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Der Streit um eine grüne Agrarpolitik

EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos wünscht sich eine neue europäische Agrarpolitik: Ökologisch, nachhaltig, ressourcenschonend. Der Reformwille des rumänischen Kommissars trifft in seinem Land auf Skepsis, findet aber auch Lob.

Von Thomas Wagner | 22.06.2011
    Glühende Hitze. Weil es seit Tagen nicht geregnet hat, steht Raul Chitu, ein kräftig gebauter Mann Anfang 50, mit dem Wasserschlauch in seinem Gemüsefeld.

    "Hier baue ich Knoblauch an, rumänischen Knoblauch. Das ist, wenn Sie so wollen, 'Super-Bioware'. Und die hat einen sensationellen Geschmack, glauben Sie mir."

    Wenn Raul Chitu mit seinen Besuchern über das Feld hinter seinem Haus spaziert, zeigt er stolz auf die saftig grünen Pflanzen und Bäume: Marillen, Zwetschgen, Weinreben, Karotten - all das, versichert er, gedeiht ohne Kunstdünger, ohne Pflanzenschutzmittel. Raul Chitu, Gemüsegärtner aus dem 3000-Einwohner-Dorf Saintandrei in Westrumänien, hat sich auf Bioanbau spezialisiert. Das ist genau nach dem Geschmack seines Landmanns Dacian Ciolos. Der EU-Agrarkommissar hat in seinen Entwurf zur EU-Agrarreform eine sogenannte Ökologisierungskomponente hineingeschrieben: Produktbezogene Prämien sollen nur noch dann gezahlt werden, wenn ein Landwirt ökologisch wichtige Leistungen erbringt. Davon könnten viele rumänische Bauern profitieren, glaubt Raul Chitu. Denn Anfang der 90er-Jahre ließ die rumänische Regierung die riesigen staatseigenen Agrarbetriebe in viele kleine Parzellen aufteilen und an die Landbevölkerung verteilen. Etliche Parzellen liegen heute brach, weil sich die Bewirtschaftung nicht mehr lohnt. Doch dieser Nachteil von gestern könnte nun der Vorteil von morgen werden, glaubt Gemüsebauer Raul Chitu:

    "Dieses Land wurde seit der Zeit von Ceausescu nicht mehr bewirtschaftet. Es ist, wenn man so will, jungfräulich. Denn da wurde seit 20 Jahren weder gedüngt noch irgendwie Chemie gespritzt. Deswegen eignet sich dieses Land vorzüglich, um Bioprodukte anzubauen."

    Und auch die Idee, die Agrarförderung in West- und Osteuropa anzugleichen, hält Raul Chitu für sinnvoll: Das könnte, glaubt er, für viele Bauern ein zusätzliches Motiv sein, brachliegende Felder wieder zu bewirtschaften. Davon würde die gesamte Bevölkerung profitieren.

    "Das ist ja wirklich paradox: Bürger in Rumänien, die oftmals nur 150, 200 Euro im Monat verdienen, essen Importkartoffeln, die zwei, drei Mal so teuer sind wie in Deutschland. Und wir sind doch auch ein Teil Europas."

    Besuch in einem modernen, gläsernen Gewächshaus, am Ortsrand von Saintandrei: Überall sieht man Aufkleber: "Gebaut und finanziert mit Unterstützung aus dem Sapard-Programm der Europäischen Union."

    "Drüben haben wir Paprika, Gurken. Und wir haben noch ein kleines Haus, wo wir Sellerie produzieren."

    Ela Ghilesan ist Produktionsleiterin der neugegründeten Phönix Srl - ein Unternehmen, das sich auf die Aufzucht von Blumen und Gemüse spezialisiert hat. Die Europäische Union hat die 800.000 Euro teuere Investition zur Hälfte über ihr Sapard-Programm bezuschusst. Deshalb konnten die Gewächshäuser mit moderner Temperatur- und Bewässerungstechnik ausgestattet werden; die Phönix-Produkte finden sich in vielen rumänischen Supermärkten wieder. Doch dort stehen sie in ständiger Konkurrenz zu den Importprodukten. Deshalb hegt Ela Ghilesan einen großen Wunsch an die Politik des rumänischen EU-Agrarkommissars:

    "Unsere Lebensmittel benutzen, nicht immer so viel von draußen hierher bringen."

    Das müsse, sagt sie, nicht gleichbedeutend mit Protektionismus sein. Das könne auch durch die gezielte Förderung von verbrauchernaher Produktion geschehen, was im Sinne der von Ciolos angestrebten Ökologisierung liege. Doch trotz der Zustimmung zu den Reformplänen ihres Landsmannes schimmert vor allem bei den rumänischen Kleinbauern Skepsis durch: Viele sind bis heute nicht in den Genuss von Zuschüssen bekommen; die Rumänien zugewiesenen EU-Agrarmittel wurden in den vergangenen Jahren nicht einmal ansatzweise abgerufen; es fehlt an den entsprechenden Strukturen in der rumänischen Verwaltung. Hier hegt Raul Chitu, der Gemüsebauer aus Saintandrei, einen klaren Wunsch: Der EU-Agrarkommissar möge endlich einmal Klartext reden mit der Regierung in Bukarest, am besten in der Muttersprache.

    "Er muss sie alle überzeugen, die Parlamentarier und die von der Regierung. Er und die in Bukarest, sie sprechen ja die gleiche Sprache, Rumänisch. Und er muss ihnen ins Gewissen reden, dass sie die Gesetze viel schneller als bisher umsetzen und, was uns Landwirte betrifft, die Probleme viel direkter als bisher lösen."