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"Der Turm" kommt ins Fernsehen

Gleich acht Mal hat der Schauspieler Jan-Josef Liefers den DDR-Roman "Der Turm" zu Weihnachten bekommen - gute Voraussetzungen für eine Hauptrolle in der TV-Verfilmung von Uwe Telllkamps Erfolgsbuch. In Dresden, nahe der Schauplätze des Romans, wurde nun Premiere gefeiert.

Von Claudia Altmann | 25.09.2012
    Der Film "Der Turm" ist eine Zeitreise in die DDR der 1980er-Jahre und das Leben einer bürgerlichen Dresdner Familie. In der Turmstraße auf dem Dresdner Weißen Hirsch. Die Geschichte von Richard und Anne Hoffmann, ihrem Sohn Christian und dessen Onkel Meno Rohde. Die Geschichte einer untergehenden Familie in einem untergehenden Land. Die Familie scheint es in ihrer Nische gemütlich zu haben. Aber hinter der Idylle das Doppelleben des Chirurgen Richard, der seinem Sohn den Ehrgeiz vererbt hat und ihn Anpassung an das System lehrt.

    Barbara Rohde: "Kann nicht irgendeiner von Deinen Kollegen Christian wehruntauglich schreiben?"

    Richard Hoffmann: "Die Armee wird den Jungen nicht umbringen im Gegenteil. Ich hab ganz andere Sachen durchgemacht."

    Meno Rohde: "Ja und? Hättest Du nicht gerne auf das Eine oder Andere verzichtet?"

    Richard Hoffmann: "Die Frage ist doch: Willst Du ein Feigling sein, der sich hinter seinem Onkel und seiner Mutter versteckt. Oder willst Du ein Mann werden?"

    Christian Rohde: "Irgendwie muss jeder zur Armee."

    Ulrich Rohde: "Ah, genau, keine Privilegien für niemanden! War das nicht mal die Ansage?"

    Barbara Rohde: "Warum was durchmachen, was sich so leicht umschiffen lässt?"

    Christian Rohde: "Das glaubt sowieso keiner, dass sich jemand freiwillig für drei Jahre verpflichtet."

    Dieser fühlt sich vielmehr zum Onkel hingezogen, der aber als Lektor auch die Spielregeln der Außenwelt verinnerlicht hat.

    Meno Rohde: "Weil ich ein Gespür dafür habe, was durchgeht und was nicht."

    Altberg (Schriftsteller): "Sie fordern mich also auf, schon in meinem Kopf die Schere anzusetzen. Nicht mehr zu denken, was zu denken wäre, nur um einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen …Sie wollen rebellisch sein, Meno Rohde, und sind doch angepasster als ich."

    So wie das Land, rutscht auch die Familie immer weiter dem Abgrund entgegen. Sohn Christian versucht während seines NVA-Dienstes verzweifelt, die ihm anerzogene Menschlichkeit nicht begraben zu müssen und entfernt sich zugleich immer mehr von der Welt seiner Eltern.

    Richard Hoffmann: "Das ist kompliziert. Das verstehst Du doch gar nicht."

    Christian Rohde: "Nee, das verstehe ich nicht, will ich auch gar nicht verstehen. So wie ich das hier alles nicht verstehe, diesen ganzen Scheißdreck von Fressen, Saufen und Karriere."

    Richard Hoffmann: "Setz Dich wieder hin!"

    Christian Hoffmann: "Nö, ich setz mich nich' wieder hin. Ist doch alles nicht wichtig. Das ist doch alles - verlogene Scheiße ist das hier."

    Was im Buch auf Tausend Seiten mäanderhaft erzählt wird, wurde von Drehbuchautor Thomas Kirchner komprimiert und gerade das habe ihn am Film gereizt.

    "Er ist auf der einen Seite schneller und im gleichen Augenblick langsamer, weil durch die Konzentration auf die Familie die einzelnen Figuren vertiefter sind als die im Roman vertieft sind letztlich. Und durch die Komprimierung auf diese vier Figuren wird, glaube ich, der Durchschlag der DDR in die Familien deutlicher als er im Roman letztlich ist."

    Für Regisseur Christian Schwochow war der Film eine Art Spurensuche, wie er sagt. Sein Vater saß in Dresden wegen Republikflucht im Gefängnis. An dem Roman hat ihn aber nicht nur die darin wiederentdeckte eigene Vergangenheit fasziniert.

    "Bei diesem Roman war das Besondere: Ich hab den damals gelesen und fand, das hat eine ganz faszinierende Mischung aus wahrhaftiger dokumentarischer Beschreibung des Landes, in dem ich geboren bin oder Aspekten oder Teilen dieses Landes. Und gleichzeitig hat der auch so eine poetische märchenhafte, fast fantastische Überhöhung. Die fand ich unheimlich reizvoll und sehr bildgewaltig. Und deswegen hat das eine ganz spannende Vorlage für eine Verfilmung geliefert."

    Bei der Umsetzung hat er sich Schwochow ein Ensemble hochkarätiger Schauspieler zusammengestellt. Die meisten von ihnen kommen aus dem Osten und haben einen viel direkteren Zugriff zu den Figuren.

    "Dazu kam – das konnte ich überhaupt nicht so voraussehen – dass viele sich seit vielen Jahren kennen. Also Jan-Josef Liefers und Claudia Michelsen kennen sich aus Dresden seit sie Teenager sind. Viele haben zusammen studiert, haben zusammen Theater gespielt oder jetzt in den letzten zwanzig Jahren Filme zusammen gemacht. Und das war ein ganz tolles Geschenk, weil die Familie, die im Zentrum des Films steht, die musste ich gar nicht lange erfinden. Also, weil eine Familie muss man ja mit Schauspielern so erarbeiten, dass alle Gesten, die Vertrautheit , dass man das innerhalb kürzester Zeit herstellt. Das musste ich gar nicht herstellen, weil diese Schauspieler miteinander schon so eine Art von Familie sind."

    Die Schauspieler agieren authentisch in akribisch detailgetreuer Kulisse. Das, aber nicht nur das hat auch Autor Uwe Tellkamp überzeugt.

    "Ich finde den Film sehr gelungen und ich sehe ihn eher als Ergänzung zum Buch. Und ich gebe schon zu, dass gewisse Motive, die der Drehbuchautor hat, mir zum Teil auch besser gefallen als das, was mir so eingefallen ist im Buch. Das gebe ich zu."

    Tellkamp arbeitet bereits an der Fortsetzung der Geschichte, die diesmal unter anderem in Leipzig und Berlin spielen wird und von der ein Drittel schon fertig ist.


    Das Erste zeigt "Der Turm" am 3. und 4. Oktober 2012 um 20.15 Uhr.