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Der traurige Narr

Als erstes Haus in Deutschland durfte die Dresdner Semperoper durfte den peruanischen Tenor Juan Diego Flórez als neuen Star präsentieren. Der Semperbau ist berühmt für seine Akustik, mit Stars nicht gerade verwöhnt, aber als Ort touristischer Begierden umworben. Das Stück ist dann fast Nebensache. Regisseur Nikolaus Lehnhoff hat den "Rigoletto" mehr arrangiert als inszeniert.

Von Georg-Friedrich Kühn | 22.06.2008
    Ein Staraufgebot an Sängern, die man sonst nur vom Namen kennt und für die man vielleicht auch ein bisschen tiefer in die Tasche greift; ein Publikum, das ganz offensichtlich zum Teil von weither angereist ist wegen der Sänger und nicht mit Applaus spart; das Fernsehen an Bord, das die Premiere aufzeichnet und leicht zeitversetzt über "arte" sendet; eine Inszenierung, die einen geschmackvollen Rahmen bildet und nicht weiter auffällt. So macht Oper Spaß, oder könnte Spaß machen. Angekündigt war ein musikalisches Großereignis: der erste Deutschland-Auftritt des als Pavarotti-Nachfolgers gehandelten peruanischen Tenors Juan Diego Flórez.

    Er ist in der Tat eine blendende Erscheinung: schmal, zierlich, leichtfüßig sich bewegend ganz im Unterschied zu seinem Vorbild. Seine Stimme freilich wirkt eher klein, eng, leicht gepresst mit wenigen Farben, kaum lyrischen Valeurs, aber durchdringend hell. Und die Regie hat offenbar wenig mit ihm gearbeitet oder arbeiten können oder wollen. Flórez‘ Gestik wirkt hilflos: Arme breiten, Arme strecken, mal mit wehendem Mantel über einen Tisch laufen und die Teufelshörnchen seiner Hofschranzen streifen.

    Neben ihm die Gilda des Abends, Diana Damrau - sie macht eine viel strahlendere Figur, bewegt sich sehr viel differenzierter. Man merkt ihr die schon wesentlich gereiftere Bühnenerfahrung an. Ihre Stimme, wenn auch manchmal etwas breit angelegt, überzeugt mit dem verinnerlichten Ton einer jungen Frau, die von ihrem Vater ängstlich unter Verschluss gehalten wird als reiner Engel und die dann dem erstbesten jungen Mann verfällt, den sie in der Kirche erblickt und der ihr begehrliche Blicke wirft. Und die Gouvernante präsentiert ihr den als armer Student Verkleideten, aber alles andere als schüchternen Herzog direkt hinter ihrem Bett.

    Sogar GMD Fabio Luisi, der mit knalligem Dirigat die Wagnerschen "Meistersinger" zu Spielzeitbeginn in Dresden fast geschmissen und jedenfalls den Sänger des Stolzing zum Abbruch wegen Stimmversagens gebracht hatte, erinnert sich hier bei Verdis "Rigoletto" der Opern-Tugenden, zumal italienischen Sänger-Theaters. Luisi atmet mit den Sängern, lässt ihnen ihren Raum, führt die Staatskapelle schlank, geschmeidig und mit Eleganz, auch wenn bei den Ensembles nicht immer alles harmoniert zwischen Bühne und Graben.

    Was bleibt, wenn die Stars abgereist sind und der Alltag in der Semperoper zu Normalpreisen wieder einkehrt? Regisseur Nikolaus Lehnhoff hat mehr arrangiert als inszeniert. Von Raimund Bauer hat er sich ein schwarz glänzendes Ambiente mit eingehängter Gilda-Sternen-Kemenate bauen lassen. Bettina Walter kleidet die Figuren so, dass man immer gleich weiß, wer die Guten sind und wer die Bösen.

    Die Hofgesellschaft kommt anfangs in Vogelmasken, später als erweiterter Zoo. Tänzer mit Motorradfahrer-Brillen wirbeln über den Laufsteg-Tisch. Rigoletto, der bucklige Narr, zwängt sich anfangs - eine ganz schöne Idee - aus dem Souffleurkasten auf die Bühne, zieht dort erst sein lindgrünes Kostüm über und die Schminke auf. Am Ende, als er die tote Gilda in Armen hält, huschen Wesen in seiner Narrenkappe über die Bühne.

    Nach viel Szenenbeifall gab es zum Schluss "standing ovations" für Sänger und Dirigent, zumal für Diana Damrau als Gilda, und ein paar Buhs für die Regie. Musiktheater, zumal auch was Verdi damit meinte und weswegen ihn der Stoff von Victor Hugo so faszinierte, sähe wohl etwas anders aus. Aber ob dafür dann auch das Fernsehen zu interessieren wäre?