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Der studierte Weihnachtsmann

Jedes Jahr suchen mehrere Tausend Berliner Familien einen möglichst "echten" Weihnachtsmann gegen Bezahlung. Jedes Jahr finden sich 300 bis 400 Gelegenheitsjobber dafür – zumeist Studierende. Doch eine eindrucksvolle Bescherung will gelernt sein.

Von Jens Rosbach | 26.11.2010
    "Ihr kennt alle das Lied Kling, Glöckchen?"

    Technische Universität Berlin, im Foyer der Hauptmensa: Rund 30 Studierende – und ein Weihnachtsmann. Genauer: ein Weihnachtsmann-Trainer mit rotem Mantel, grauem Rauschebart und braunem Jutesack. Der Alte soll aus den Jobsuchenden überzeugende Heilig-Abend-Unterhalter machen.

    "Viele stellen sich das einfacher vor, als es tatsächlich ist. Die hören so, ah ja, da spiel ich mal den Weihnachtsmann: Hohoho, ist ja alles ganz lustig. Aber dass es tatsächlich eine schauspielerische Leistung ist, wo man noch dazu dann eben in das intime Umfeld einer Familie vordringt, und mit jeder Familie individuell agieren muss, das wissen viele nicht."

    Bernd Skischally leitet bei der studentischen Arbeitsvermittlung Heinzelmännchen das Berliner Weihnachtsmann-Projekt. Der 28-Jährige kümmert sich darum, dass die Gelegenheits-Schauspieler Tipps für den Kostüm-Kauf sowie für die Zeremonie unterm Tannenbaum erhalten. Und auch für das familiäre Singen.

    "Wir wissen nur, dass an Heilig Abend, im Gegensatz zu früher, immer weniger gesungen wird. Man traut sich das nicht mehr so, oder man kann es auch teilweise nicht mehr so. Deswegen haben wir auch gesagt, wir versuchen, dieses Jahr das Weihnachtslied zu retten. Und das ist dann auch eben Teil dieser Schulung, die heute stattfindet – das heißt, wir versuchen, ein Bewusstsein zu schaffen, auch mal wieder gemeinsam zu singen."

    "Ich denke, ich mach dass, um mal wieder in leuchtende Kinderaugen zu gucken, wenn man dann noch mal richtig die Begeisterung, die völlige Zufriedenheit der Kinder sozusagen sieht."

    Maximilian Bühn studiert an der TU Berlin Verkehrswesen. Der 24-Jährige verzichtet in diesem Jahr auf eine Feier bei seinen Eltern, um in fremden Familien Geschenke auszuteilen. Sein Hauptmotiv: Geld verdienen. Dafür nimmt er auch das vierstündige Weihnachtsmann-Training in Kauf. Das Training ist eine Voraussetzung für den Feiertags-Job.

    "Ist eigentlich ein Pflichttermin, aber ich bin auch deswegen hier, um noch mal alles mitzubekommen, weil es auch darum geht, wenn man also eine kleinste Kleinigkeit vergisst, und das Kind dann plötzlich ins Nachdenken kommt: Moment, was ist hier los? Der hat hier irgendwie grüne Socken oder so, dann ist das blöd. Also das soll schon eindeutig rüber kommen."

    "Hoho, aha! Drauß` vom Walde komm ich her ... "

    Lohnt sich die ganze Bescherung denn auch für die Santa-Claus-Spieler? 350 bis 400 Euro kann ein Studierender an dem Dezemberabend verdienen, bei zehn bis 15 Familienbesuchen. Für viele Weihnachtsmänner ein gutes Honorar. Und dennoch gibt es nicht genug Bewerber. Warum? Nach Angaben von Arbeits-Vermittler Skischally haben die Kostümträger lange Zeit wesentlich weniger verdient; die Honorare sind erst vor zwei Jahren gestiegen.

    "Aber es muss sich bei den Studenten auch erstmal rumsprechen, dass sich das Ganze rechnet, obwohl man so einen gewissen Aufwand im Voraus hat. Das heißt diesen Workshop, dann sich das Kostüm beschaffen, aber es lohnt sich letztlich, wenn man es macht."

    Viele Weihnachtsjobber wollen auch noch zu Hause Singen üben und das bedächtige, würdevolle Gedichte-Vortragen. Student Maximilian Bühn etwa plant den perfekten Auftritt.

    "Da geht es auch ums Trinkgeld, sag ich mal so. Weil wenn man ein besonders guter Weihnachtsmann ist, dann ist es wohl so, dass doch gern Trinkgeld gegeben wird. Allein um die Kinder glücklich zu machen. Also wer will schon Kinder an diesem Tag enttäuschen?"

    www.berliner-weihnachtsmann.de