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Der Spitzentanz der Linkspartei

Die Linkspartei sucht nach einer Aufstellung für den Bundestagswahlkampf. Nach der Niedersachsenwahl soll diese bekannt gegeben werden. Ob Sololösung mit Gregor Gysi, Doppelspitze mit Gysi und Sahra Wagenknecht oder gleich ein ganzes Kompetenzteam, ist dabei noch offen.

Von Verena Herb | 17.01.2013
    Katja Kippings Zeit ist knapp, ihr Terminkalender voll. Das Gespräch findet deshalb morgens früh statt, bevor der Parlamentstrubel beginnt.

    Der 34-Jährigen ist keinerlei Anspannung anzusehen. Freundlich lächelnd begrüßt sie den Gast in Jeans und Stiefeln, kombiniert Ringelshirt und blauen Blazer. Sie gießt heißes Wasser in den schwarzen Kaffee – sie mag´s dünne, sagt sie. Am Sonntag stehen wegweisende Entscheidungen ins Haus, erklärt die Parteichefin der Linken: In Niedersachsen fürchtet die Partei um den Wiedereinzug in den Landtag:

    "Das war uns von Anfang an bewusst. Das wird kein einfacher Spaziergang, dieser Wahlkampf. Aber gerade in den letzten zwei Wochen ist es so super gelaufen. Wir erleben jetzt auch auf der Straße viel Zuspruch. Und insofern bin ich jetzt guten Mutes, was die Wahlparty am Sonntag anbelangt."

    Montag dieser Woche, Wahlkampfveranstaltung der Linken im Kulturzentrum "Faust" in Hannover. Endspurt. Geier Sturzflug steigert das Bruttosozialprodukt. Wenige Minuten vor dem Auftritt der Band hat Sahra Wagenknecht die Bühne verlassen. Seitdem die 43-Jährige als Wahlkampflokomotive durch Niedersachsen dampft, scheint es mit ihrer Partei bergauf zu gehen. Die Umfragen prophezeien zwischen drei und sechs Prozent. Es könnte knapp reichen für die Linke im Land. Aber sicher ist es noch nicht.

    Die Linke weiß um die Öffentlichkeitswirksamkeit ihrer "roten Sahra". Dass sie in Niedersachsen kämpft, halten viele in der Partei für eine gute Idee. Und so lächelt die - laut "Playboy"-Umfrage - zweiterotischste Politikerin von den großen Wahlplakaten. Jan van Aken, stellvertretender Bundesvorsitzender der Linken.

    "Sie hat sich dazu bereit erklärt, und ich bin ihr auch dankbar dafür. Das ist natürlich richtig gut, dass wir mit einem bundespolitischen Schwergewicht wie Sahra Wagenknecht auch in Niedersachsen Wahlkampf machen können. Weil sie auch bereit ist, wenn es denn dazu kommt, tatsächlich dort mit Politik zu machen. Und das ist nicht selbstverständlich."

    Und überrascht. Schließlich strebt Sahra Wagenknecht eigentlich nach höherem: Dass sie Spitzenkandidatin ihrer Partei im Bundestagswahlkampf werden möchte, steht außer Frage. Ein Erfolg in Hannover würde sie stärken, das ist wohl die Intention. Wäre da nicht König Gregor. So mancher meint bereits zu wissen, dass Fraktionschef Gregor Gysi sich im Machtkampf gegen seine Stellvertreterin durchgesetzt hat. Er könne die Bedingungen diktieren, weil es ohne ihn im Moment sowieso nicht geht, heißt es.

    "Wir haben einen unangefochtenen Star. Der heißt Gregor Gysi."

    Also, keine Doppelspitze Gysi – Wagenknecht? Kein Kommentar, auch nicht von Katja Kipping. Zumindest lässt die Parteiführung durchblicken, dass eine "Solo-Lösung" Gysi vom Tisch ist.
    Co-Parteichef Bernd Riexinger twitterte jüngst: "Die Zeit einsamer Häuptlinge" ist vorbei. Und der Hamburger van Aken unterstreicht:

    "Gregor Gysi alleine finde ich nicht gut. Ich meine, Gregor Gysi ist sowieso der unangefochtene Star, und ich liebe ihn wirklich heiß und innig und bewundere ihn. Danke ihm auch für all das, was er tut. Ich finde ihn einfach genial. Aber ich finde die Zeiten sind vorbei, wo ‘ne Partei in Deutschland allein mit einem Mann an der Spitze antreten kann. Also, so was bringt gerade noch mal die FDP fertig, glaube ich."

    Voraussichtlich wird es ein Kompetenzteam geben, eine Art "linker Hofstaat" um Gregor Gysi. Parteichefin Katja Kipping scheint für diese Lösung gesetzt zu sein, ebenso wie der Rüstungsexperte van Aken. Der will sich zu seiner zukünftigen Rolle allerdings nicht äußern. Allein:

    "Es wird sicherlich Gregor plus ein, oder Gregor plus zwei, oder plus drei, vier, fünf, sechs, sieben oder acht. Was dabei rauskommt, das weiß ich tatsächlich nicht. Und da werde ich auch gar nicht drüber spekulieren."

    Von wem die Idee des "Kompetenzteams" stammt, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich haben sich die Parteichefs Kipping und Riexinger darauf geeinigt, - auch, um Sahra Wagenknecht nicht allzu sehr zu brüskieren. Gerne wird in den Medien über eine Konkurrenz zwischen der "süßen Katja" und der "roten Sahra" spekuliert, wie jüngst im Spiegel. Katja Kipping:

    "Das läuft ja von der Überschrift irgendwo zwischen Soap Opera und einer billigen Romanze. Und da kann ich nur sagen: Dafür gibt es keine Grundlage. Das können wir leider nicht liefern, dieses Schlammcatchen."

    Lange Zeit, gerade in den Jahren des Alt-Herren-Duos Gysi – Lafontaine, wurde gerne verbal mit Dreck geworfen, das heißt weniger die politischen als vielmehr die persönlichen Kämpfe ausgetragen. Flügelkämpfe zwischen den Fundamentoppositionellen um Lafontaine und den Realos um Gregor Gysi, zwischen Ost und West, waren an der Tagesordnung. Damit scheint seit dem Generationswechsel an der Parteispitze Schluss zu sein. Katja Kipping und Bernd Riexinger setzen auf Kooperation statt Konfrontation. Deshalb auch ein Kompetenzteam.

    Der ostdeutsche Reformer Dietmar Bartsch soll ebenfalls Mitglied der Crew sein – und ätzt gleich: Das Ganze ist nur eine "innerparteiliche Beschwichtigungsmaßnahme". Katja Kipping ist genervt und holt tief Luft, als sie auf Genosse Bartsch angesprochen wird:

    "Also, ich fand immer, dass es Aufgabe von politischer Führung innerhalb einer Partei ist, dafür zu sorgen, dass man die Kämpfe nicht gegeneinander richtet, sondern sich vor allem in die politischen Kämpfe einbringt. Und die Linke ist eine Friedenspartei."

    Ob dem wirklich so ist, man wird es am Montag wissen. Dann wird das Team um Gregor Gysi gekürt. Der gibt sich – wenn wundert`s - gelassen.

    "Ich finde fast alle Mitglieder unserer Partei einfach toll. Und Sahra Wagenknecht schätze ich auch. Aber auf das, worauf sie hinauswollen, kann ich ihnen sagen: Es wird eine einvernehmliche Lösung geben. Deren Inhalt Sie am 21. Januar erfahren."