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Der Soundpanzer

Dieser Panzer fährt nicht durch Kriegsgebiete, sondern durch die Hauptstadt-Clubs: Der Soundpanzer des Berliner Künstlers Nik Nowak zieht gegen die akustische Besetzung des öffentlichen Raums zu Felde.

Von Johannes Nichelmann | 19.03.2012
    "Ja, das ist der Soundpanzer! Im Prinzip ein anderthalb Tonnen schweres Soundsystem auf Ketten, mit 4000 Watt, verschiedenen Lautsprechern, Hochtonhörnern, Mittelbässen und drei Subwoofern. Hinten in meinem Cockpit hab ich eine AK-MPC oder ein Pad, ein Mischpult und noch eine SP303."

    Bei dem, was nach dem neuen Sortiment von Heckler & Koch klingt, handelt es sich um handelsübliche Technik für DJs. Abgesehen vom Panzer selbst. Der Künstler Nik Nowak hat ein Kettenfahrzeug umgebaut. Eine Art Raupe, wie sie auf Baustellen eingesetzt wird. Da drauf hat er ein Konstrukt aus Holz und Kunststoff geschraubt. Dazu das Sound-Equipment. Das Gefährt wirkt mit den schwarzen, runden und eckigen Boxen, in Verbindung mit der weißen Grundfläche, als hätte es ein Tarnmuster. Einen Ausflug durch Prenzlauer Berg ist damit nicht möglich - da es die Straßen kaputt machen würde. Deswegen steht der Soundpanzer in Nowaks Atelier, einer alten Fabrik in Berlin. Sonst kommt er in diversen Clubs zum Einsatz.

    "Mit dem Soundsystem gehe ich gerne in Extrembereiche. Also zum Beispiel einmal der Bassbereich. Derjenige, der einem auf ganz subtile Weise beeinflusst, weil man eben auch einen Effekt erreichen kann über unhörbare Sounds. Das heißt, auch in der Musikproduktion kann man mit Frequenzbereichen arbeiten, die eigentlich unhörbar sind aber enormen Effekt auf die restliche Produktion haben."

    Dem Sound-Tüftler Nowak geht es mit seinem Gefährt um verschiedene Dinge. Es sei ein Hypersymbol. Zum Beispiel für die Besetzung des öffentlichen Raumes.

    "Vor allem Jugendliche, die in der U-Bahn mit ihrem Handy Musik hören. Wobei es dann nicht um Musikhören an sich geht, sondern den Gebrauch von Sound zur Besetzung von Raum, weil ich mich nicht integriert fühle. Zum Beispiel. Oder noch viel besser: Ghettoblaster in den 80er-Jahren. Das ist eine Guerillastrategie, im Prinzip den Ghettoblaster zu nehmen, sich die Produktion der quasi weißen Industrie zu nehmen und darauf zu rappen und seine Aussagen in die Städte zu tragen. Das sind Guerillastrategien, die absolut legitim sind."

    Ich bin auch noch da! Wie ließe sich das brachialer ausdrücken als mit einem Panzer? Der gebürtige Mainzer und Absolvent der Berliner Universität der Künste beschäftigt sich viel mit dem, was Töne anrichten können. Nicht zuletzt seitdem in Jugendjahren jemand direkt neben seinem Ohr mit einer Pistole einen scharfen Schuss abgab. Seitdem hört er schlecht.

    "Wir können Schallwellen nicht sehen und deshalb haben wir einen ziemlich unkultivierten Umgang damit. Also es heißt, es wird aufs wüsteste damit gearbeitet oder experimentiert."

    So zum Beispiel wurden im Kampf gegen somalische Piraten vom US-Militär Schallkanonen eingesetzt. Auch eine Form von Soundmissbrauch, findet der 31-Jährige.

    "Im Bereich von 3000 Hertz werden Töne gebündelt auf Piraten in Somalia geschossen. Also diese Waffe ist im Einsatz. Ist quasi die neue Generation von Wasserwerfern, wenn man so will. Die dienen der Vertreibung von Menschen und sind eben noch mal viel leistungsstärkere Megafone und gehören zu den sogenannten 'weniger tödlichen' Waffen."

    Sein Panzer sei, und darauf besteht Nik Nowak, keine Waffe und werde nur in künstlerischen Räumen eingesetzt.

    "Die Straßensituation die findet seit Jahrzehnten permanent statt. Dem fügt der Panzer eigentlich in seiner Situation nicht mehr viel hinzu. Es ist eher die Form und das Objekt selbst, das glaube ich neu ist. Also dass das einem eine Idee davon gibt, welche Kraft Sound einfach hat oder welche Rolle Sound einfach in unserer alltäglichen Welt im Struggle um Raum und Identität irgendwie hat."