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Der Schlächter von Wassy

Die Hugenotten waren gerade im Gottesdienst, als sie überfallen wurden. Am 1. März 1562 richtete der katholische Herzog Guise im französischen Wassy ein Blutbad an. Das Massaker markiert den Beginn eines blutigen, Jahrzehnte währenden Bürgerkriegs - der Hugenottenkriege.

Von Jochen Stöckmann | 01.03.2012
    Es ging nicht immer friedlich zu, wenn in Frankreich gegen Mitte des 16. Jahrhunderts die Kirchenglocken läuteten. Gar zu unversöhnlich gerieten Katholiken und protestantische Hugenotten aneinander, wenn sie zur Andacht gerufen wurden. Die Stimmung war aufgeheizt, daran konnte auch Katharina von Medici mit ihrem sogenannten Januaredikt wenig ändern. Als Regentin führte sie anstelle des noch unmündigen Thronfolgers die politischen Geschäfte und hatte im Januar 1562 den Hugenotten auferlegt, Gemälde, Kreuze und Reliquien wiederherzustellen, die ihrem Bildersturm zum Opfer gefallen waren.

    Dafür hatten die Protestanten das verbriefte Recht bekommen, sich in den Vorstädten, außerhalb der Stadt zum Gottesdienst zu versammeln. Die katholische Partei sah darin kein diplomatisches Zugeständnis, sondern eine unverzeihliche Schwäche. Vor allem ihr Anführer, der lothringische Herzog von Guise, fürchtete um seinen machtpolitischen Einfluss, seine Stellung am königlichen Hof. Wohl deshalb zog er nicht mit kleinem Gefolge durch sein Herzogtum, sondern kam in Begleitung einiger Hundert bewaffneter Reiter nach Wassy.

    "Herzog Guise langte zu Vassy, einer kleinen Stadt der Champagne, am 1sten März 1562, gerade zu der Zeit an, als die Hugenotten ihren Gottesdienst hielten. Er drückte großen Unwillen darüber aus und ging in die Kirche, um die Messe anzuhören. Nur eine kleine Anzahl folgte ihm, die Übrigen eilten nach dem Platze, wo die Protestanten versammelt waren, und griffen diese mit groben Schmähungen und Schimpfwörtern an. Der Streit wurde sehr blutig, indem die Leute des Herzogs in das Bethaus drangen und mit dem Schwert über die Versammlung herfielen."

    Wenig später waren einige Dutzend Hugenotten tot, über Hundert verwundet. Gegenwehr gab es kaum. Es flogen nur einige Steine, einer traf auch den Herzog. Blutüberströmt soll er dennoch seine Soldateska zur Zurückhaltung ermahnt haben, sagen die einen. Mit lauter Stimme habe er Arkebusen-Schützen und Lanzenträger angefeuert, berichten andere.

    De facto war es ein Massaker. Der Herzog von Guise gilt fortan als "Schlächter von Wassy", der 1. März 1562 markiert den Beginn eines blutigen, Jahrzehnte währenden Bürgerkriegs. Admiral Coligny als Anführer der Hugenotten gibt seine bislang geübte Strategie politischer Zurückhaltung auf und bezeichnet Guise samt dessen Gefolgsleuten als "Feinde Gottes, des Königs, des öffentlichen Friedens".

    Auf den verbalen Schlagabtausch folgt die militärische Revanche. Es droht ein Teufelskreis der Gewalt. Argumente, nicht Glaubensbekenntnisse waren noch 1561 beim Religionsgespräch von Poissy gefragt gewesen. Und der Genfer Reformator Theodor von Beza trat gegenüber dem Bruder des Herzog von Guise zwar selbstbewusst, doch mit nur sehr verhaltener Drohgebärde auf:

    "Ich spreche für eine Religion, welche besser lehrt, wie man Ungerechtigkeiten erdulden, als wie man sie erwidern soll; aber erinnern sie sich, Sire, daß sie ein Amboß ist, der viele Hammer abgenützt hat."

    Das Massaker von Wassy hatte Folgen, nicht nur für Theodor von Beza: der Theologe zog fortan als Prediger im Heer der Hugenotten gegen die Katholiken zu Felde. Der Herzog von Guise fiel 1563 einem Attentat zum Opfer. Sein Gegenspieler, Admiral Coligny, starb wenige Jahre später am 24. August 1572, als in Paris binnen weniger Stunden Hunderte von hugenottischen Adeligen ermordet wurden. Im Gedächtnis geblieben ist diese blutige "Bartholomäusnacht" durch zahlreiche Romane, Opern und auch Filme.

    Vom "Massaker von Wassy" aber spricht kaum noch jemand - obwohl dieses Ereignis in seiner historischen Bedeutung kaum zu überschätzen ist: Am 1. März 1562 begann der erste von insgesamt acht Hugenottenkriegen, deren Ende 1598 das Edikt von Nantes markierte - mit weiterhin gravierenden Nachteilen für die Protestanten. Friede kehrte damit nicht ein.