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Der Süden versteppt, der Norden trocknet aus

In Italien machen sich die Anzeichen für eine Klimaveränderung auf unterschiedlichste Weise bemerkbar: Der Po, größter Fluss des Landes, verkümmert immer mehr zu einem Rinnsal. Die Adria erwärmt sich unaufhaltsam, und so gibt es Warnungen, denen zufolge das beliebte Bademeer in ein paar Jahrzehnten zum salzigen Sumpf werden könnte. Wie Italien mit dem Thema Klimaschutz umgeht oder nicht umgeht, berichtet Karl Hoffmann.

Von Karl Hoffmann | 22.11.2007
    Den ganzen Sommer über immer wieder die gleiche Nachricht in der abendlichen Tageschau: Wasserprobleme. In den letzten Jahren hat die Regenmenge beinahe überall um zehn Prozent abgenommen Das flüssige Nass wird immer kostbarer und vor allem immer knapper. In Taranto, der Hauptstadt der Region Apulien probten im vergangenen August die Bürger regelrecht den Aufstand.

    " Was hier in Taranto abläuft ist wirklich das Letzte. Heuer waren wir zum ersten Mal ohne einen Tropfen Wasser, sechs Tage lang und wir sind fünf Personen zuhause. Seit Stunden stehe ich hier mit dem Kanister und warte auf den Tankwagen, aber der kommt nicht. Ich habe seit acht Tagen kein Trinkwasser mehr. Und bei der Stadtverwaltung behaupten sie, dass die Wassermengen nur reduzierten werden - von wegen. Sie haben das Wasser schlichtweg abgedreht. "

    Italien wird von einer bevorstehenden Klimaveränderung massiv betroffen sein, da sind sich die Experten sehr sicher. Der Süden versteppt, auch der Norden trocknet langsam aus. Der Po, größter Fluss des Landes, verkümmert immer mehr zu einem Rinnsal. Die Adria erwärmt sich unaufhaltsam, und wenn es so weitergeht, dann wird das beliebte Bademeer in ein paar Jahrzehnten zum salzigen Sumpf. Angesichts solch alarmierender Aussichten hatte die römische Regierung jüngst eine Klimakonferenz einberufen. Regierungschef Romano Prodi mahnte zum Handeln:

    " Wir brauchen ein neues Bündnis mit der Natur, und zwar nicht nur aus Respekt vor ihr sondern auch deshalb, weil die Umwelt ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung darstellt. Wir müssen in dieser Frage politische Gegensätze vermeiden, weil unser Land sich das gar nicht leisten kann. Wir müssen unser ganzes Augenmerk auf Umwelt und Landschaft richten, müssen den besonderen Charakter unseres Landes erhalten und gleichzeitig gemeinsam an der Sicherung unserer Energieversorgung arbeiten. "

    Dieses eher allgemein formulierte Bekenntnis zum Klimaschutz unterstrich eher noch die Unfähigkeit einer schwachen Regierung zu energischem Handeln. In Sachen Klimaschutz ist Italien trauriges Schlusslicht. Dabei bietet das Land ideale Voraussetzungen etwa für die Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Inzwischen wachsen zwar hier und da Windenergieanlagen auf küstennahen Berghängen , doch in Sachen Sonnenenergie, die es ja bekanntlich in Hülle und Fülle gibt, liegt das Land noch Jahre zurück. Es fehlt am politischen Willen, meint Nicola Croci, Vertreiber von Solaranlagen:


    " Eine allzu starke Förderung der alternativen Energiequellen würde das Monopol der Lieferanten von traditionellen Energien viel zu sehr stören. "

    Erst in der vergangenen Woche hat Italien ein Abkommen mit Algerien über den Bau einer neuen Pipeline von der nordafrikanischen Küste nach Sardinien geschlossen, um die Versorgung des Landes mit Erdgas sicherzustellen - und damit natürlich Kasse zu machen. Nun hofft auch die Atomlobby nach langer Agonie auf eine Comeback. Vor genau 20 Jahren, noch unter dem Eindruck des Unglücks von Tschernobyl, hatte eine überwältigende Mehrheit der Italiener, die Nutzung der Atomkraft in ihrem Land abgelehnt. Heute , so eine jüngste Umfrage, würde dieser Volksentscheid anders aussehen. Die Atomkraft halten viele für einen Ausweg der Klimakrise ohne Einbusse an Energieverbrauch. Wo im dicht besiedelten Italien allerdings ein Kernkraftwerk ohne erbitterten Widerstand der der lokalen Bevölkerung gebaut werden soll, weiß niemand. So herrscht denn angesichts des bedrohlichen Zustandes des Weltklimas in Italien eher Ratlosigkeit. Und die, so meint Nicola Croci, hängt wiederum mit der mangelhaften Information der Bürger zusammen:

    " Der Normalbürger ist sich überhaupt nicht klar über den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und der Nutzung alternativer Energiequellen. Solch ein Umweltbewusstsein kann nur dank einer intensiven Berichterstattung erfolgen. Wenn es keine entsprechenden Informationen gibt, dann wird es auch extrem schwer sein, positive Ergebnisse zu erzielen. "

    Italien leidet an seinen ewig alten Problemen, ein zusätzliches gigantisches Umweltproblem hat da kaum Platz.