Dienstag, 23. April 2024

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Der Selbstbedienung Einhalt gebieten

Der SPD-Justitiar Klaus Uwe Benneter glaubt nicht, dass die bisherige freiwillige Selbstverpflichtung großer Unternehmen wie der Telekom zum sensiblen Umgang mit Daten ausreicht. Bestehende Gesetze müssten nach Aufdeckung eines Missbrauchs Anwendung finden, so Benneter. Auch über eine Anhebung der Höchststrafen für Datenmissbrauch durch Unternehmen müsse man als Gesetzgeber nachdenken.

03.06.2008
    Gerd Breker: Am Telefon begrüße ich Klaus Uwe Benneter, Rechtsexperte der SPD und für die SPD Mitglied im Innenausschuss. Guten Tag Herr Benneter!

    Klaus Uwe Benneter: Guten Tag Herr Breker.

    Breker: Wenn die Telekom Daten auf Vorrat speichert, fällt Ihnen da auch das Bild vom Bock als Gärtner ein?

    Benneter: Gut, das ist richtig. Das muss einem da gleich einfallen. Aber wir kennen das ja auch zum Beispiel von jedem Kneipier. Wenn der als Gewerberechtlicher als unzuverlässig gilt, dann muss man ihm die Konzession wegnehmen. An Entsprechendes wird man wohl auch dann bei unzuverlässigen Telekommunikationsunternehmen denken müssen, die hier Selbstbedienung betreiben. Insofern hat das aber nichts mit der Frage der Vorratsdatenspeicherung direkt zu tun.

    Breker: Doch dafür hat ja zum Beispiel die Telekom die Lizenz?

    Benneter: Ja, aber erst seit 01. 01. 2008 und die Fälle, von denen wir jetzt sprechen, die haben sich ja schon sehr viel früher ereignet. Da durfte die Telekom diese Daten aus Abrechnungszwecken speichern und hat sie so missbraucht. Das einfach nur noch mal zur Klarstellung. Wir haben mit der Vorratsdatenspeicherung einen Rahmen gesetzt, zu dem wir dort europarechtlich verpflichtet sind. Und die Telekom hat hier, ohne irgendeinen Rahmen zu beachten, klar gegen Gesetze verstoßen. Das ist eine Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses, was dort begangen wurde. Das ist Verletzung des Telekommunikationsgesetzes, das ist Verletzung des Datenschutzgesetzes. Wir haben das ganze Strafgesetzbuch voll mit Verboten und dennoch werden Straftaten begangen. Wenn das aber solche Großunternehmen tun – und das ist ja irgendwo ein bisschen das Problem, dass man jetzt den Eindruck hat Großunternehmen in Deutschland, Lidl, Siemens, Telekom, die brauchen die deutschen Gesetze nicht zu interessieren -, dann denke ich dann sind wir auch als Gesetzgeber aufgerufen, hier deutlich zu machen, dass die Höchststrafen erheblich angehoben werden, damit diese Unternehmen das auch dann spüren.

    Breker: Aber noch mal zur Vergewisserung, Herr Benneter. Max Stadler hat also nicht Recht, wenn er fordert, nun sollte man noch mal das Konzept der Vorratsspeicherung insgesamt auf den Prüfstand stellen?

    Benneter: Nein. Wir haben das ja hoch- und runterdiskutiert. Es gibt da eine europarechtliche Verpflichtung, die Herr Stadler da nicht wahrhaben will.

    Breker: Aber in der Verpflichtung steht nicht, dass die Telekom diejenige sein muss, die speichert?

    Benneter: Nein, das ist richtig. Aber die Alternative wäre ja, dass wir all diese Daten dann nun beim Staate speichern. Ob das dann die wirklich von Herrn Stadler gewünschte Alternative ist, kann ich mir eigentlich schlecht vorstellen, zumal auch dort dann wir alles tun müssten, um Missbräuche auszuschalten, und wissen dennoch, dass die technischen Entwicklungen, die technischen Möglichkeiten heute so sind, dass es dort immer wieder zu Missbräuchen kommen kann. Wir hören ja jetzt auch, dass die Bahn sich dieses Unternehmens wohl bedient hat, um hier unter Umständen auch illegal irgendjemanden auszuspionieren.

    Breker: Ja, - Offenbar, Herr Benneter, ist es ja so, dass in der Industrie (also in der privaten Wirtschaft) Bespitzelung gang und gäbe ist. Das Ergebnis scheint bei diesen Herren zu zählen und nicht der Weg dahin, wie legal der ist.

    Benneter: Das ist richtig. Man hat den Eindruck, wir haben hier nur die Spitze eines Eisbergs jetzt nach oben bekommen. Das sind ja alles nur Zufallsergebnisse. Es ist ja nicht irgendwo einer systematischen Kontrolle zu verdanken. Deshalb ist es richtig, wenn der Datenschutzbeauftragte sagt, ihr müsst mir da mehr Möglichkeiten geben, insbesondere auch meine technische Ausstattung vervollkommnen, damit ich hier auch wirklich eine funktionierende Kontrolle durchführen kann und nicht nur darauf angewiesen bin, dass irgendetwas hochkocht.

    Breker: Das heißt Sie unterstützen den Bundesdatenschutzbeauftragten in seiner Forderung nach mehr Geld, nach mehr Personal, nach mehr Technik?

    Benneter: Nein. Wir sollten die gegenwärtige Diskussion jetzt nutzen. Wir hatten ja eine lange Phase, wo Datenschutz immer zum Täterschutz gemacht wurde. Wir müssen also wieder deutlich machen, wie wichtig es ist, dass die Daten geschützt sind und dass jeder eben auch selber ganz sorgsam mit seinen Daten und der Weitergabe von Daten umgeht.

    Breker: Damit Datenschutz nicht weiterhin als Kavaliersdelikt behandelt wird, Herr Benneter, müssen Gesetze verschärft werden. Welche Gesetze wie?

    Benneter: Es geht einmal um das Telekommunikationsgesetz. Es geht um das Datenschutzgesetz und gegebenenfalls auch um das Strafgesetzbuch. Wir haben bei der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses – um das geht es ja jetzt hier – einen Strafrahmen bis zu fünf Jahre. Das denke ich ist schon ein Rahmen. Wenn der dann zur Anwendung käme, dann könnte man hier schon den einen oder anderen dazu bringen, sich dort gesetzestreu zu verhalten künftig.

    Breker: Und freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie, das sind schöne Worte, die nicht viel bringen?

    Benneter: Na ja, das ist nun wirklich stumpfes Geschirr. Solche Appelle haben sich ausgereizt. Die sind überholt. Das erleben wir bei den Manager-Gehältern. Das erleben wir auch in allen anderen Fragen, wenn sie da appellieren. "Good Governance" wird da immer runtergebetet, aber es kommt ja immer wieder hoch, dass sich dort im entscheidenden Fall, wenn es um wirkliche Ergebnisse geht, keiner daran hält.

    Breker: Telekommunikationsunternehmen erstellen ihre eigenen Sicherheitskonzepte. Kann die Politik sie dabei alleine lassen?

    Benneter: Nicht nur Telekommunikationsunternehmen. Alle großen Industrieunternehmen in Deutschland, auch Dienstleistungsunternehmen haben inzwischen ganz große Sicherheitsabteilungen, und worauf wir achten müssen ist eben, dass die nun nicht alle aus dem Ruder laufen. Wir haben ja gesehen: der Telekom-Chef soll da einfach nur gesagt haben, ich mach mir die Hände nicht schmutzig, bringt das in Ordnung. Und dann ist das an eine offensichtlich in einschlägigen Kreisen bekannte Firma gegeben worden, von der man wusste, dass sie alle illegalen Möglichkeiten hat, um dann zu entsprechenden Ergebnissen zu kommen. Da müssen wir ansetzen. Deshalb muss natürlich jetzt erst mal auch aufgeklärt werden, was dort im Einzelnen passiert ist, wie das abgelaufen ist und wer da welche Verantwortung trägt und ob unsere bisher bestehende Gesetzlichkeit dort nicht ausreicht. Denn ich meine noch haben wir die Gesetze und die sind bisher noch nicht zur Anwendung gekommen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Klaus Uwe Benneter, Rechtsexperte der SPD. Herr Benneter, danke für dieses Gespräch.

    Benneter: Ja, danke Herr Breker. Auf Wiederhören!