen sie nicht aus besonderen Lampen oder aus dem All, vielmehr entspringen sie einem Ort, der gemeinhin als restlos dunkel galt: menschlichem Gewebe. Unsere Zellen geben ständig winzige Mengen solcher so genannten Biophotonen ab. Möglicherweise, so hoffen die Forscher, könnte dieser Schimmer auch zur Diagnose von Krebs verwendet werden.

27.05.2002
    von Sönke Gäthke

    Das International Institute of Biophysics ist ein kleines Labor in einer Baracke der ehemaligen US-Raktenstellung bei Neuss. Eine Handvoll Wissenschaftler aus Frankreich, Holland und Asien um Fritz Albert Popp erforscht hier die Herkunft der von Zellen abgestrahlten Photonen. Auf die Spur dieser Licht-Teilchen ist der Biophysiker Popp in den siebziger Jahren gestoßen, als er untersuchte, warum von sehr ähnlichen Molekülen eine Variante krebserregend ist, eine andere aber nicht:

    "Wenn ich die physikalischen und chemischen Unterschiede beider ähnlichen Moleküle kenne, dann weiß ich auch, welche Eigenschaften dafür verantwortlich sind, ob das Tumorgeschehen ausgelöst werden kann oder nicht. Und ich fand eine einzige Eigenschaft, in der sich beide Moleküle unterschieden: ihre optische Eigenschaften, also Eigenschaften, die die Wechselwirkung mit Licht nahe legten oder auch bedingten."

    Also, so der Biophysiker, müsste es auch Licht - beziehungsweise Photonen - in den Zellen geben. Doch diese These erfreute sich keinesfalls allgemeiner Zustimmung. Aber in den folgenden Jahren gelang Popp der Nachweis, dass lebende Zellen tatsächlich Lichtteilchen aussenden. Ob es sich dabei um Abfallprodukte chemischer Reaktionen handelt oder ob die Photonen gezielt in der Zelle produziert werden, blieb allerdings weiter unklar. Das jüngste Ergebnis des Forschers deutet jetzt darauf hin, dass die zweite Annahme richtig sein könnte. Er untersuchte, ob die Photonen mit gleicher Frequenz und Energie - also kohärent - die Zelle verlassen, ähnlich einem Laser, oder ob die Wellenlänge des Lichts eher zufällig ist. Dabei ist eine direkte Vermessung der wenigen Photonen aber nicht möglich.

    "Aber sie können beispielsweise eine solche Lichtquelle vor zwei Detektoren stellen und untersuchen, wie häufig dabei gleichzeitig Photonen auftreten und wie häufig diese einzelnen Einschläge der Photonen nicht gleichzeitig einschlagen. Und aus dieser Koinzidenzrate kann man ermitteln, ob das Licht kohärent ist oder nicht. Je weniger kohärent es ist, umso weniger häufig können sie simultane Messungen durchführen. Die Wahrscheinlichkeit, mit der beide Detektoren zufällig ein Photon mit der gleichen Energie messen, ist äußerst gering. Das Gewebe wird für die Messungen in einen dickwandigen Metallzylinder eingeschlossen, an dessen Seite sich die beiden Detektoren befinden. Trifft ein Photon innen auf die Detektoroberfläche, so löst es einen Schauer von Elektronen aus, der als Spannung gemessen werden kann. Bei den Messungen stellte sich heraus, dass dieses Feld einen Kohärenzgrad besitzt, der technisch gar nicht erreicht werden kann. Man kann sagen, dieser Kohärenzgrad ist zehn Milliarden Mal höher als das, was man heute technisch erreicht. "

    Ein Zufall scheidet aus, ist sich der Biophysiker sicher. Er vermutet, dass die Zellen über die kohärenten Photonen miteinander kommunizieren können: Kohärente Photonen können wie eine Welle durch Interferenz verstärkt oder ausgelöscht werden. Normalerweise, so die Annahme Popps, würden die Photonen zwischen den Zellen durch Interferenz ausgelöscht. Gerät aber eine aus dem Takt - zum Beispiel durch Virenbefall -, dann fiele die Interferenz aus. Die Nachbarzellen registrierten dann plötzlich Photonen, würden so quasi blitzschnell alarmiert und könnten versuchen, Gegenmaßnahmen zu treffen. Wie die einzelnen Photonen entstehen und womit die Zelle sie wahrnimmt, ist allerdings noch unklar. Bekannt ist bisher lediglich, dass die Zahl der abgestrahlten Photonen vom Gesundheitszustand des untersuchten Gewebes abhängt, so Popp:

    "Wir wissen beispielsweise, dass Tumorgewebe immer eine höhere Intensität an Biophotonenemissionen als normales Gewebe besitzt. Wenn der Zusammenhang auch nicht eindeutig geklärt ist, so lässt er sich doch nutzen, um Krebsgewebe zu identifizieren und den Erfolg von Therapien zu messen - eine Methode, die vor allem Forscher aus Japan verfolgen. Man kann zum Beispiel auf dieses Gewebe verschiedene nicht-toxische Substanzen geben und untersuchen, welche Substanzen zu einer Reduktion dieser Photonenintensität führen. Damit wäre eine Verbindung gefunden, die den Tumor eines Patienten künstlich beeinflussen kann."

    Die Photonen in der Zelle könnten also einmal dazu beitragen, Licht in die Entstehung von Krankheiten zu bringen, so Popp, und überdies vielleicht auch deren Heilung erhellen.