Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Der Weg des Dioxins

Das dioxinverseuchte Futtermittel gelangte auch von einem Futtermittelhersteller in Uetersen in Schleswig-Holstein zu Viehbetrieben. Immer mehr müssen nun geschlossen werden, in Nordrhein-Westfalen wurde bereits die Tötung von 8.000 Legehennen angeordnet. Jetzt suchen die Bundesländer nach Wegen zu einer effizienteren Vorbeugung.

Von Annette Eversberg | 04.01.2011
    Auch in Nordrhein-Westfalen stehen Futtermittelbetriebe im Verdacht, dioxinbelastetes Futter in den Verkehr gebracht zu haben, erklärte der Verbraucherschutzminister des Landes, Johannes Remmel:

    "Wir haben eine Schnellwarnung bekommen und müssen davon ausgehen, dass dioxinbelastete Futtermittel auch in Nordrhein-Westfalen produziert worden sind, die Betriebe werden derzeit untersucht. Und wir müssen dann auch dort die entsprechenden Lieferlisten nachvollziehen, um dann die Betriebe auch aufzusuchen und die Produkte zu untersuchen."

    Johannes Remmel hat darüber hinaus die Tötung von 8.000 Legehennen angeordnet:

    "Die Voraussetzungen sind die, dass in den Proben Grenzwertüberschreitungen gefunden worden sind. Das ist zurzeit an drei Stellen in Nordrhein-Westfalen der Fall im Kreis Steinfurt und im Kreis Soest. Weitere Ergebnisse werden von uns allerdings noch erwartet."

    Gestern haben sich die Verbraucherschutzminister aller Bundesländer über den Dioxinskandal verständigt. Der Bundestag plant eine Sondersitzung.

    "Wir haben entsprechende Hinweise aus Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen. Und wir müssen jetzt die Informationen so aufbereiten, dass sie auch im europäischen Kontext weitergegeben werden können. Weil der Handel mit den Produkten auch über die nationalen Grenzen hinausgeht, insofern müssen auch dort die entsprechenden Warnungen und Abläufe in Gang gesetzt werden."

    Inzwischen sind nicht nur Geflügelbetriebe betroffen. Auch Schweinemastbetriebe in Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen haben dioxinbelastetes Futter erhalten. In Niedersachsen wurden vorsorglich 1000 Betriebe gesperrt, die ihre Produkte derzeit nicht in den Verkehr bringen dürfen. Die Verbreitung des Futters erfolgte so schnell, dass sich wieder einmal die Frage stellt, ob die Kontrolle von Futtermitteln überhaupt ausreichend ist. Johannes Remmel:

    "Wir versuchen zurzeit alles, um die Produkte von den Verbraucherinnen und Verbrauchern zurückzuhalten, gegebenenfalls aus dem Handel zurückzurufen und Produkte, die verarbeitet worden sind, auch zu erreichen. Das ist unsere Aufgabe. Dann werden wir uns Gedanken machen müssen, wie wir insgesamt die Kette verbessern können durch zusätzliche und lückenlose Überwachung und Kontrollen, die notwendig sind, um Verbraucherinnen und Verbrauchern gerade in einem Markt, der nicht nur an nationalen Grenzen haltmacht, sondern der international ist, um diese Märkte noch besser in den Griff zu bekommen."

    Obwohl die Dioxinbelastung von Boden, Wasser und Sedimenten zurückgegangen ist, können Lebensmittel – wenn auch geringfügig - mit Dioxin belastet sein. Die Produktionsverfahren von Futtermitteln sind – so Lebensmittelchemiker - häufig der Grund.

    2003 wurde in Irland Brot zur Fütterung beim Trocknen mit Rauchgasen und damit auch mit Dioxin belastet, das sich anschließend im Schweinefleisch nachweisen ließ. Tonmineralien aus Vulkanlagerstätten dienen als Trägermaterial für Vitamine oder sie liefern Spurenelemente und Mineralien für Futtermittel. Teilweise sind sie mit Dioxinen belastet.

    Auch Lebensmittel aus dem Ausland, die mit dioxinbelastetem Pentachlorphenol behandelt wurden, kommen immer wieder in den Handel.

    Weil Dioxin vor allem fettlöslich ist, finden Lebensmitteluntersuchungsämter selbst in Futtermitteln, die mit dem Öl von Fischen aufbereitet wurden, regelmäßig Spuren von Dioxin, das so in die Nahrungskette gelangt. Wie der Fall des Futtermittelherstellers in Uetersen zeigt, ist es zudem üblich, Futterfette und technische Fette in ein und demselben Betrieb herzustellen.

    "Das ist eine Frage, die wir beantworten müssen. Auch, warum bestimmte Teile der Produktionskette strenger überwacht werden, als andere. Hier müssen wir uns Gedanken machen. Jedenfalls sind das die ersten vorsichtigen Hinweise, die wir machen können, wo es zu Verbesserungen kommen muss."

    Die Futtermittelproduktion besser in den Griff zu bekommen, hat man bereits 2002 versucht. Damals wurden Futtermittel erstmalig den Lebensmitteln gleichgestellt. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Dioxin forcierte das Sammeln von Daten über Dioxin in Futtermitteln. Trotzdem fehlt es aus der Sicht von NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel noch immer an Transparenz.

    "Das werden wir diskutieren. In gut zwei Wochen gibt es eine entsprechende Konferenz der Amtschefs. Und dort werden wir unsere Erkenntnisse dann einbringen."